Oberhausen. . „Die Arbeit erdet mich“, sagt Susanne Grünewald. Die 49-Jährige ist neue Vorsitzende des Vereins „Aktion Friedensdorf“. Sozial engagiert seien sie und ihr Mann eigentlich schon immer gewesen. „Das Friedensdorf hat uns aber besonders gereizt, weil es direkt vor Ort ist“, sagt sie.

Denn dadurch sei es leichter gewesen, einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. „Beim Dorffest zum Beispiel.“ Vor 15 Jahren habe sie der damalige Friedensdorf-Leiter Ronald Gegenfurtner angesprochen, ob sie nicht im Vorstand des Vereins mitmachen möchte. Sie wollte. Auch, weil sie ein großer Bewunderer Gegenfurtners war und ist. „Noch während seiner Krebserkrankung hat er das Friedensdorf akribisch auf die Zeit nach seinem Tod vorbereitet.“

Die Idee lebt weiter. Im Team, im Verein. „Wer einmal infiziert ist, der bleibt“, ist sich Grünewald sicher. „Auch, weil es faszinierend ist, wie konkret den Kindern geholfen werden kann.“ Das beginne bei der Ankunft der schwer kranken Kleinen am Flughafen. Je nach gesundheitlicher Verfassung würden die Kinder sofort in eine Klinik gebracht oder kämen erst ins Dorf.

„Die meisten sind in katastrophalem Zustand.“ Eiternde Wunden, durch Mienen zerfetzte Gliedmaßen - und trotzdem diese Hoffnung im Blick. „Da sehe ich einem Dreijährigen in die Augen und finde nicht ein Quäntchen Furcht, obwohl er so weit von seiner Familie weg ist und nicht ein Wort Deutsch spricht.“

„Dieser Lebenswille, der feste Glaube der Kinder daran, dass wir ihnen helfen - diese Erwartung fordert uns alles ab.“ Dazu gehöre Zuspruch von der ersten Minute an. „Gesten sagen mehr als tausend Worte.“ Hilfe bei der Eingewöhnung, liebevolle Anteilnahme, ohne einzuvernehmen. „Man muss sich zurücknehmen“, hat die zweifache Mutter erfahren. Klar, möchte man die Kinder überschütten, mit Kleidung, mit Freizeitangeboten. Doch die Helfer halten sich zurück. „Sonst schaden wir den Kindern.“

Denn es gehe vor allem darum, sie lebensfähig zu machen. Dazu gehöre, dass den Kindern immer bewusst bleibe, dass sie nach Hause zurückkehren. Dass es dort eine Familie gibt, die auf sie wartet und ein vertrautes Leben, dass sie bald unter besseren Vorbedingungen führen können.

Also gibt es keine Freizeitangebote von einem Helfer für ein Kind, sondern möglichst für alle. „Die Beziehung sollte freundschaftlich sein, die Bindung darf aber nicht zu eng werden.“ Das sei eine Gratwanderung: „Die nur gelungen ist, wenn sich die Kinder auf ihren Rückflug freuen.“

Rund 300 Patienten vor allem aus Afghanistan, Angola und dem Kaukasus, werden derzeit im Dorf und in Krankenhäusern betreut. Rund 1000 sind es pro Jahr. Finanziert wird die Arbeit ausschließlich aus Spenden.

„Aufgabe unseres Vereins ist es, die Ausgaben zu kontrollieren und für jedes Geschäftsjahr zu rechtfertigen“, führt Grünewald aus. Transparenz, die Gewissheit, dass jeder Cent dort ankommt, wo er hingehört - das sind wohl die Hauptgründe dafür, dass das Friedensdorf seine Tätigkeit seit über 40 erfolgreich macht.

„Doch es bleibt ein Ringen“, so Grünewald. Gerade, wenn Katastrophen wie die Hungersnot in Afrika die Schlagzeilen beherrschen. „Die Menschen geben gerne, sie können jeden Euro aber nur ein Mal ausgeben - also bekommen wir in Jahren wie diesen weniger.“ Für das Friedensdorf war der diesjährige Spendeneinbruch ein herber Schlag.

„Wir wurden gefragt, warum wir nicht auch in Japan helfen“, erinnert sich Grünewald. Die Überlegung habe es gegeben, aber: „Wir haben hervorragende Kontakte nach Japan - alle dort versicherten uns, dass es nicht erforderlich ist.“

Nicht auf jeden Zug aufspringen, sich nicht jeder Aktion anschließen, zieht zwar kurzfristig finanzielle Verluste nach sich. Doch langfristige Projekte, die eine Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen, verlässliche Partner vor Ort, die die Lage einschätzen können: „Das zahlt sich letztlich für alle Beteiligten aus“, hat die 49-Jährige immer wieder erfahren.

IHK-Präsident

Geboren und aufgewachsen ist Susanne Grünewald in Köln. Dort hat sie Biologie studiert. Bei der Hüls AG in Marl promovierte sie. Die Liebe lockte sie nach Oberhausen. „Wir haben 13 Jahre in Osterfeld gewohnt“, sagt die Frau von Bauunternehmer und IHK-Präsident Dirk Grünewald, „zogen dann nach Bottrop um“. Während der Promotionszeit kam die älteste Tochter (heute 21 Jahre) zur Welt. Sechs Jahre später folgte die zweite Tochter (15). Den Doktortitel in der Tasche widmete sich Susanne Grünewald hauptberuflich dem Nachwuchs. „Jobs in meinem Fachgebiet gab es damals in unserem Raum nicht, ich hätte täglich nach Köln oder Düsseldorf pendeln müssen.“

Ehrenamtlich tätig war Grünewald „eigentlich schon immer“, in der Kirche, in der Schule und seit vielen Jahren nun schon für das Friedensdorf.