Oberhausen.

Zumindest an der Pforte herrscht reger Betrieb – das Fernsehen wartet auf Einlass, möchte ein kurzes Interview. Schließlich beginnt in der neuen Therapie-Einrichtung, über die so viel diskutiert wurde, nun offiziell der Vollbetrieb. Wobei „Vollbetrieb“ ein irreführender Begriff ist angesichts der Tatsache, dass zumindest am gestrigen Mittag noch alle Zimmer der umgebauten Justizvollzugsanstalt leer waren.

Nicht einmal den ersten Straftäter hatte man schon aus seinem Übergangsdomizil in der Essener Forensik hergeholt. Wann genau er kommt, mögen die Verantwortlichen nicht sagen, „aus Sicherheitsgründen“. So oder so wird er auf unbestimmte Zeit allein sein auf weiten Fluren, umgeben nur von den 27 Mitarbeitern, die sich im Schichtdienst abwechseln.

„Es ist auch für uns eine bizarre Vorstellung“

Dass dem Außenbetrachter diese Vorstellung bizarr erscheinen muss, ist den Verantwortlichen klar. „Es ist auch für uns eine bizarre Vorstellung“, sagt Gerd Hoehner. Hoehner ist Psychologe und beim Träger der Einrichtung, dem Landschaftsverband Rheinland, für den Bereich Forensik zuständig. Er begleitet die Startphase des Oberhausener Therapiezentrums, mit dem selbst die Experten des LVR Neuland betreten.

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Sicher, das in den vergangenen Monaten ausgearbeitete Konzept habe Hand und Fuß, sagt Hoehner, völlig planbar sei die künftige Arbeit aber nicht. Vieles komme auf die „Untergebrachten“ an, wie man die aus der Sicherungsverwahrung Entlassenen hier nennt, schließlich sollen sie weder Gefangene sein, wie in einer JVA, noch Patienten, wie in einer Forensik.

Schon darüber, wie der Tagesablauf des ersten Bewohners aussehen wird, könne man wenig sagen. „Das soll er uns sagen.“ Selbstverständlich gebe es gewisse Vorgaben, aber „wir werden ihm kein fertiges Programm servieren“. Genau darum gehe es in der Therapie-Einrichtung: „Im Gefängnis wurden die Leute gelebt. Hier nehmen wir ihnen ihre Verantwortung für das eigene Leben nicht mehr ab.“

„Unkompliziert“ wirke der künftige Bewohner

Dass jene „Wiederkontaktaufnahme mit sich selbst“, wie Hoehner es nennt, auch im Fall des ersten Bewohners schwierig werden dürfte, darüber macht der Psychologe sich keine Illusionen. Er hat den 64-Jährigen besucht und lange mit ihm gesprochen. „Unkompliziert“ sei er, jemand, der in jahrzehntelanger Haft gelernt habe, sich den Spielregeln anzupassen – um den Preis eines völligen „Vitalitätsverlustes“, der damit meist einhergehe. „Von ihm kommt nichts, und das ist typisch.“

Immerhin: Am Malen habe der Mann Interesse und sei gelernter Koch – was Hoehner hoffnungsvoll stimmt, schließlich sollen die Bewohner hier selbst – und im besten Fall gemeinsam – ihr Essen zubereiten.

Ob das allerdings Realität wird, weiß derzeit niemand. Hoehners größte Sorge: dass der erste Bewohner in der auf Gruppentherapie angelegten Einrichtung dauerhaft allein bleibt. 13 Anträge auf Unterbringung liegen derzeit noch bei verschiedenen Gerichten, nachdem zwei bereits abgelehnt wurden. „Wenn wir hier in vier Wochen vier Leute sitzen haben, dann bin ich froh. Wenn der Herr dann immer noch alleine ist, habe ich große Bedenken.“