Oberhausen.

Silberlocken und Lebenslust können durchaus harmonieren. Das haben sich die „Morgensterne“ nicht nur zum Motto gemacht, sie zelebrieren es geradezu. Jeden Montagvormittag treffen sich die rund 20 Sängerinnen - ein musikalischer Hahn ist auch im Korb - des Ü-60-Chores im Gemeindesaal Liebfrauen zur Probe. Mit dem Notenheft in der Hand umarmen und herzen sie sich zur Begrüßung - mit einem Lächeln im Gesicht und einem fröhlichen Liedchen auf den Lippen. Denn neben der Lebens- schweißt vor allem die Sangeslust die Senioren zusammen.

„Ha-Ha-Ha, Hi-Hi-Hi“, hallt es durch den Saal. Auch wenn der Spaß an oberster Stelle steht, handelt es sich hierbei ausnahmsweise um kein herzhaftes Lachen, sondern um erste Atem- und Gesangsübungen. Chorleiter Arno Bovensmann sorgt zu Beginn jeder Probe erst einmal für die nötige Lockerheit: Füße ausschlackern, recken und strecken, frische Luft soll die Lungen durchströmen.

Erst dann wird’s musikalisch. „Over The Rainbow“ steht auf dem Probenplan ganz oben. Ganz verträumt sehen die Chormitglieder aus, lassen sich von der Melodie tragen und wiegen sich im Takt. Dass es mit der englischen Aussprache noch ein wenig hapert, stört niemanden. „Ja, das müssen wir in der Tat noch lernen“, gibt Mathilde Buschmann grinsend zu, „aber es kommt. Was zählt, ist nicht die Perfektion, sondern das Gemeinschaftsgefühl.“

Chor ist beim Publikum sehr beliebt

Und das springe auch aufs Publikum über, weiß Leiter Arno Bovensmann zu berichten. Wie etwa beim Auftritt, jüngst auf dem zum ersten Mal durchgeführten gemeinsamen Stadtteilfest Biefang und Schwarze Heide, als die Sängerinnen die Bühne gar nicht wieder verlassen durften - zumindest nicht ohne Zugabe.

Grund, nervös zu sein, hatte der einzige Sänger im Damenbund, Bernhard Zirwes, nicht. Schließlich ist der 69-Jährige auch im Kirchenchor aktiv und weiß, worauf es kurz vor Auftritten ankommt: auf Ruhe und Gelassenheit. Recht hat er, findet Leiter Arno Bovensmann: „Kosten Sie einmal aus, dass Sie mehr auf dem Buckel haben als viele andere“, lautet seine Sanges-Regie-Anweisung für den Klassiker „Für mich soll’s rote Rosen regnen“. Gelassen sollen sie sein, seine Schützlinge, mit einer gewissen Knef’schen „Ihr-könnt-mich-alle-mal-Trotz-Haltung“.

Nicht jeder Ton muss stimmen

Ohne Trotz, dafür zweistimmig geht’s bei „Sah ein Knab’ ein Röslein steh’n“ zu. Obwohl: So richtig zweistimmig ist es nur zu Beginn, Takt für Takt schleichen sich die Unterstimmen in die Melodiestimme. Der Profi hat’s natürlich gemerkt, den Ertappten steht das Grinsen im Gesicht, verkneifen sich so gerade noch ein lautes Loslachen.

Das ist dafür umso lauter bei der nächsten Anweisung des Chorleiters, dessen Ehrlichkeit Außenstehenden vielleicht hart erscheint, von den Sängerinnen aber besonders geschätzt wird: „Sie sind keine frischen Rosen mehr“, sagt Bovensmann. „Aber verstecken Sie sich ja nicht! Machen Sie sich nicht klein, singen Sie mit all Ihrer Intensität!“

Renate Buller nimmt diesen Ratschlag nur allzu gerne an. Die Oberhausenerin singt mit ganzem Herzblut und voller Leidenschaft. Ohne triftigen Grund würde sie keine Probe ausfallen lassen. Auch heute nicht, obwohl sie erst eine halbe Stunde vor Probenbeginn aus dem Zypern-Urlaub zurückgekehrt ist. „Auspacken kann ich auch später“, sagt sie, scheinbar wunschlos glücklich. Einen kleinen Wunsch hat sie aber doch, ebenso ihre Chor-Kolleginnen: noch mehr Sänger für den Spaß an der Freud’ begeistern.