Oberhausen. .

Sie wurden beim Schwarzfahren oder Klauen erwischt, haben Mitschüler erpresst, beraubt oder zugeschlagen. Die Palette der Delikte ist ist weit gefächert. Aber eines ist klar: Wenn ein 14- bis 20-Jähriger in eine Strafsache verwickelt ist, kommt die Jugendgerichtshilfe ins Spiel.

„Wir bekommen die Anklageschrift zugestellt und schreiben dann, je nach Alter, die Jugendlichen selbst oder ihre Eltern an und laden sie zu uns ein“, erklärt Sozialarbeiter Patrick Eberle das Vorgehen. Hausbesuche, wie sie im Fernsehen oft als üblich dargestellt werden, seien im wahren Leben eher die Ausnahme, erklärt Armin Nixdorf, Sachgebietsleiter für die Jugendgerichtshilfe beim hiesigen Jugendamt. Der Besuch in den eigenen vier Wänden sei meist aber auch gar nicht nötig, um sich ein aussagekräftiges Bild von der familiären und sonstigen Situation des Angeklagten zu machen: „Man entwickelt ein Gespür dafür, weiß sehr bald, wo man nachhaken muss“, erzählt Nixdorf.

Welche Schwierigkeiten gibt es? Welche Hintergründe hat die Tat? Das zu wissen, ist entscheidend, um individuell geeignete erzieherische Maßnahmen vorschlagen zu können – denn das wird seitens der Justiz von den Jugendgerichtshelfern erwartet: „Wir sind eine eigene Instanz im juristischen Verfahren, sollen unsere pädagogischen Erfahrungen einbringen“, schildert Eberle den Auftrag. Der Justiz zuarbeiten ist aber nur die eine Seite, die andere ist die Begleitung der Jugendlichen – vor, im und nach dem Verfahren: „Es sind ja Gottseidank nicht alle Profis in Sachen Strafverfahren. Im Gegenteil. Die meisten Jugendlichen haben viele Fragen.“ Etwa: Wie läuft so ein Verfahren ab, was für eine Strafe habe ich zu erwarten? Bin ich dann vorbestraft?

Intensivtäter machen geringen Teil aus

Rund 2200 Fälle, sprich Delikte, landeten im vergangenen Jahr auf den Schreibtischen der Jugendgerichtshilfe an der Danziger Straße, vom Schwarzfahren bis zu gefährlicher Körperverletzung. Ersteres ist übrigens deutlich seltener geworden: Vor Zehn Jahren gab’s noch 500 Fälle, im vergangenen Jahr waren’s 135. „Das Schokoticket und vor allem der kontrollierte Vordereinstieg haben das bewirkt.“ Das andere Ende der Skala – Delikte mit brutaler Gewalt – sei „nicht dramatisch häufig“. Nur 1,5 Prozent der Jugendlichen gelten als so genannte „Intensivtäter“, die innerhalb eines Jahres mehrfach für Eigentums- oder Gewaltstraftaten belangt werden.

„Die meisten sehen wir hier nur ein- oder zweimal“, erzählt Nixdorf vom „Normalfall“ in der Jugendgerichtshilfe: „Die sitzen hier mit 14 oder 15, weil sie sich in der Gruppe zu einem Ladendiebstahl haben hinreißen lassen oder ihr Moped kräftig frisiert haben. Dann vielleicht nochmal mit 18, weil sie ohne Führerschein gefahren sind.“ Das Gros der Verfahren endet damit, dass Sozialstunden verhängt würden: 30 000 im vergangenen Jahr. „Das ist die allerhäufigste Sanktion: Geld, um Bußen bezahlen zu können, haben die Jugendlichen ja nicht.“

Zu kontrollieren, dass diese Sozialstunden wie angeordnet abgeleistet werden, Auflagen wie Deeskalationstrainings oder Verkehrserziehungskurse wirklich erfüllt werden, obliegt auch den Mitarbeitern der Jugendgerichtshilfe, genauso wie der regelmäßige Besuch bei denen, für die am Ende des Verfahrens eine Jugendstrafe stand: „Das wird durchaus auch schon mal von uns vorgeschlagen, wenn nötig“, sagt Patrick Eberle. „Wir sind schließlich nicht als Verteidiger, sondern neutrale pädagogische Sachverständige im Verfahren“, erklärt Nixdorf.