Eine bundesweite Imagekampagne soll den Ruf der Jugendämter verbessern. Die Stadt Oberhausen beteiligt sich aber nicht daran.

Das Image ist ein denkbar schlechtes – mit dem Jugendamt will lieber niemand etwas zu tun haben. In den Blickpunkt rückt die Behörde meist nur dann, wenn etwas Schreckliches passiert ist, Hilfesysteme versagt haben und Kinder zu Schaden gekommen sind. In einer bundesweiten Imagekampagne unter dem Motto „Unterstützung, die ankommt“ wird jetzt an dem Bild in der Öffentlichkeit gearbeitet. Die Oberhausener Behörde beteiligt sich aber nicht daran. Die NRZ sprach mit dem Leiter des Bereichs Jugendamt und Soziale Angelegenheiten, Hans-Georg Poß, und dem Fachbereichsleiter Kinder, Jugend und Familie, Thomas Notthoff, über Gründe und Hintergründe.

NRZ: Das Ansehen des Jugendamts ist in Oberhausen sicher nicht grundlegend besser als andernorts. Warum beteiligen Sie sich nicht an der Imagekampagne?

Thomas Notthoff: Das Ganze ist uns zu pauschal angelegt. Hochglanzbroschüren, Plakate mit der Aussage „Wir sind super“ nützen uns nichts. Vor allem erreichen wir damit auch nicht die, die wir erreichen wollen – nämlich die Menschen, denen wir Hilfen anbieten möchten.

Woran liegt’s, dass die Jugendämter in so schlechtem Licht erscheinen?

Notthoff: Wir werden reduziert auf „Kontrollieren, Sanktionieren, Kinder wegnehmen.“ Klar, es ist unser gesetzlicher Auftrag, sowas auch zu tun. Die Betonung liegt auf „auch“. Unser erster Auftrag besteht nämlich darin, Hilfen anzubieten. Und erst, wenn alles nicht ausreicht, um eine Familie so weit zu stabilisieren, dass das Kindeswohl nicht gefährdet ist, dann müssen wir unser Wächteramt ausüben und die Kinder erstmal rausnehmen.

Wie oft kommt das in Oberhausen vor?

Notthoff: Etwa 70 Mal im Jahr. Und rund die Hälfte der Kinder kann irgendwann in die eigene Familie zurück, wenn sich die Verhältnisse dort ausreichend stabilisiert haben. Daran arbeiten unsere Mitarbeiter intensiv. Problematisch wird’s allerdings immer dann, wenn Eltern nicht einsehen wollen, dass bei ihnen einiges schief läuft und sich allen Hilfen versperren.

Hans-Georg Poß: Wenn’s bei den Eltern nicht „klick“ macht, stoßen wir an unsere Grenzen. Aber was die öffentliche Wahrnehmung angeht, wird dieser kleinste Bereich unserer Arbeit leider immer am meisten wahrgenommen: Alle sehen die Annas und die Kevins, keiner sieht die Familien, denen wir helfen. Und keiner kann ermessen, was an Schlimmem verhindert werden konnte.

Wie vielen Familien bieten sie Hilfe an?

Notthoff: Grundsätzlich jedem, der Hilfe braucht. Alle Sorgeberechtigten haben einen Rechtsanspruch auf Hilfen zur Erziehung, wenn sie Probleme haben.

Poß: Und dazu braucht’s auch kein kompliziertes schriftliches Antragssystem. Hierher kommen und Hilfebedarf bekunden, das reicht. Aktuell sind’s 1800 Hilfen zur Erziehung, die über uns laufen. Sie erstrecken sich auf rund 1400 Familien.

„Hilfen zur Erziehung“: Was zählt dazu?

Poß: Alles, was der Familie weiterhilft. Das hängt ganz vom Einzelfall ab. Unsere Sozialarbeiter gehen etwa in Familien, zeigen, wie man mit Babys umgeht, wie man Babynahrung zubereitet oder Wäsche wäscht. Sie helfen, den Umgang mit Geld zu lernen und vieles mehr. Was im Einzelfall eben nötig ist.

Notthoff: Neben diesen so genannten ambulanten Hilfen gibt’s die teilstationären – etwa Tagesgruppen, die Kinder nach der Schule besuchen. Dann gibt’s noch die stationären Hilfen, sprich Heimunterbringung. Manche Jugendliche brauchen hochspezialisierte Einrichtungen: Zwischen Rügen und Bayern gibt’s 140 Heime, in denen Jugendliche aus Oberhausen untergebracht sind. Insgesamt fließen 35 Millionen Euro im Jahr in den gesamten Bereich Hilfen zur Erziehung.

Aber Sie haben doch nicht nur mit problematischen Familien zu tun?

Poß: Gottseidank nicht. Wir haben ein ganz breites Spektrum und es fallen auch viele schöne, rundherum positive Dinge in unseren Zuständigkeitsbereich wie die Ferienspiele, Action Guide, Zirko Zampano und viele Bereiche der offenen Jugendarbeit.

Was gehört noch zum Spektrum?

Notthoff: Die Pflegekinder- und Adoptionsvermittlung, Jugendgerichtshilfe, Hilfen für den Übergang Schule/Beruf, die Lese-Rechtschreibförderung, die mobile aufsuchende Jugendarbeit, die Drogenberatungsstelle, das Zentrum für Integration und Bildung – hinter vielem stecken wir.

Was hat sich in den letzten Jahren an Ihrer Arbeit verändert?

Poß: Wir versuchen, immer früher anzusetzen, damit manche Probleme sich gar nicht erst verfestigen können. „KIM“ ist so ein Beispiel – „Kinder im Mittelpunkt“. Wir besuchen alle Familien mit Neugeborenen und informieren gleich über mögliche Hilfen und Ansprechpartner. In der ersten Viertelstunde erleben unsere Mitarbeiterinnen da oft, dass man ihnen zunächst reserviert gegenübertritt. Aber dann entwickelt sich meist eine gute Gesprächsatmosphäre. Die jungen Familien merken dann: Das ist keine von der „Firma Kontrolletti“. Und dann ist schon eine gute Basis dafür gelegt, dass sich die Familien auch trauen, sich später wieder an uns zu wenden, wenn sie vielleicht Hilfe brauchen.

Notthoff: Ich bin davon überzeugt, dass das der richtige Weg ist und wir hier eine sehr gute Jugendhilfearbeit leisten. Aber leider ist Prävention erst nach vielen Jahren messbar – wenn überhaupt.