Oberhausen. . Erst studierte er Elektrotechnik, dann Theologie: Tobias Meisinger (39) ist Pastor der Baptistengemeinde in Oberhausen.„Wichtig ist, dass der Mensch eine Beziehung zu Jesus Christus hat“, erklärt er.

„Es gibt im Moment keinen Platz auf der Welt, wo ich lieber wäre als hier.“ Pastor Tobias Meisinger (39) erzählt so begeistert von seiner Berufung, seinem Leben mit Gott, von der permanenten Auseinandersetzung auch mit sich selbst, das dieses zuweilen unbequeme Leben im Glauben bedeutet, dass man ihm sofort glaubt. Sein Platz im Leben ist der als Pastor der Baptistengemeinde in Oberhausen.

Klein ist diese Gemeinde mit rund 70 Mitgliedern, familiär ist sie. Was man gleich merkt. Kommt doch der Pastor gerade von einem spontan in den Tagesplan eingeschobenen Krankenbesuch eines Gläubigen, der erst einen Tag zuvor notoperiert werden musste. Gemeindeleiter Günter Gerhold (61) und sein Stellvertreter Hans Günter Raudszus (63), die ihren Pastor an diesem Morgen unterstützen wollen bei der Darstellung ihrer christlichen Kirche, fragen auch gleich besorgt nach ihrem Bruder im Glauben.

Taufe ist persönliche Entscheidung

Ein ebenso kleines wie feines Schmuckstück der Baptisten ist die weißgestrichene Kirche an der Walter-Flex-Straße. Liebevoll streicht der Pastor über die alten Kirchenbänke aus schwerem dunklen Holz, zeigt auf die bunten Glasfenster, durch die strahlend das Sonnenlicht flutet. Und kommt zu einem Herzstück dieser Kirche direkt hinter dem Altar, dem Taufbecken. Es ist ein Becken, in das man komplett hineinsteigt. „Genauso wie man sich ins Taufbecken legt, legt man sich in die Arme Gottes“, sagt Meisinger. Damit ist er an einem charakteristischen Punkt der Baptistengemeinde angelangt, die Mitglied ist im Bund Evangelischer-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland mit rund 80 000 Mitgliedern und rund 600 Gemeinden.

„Nicht die Eltern lassen ihr Kind taufen“, sagt Meisinger. Jeder Mensch muss das selber entscheiden, wenn er alt genug ist. „Wichtig ist, dass der Mensch eine Beziehung zu Jesus Christus hat“, erklärt der Pastor. Dabei ist er jetzt ein wenig vorgeprescht im „Baptisten-Alphabet“, das den Menschen die Eigenschaften dieser Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde verdeutlichen soll. Meisinger ist schon beim „T“ wie „Taufe aufgrund persönlichen Glaubens“ angelangt. Am Anfang ist jedoch das „B“ als Ausdruck dafür, dass die Bibel als Grundlage des Glaubens steht.

Jeder Buchstabe des Alphabets hat Bedeutung

Weiter geht es im speziellen Alphabet mit dem „A“llein Jesus Christus befreit von der Macht der Todes“. Was auch meint, dass er für die Hoffnung eines Lebens danach steht. Es folgt die „P“ersönliche Gottesbeziehung“. Meisinger. „Jeder Mensch kann eine Beziehung zu Gott aufnehmen, das ist ein evangelischer Gedanke.“ Das „T“ war ja schon, kommt nun die „I“ndividuelle Freiheit für Glaube und Gewissen“. „Wir erwarten auch für andere Religionen Freiheit“, sagt Meisinger. So hätten sie etwa auch nichts gegen den Bau von Moscheen. „Was uns stört, dass Christen in muslimischen Staaten ihren Glauben nicht leben dürfen“, spricht Meisinger die Christenverfolgungen an. Hans Günter Raudszus mahnt die Christen, hier Profil zu zeigen. Meisinger: „Einer hat mal gesagt, er habe keine Angst vor zu starken Moslems, aber vor zu schwachen Kirchen.“

Weitere wichtige Kriterien sind die „S“elbstständigkeit der Gemeinde vor Ort“, die „T“rennung von Staat und Kirche“, das „E“vangelium verbreiten, Not lindern“, und „N“iemand steht über dem anderen. Meisinger: „Bei uns kann jeder die Taufe durchführen, jeder, der mit Christus lebt und weiß, wie man es macht. Da zeigt sich dann in der Praxis, das keiner über dem anderen steht.“

Erst Elektrotechnik studiert

Pastor Tobias Meisinger wuchs selbst in einer Baptisten-Familie auf, ließ sich mit 19 Jahren taufen. Zunächst studierte er Elektrotechnik und arbeitete vier Jahre für die Industrie, ehe er seiner eigentlichen Berufung folgte.

Pastor zu werden, dazu ermutigte ihn erst seine Frau, die damals noch zur Evangelischen Kirche gehörte und erst vor zwei Jahren zu den Baptisten wechselte. „2002 habe ich angefangen, Theologie zu studieren“, sagt Meisinger. Seit drei Jahren ist der Vater von vier Kindern jetzt Pastor der Oberhausener Gemeinde.

Und auch das ist eine Besonderheit bei den Baptisten: Es gibt keine Kirchensteuer. Die Gemeindemitglieder zahlen selber. Die Höhe der Zahlung kann individuell gewählt werden. Meisinger: „Der Zehnte wäre ein Anhaltspunkt, ist aber keine Pflicht.“ Auch sein Gehalt zahlt ihm die Gemeinde. Selbst die Renovierungskosten für das Gemeindehaus von 25 000 Euro stemmen sie.

Spontane Spenden

In der Kirche hängt eine Art „Schwarzes Brett“, auf dem die bereits gespendeten Summen festgehalten werden. Dort stehen auch 22,29 Euro. „Da hat mal jemand spontan seinen Geldbeutel ausgeschüttet“, lacht Meisinger. Àpropos kleine Gemeinde. Es gab in Oberhausen mal Zeiten, da zählte man 230 Mitglieder. Was ist zu tun gegen den Schwund, der, wie Gemeindeleiter Günter Gerhold schätzt, auch mit dem Strukturwandel und dem Wegzug junger Familien zusammenhängt? Weil ihnen die persönliche Gottesbeziehung so wichtig ist, will man nicht auf populäre Angebote wie attraktive Jugendgottesdienste setzen. Vielmehr hat man sich ein Leit-Motto gegeben: „Wir sind eine offene Gemeinschaft von Menschen, die mit und für Jesus Christus leben, in der persönliches und gemeinschaftliches Wachstum geschieht und durch die Menschen zum Glauben an Jesus Christus finden.“ Die Gemeinde will Vorbild sein und hofft, dass dort, wo Menschen berichten, wie Gott in ihrem Leben gehandelt hat, auch andere den Weg zu ihm finden.