Oberhausen. Er wirkt sanft, so gar nicht wie ein Rebell: Aber der Schauspieler Björn Gabriel, der 2008 von Dresden nach Oberhausen ans Theater gekommen ist, spielt seine Figuren gern radikal gegen das Klischee.

Glück oder Unglück? Eigentlich egal, zumindest ihm. Seit er am Eröffnungswochenende der ersten Spielzeit des neuen Intendanten Peter Carp im Premierenzauber noch etwas ganz Besonderes funkeln ließ, bringen ihn zumindest die Theatergänger mit dem „Tartuffe” zusammen. Natürlich ist es irrig, Björn Gabriel auf diese eine Rolle zu reduzieren, aber die androgyne Zeichnung dieser Figur war schon markant - sie ist es noch: die großartige Inszenierung von Herbert Fritsch ist in die zweite Spielzeit übernommen worden mit Björn Gabriel in der Hauptrolle.

Jetzt, am Nachmittag im Gdanska, ist der Schauspieler mit den Gedanken eher bei Tennessee Williams als bei Molière, soeben hat er als Stanley Kowalski in „Endstation Sehnsucht” Premiere gehabt, auch hier ist er gegen das Klischee besetzt, Björn Gabriel gibt nicht den prolligen Rohling, er ist beinahe ein Softie.

"Im Gdanska lese ich meine Stücke"

„Ins Gdanska hat uns Caspar Kaeser mal geschleppt, seitdem habe ich hier sämtliche Stücke angefangen zu lesen, in denen ich besetzt war.” Die polnische Kulturgaststätte öffnet um 16 Uhr, nicht selten ist der junge Schauspieler der erste Gast, wünscht sich bei den Probenzeiten im Theater wahrscheinlich sogar schon 15 Uhr als Öffnungszeit. Dann ginge es nahtlos über von der Probenbühne zum Rollenstudium beim Espresso.

Björn Gabriel wird am 20. Juni 1977 in Köln geboren, macht 1997 sein Abitur, leistet dann in einem Sozialpsychiatrischen Zentrum Zivildienst im betreuten Wohnen für Menschen, die gerade aus der Klinik entlassen worden sind.

Ohnehin überlegt er, Psychologie oder Sozialpädagogik zu studieren, „irgendwas Hippieskes”. Er landet bei Philosophie, Literaturwissenschaften und Politologie, kellnert aber mehr im belgischen Viertel Kölns als dass er studiert. Irgendwann hat er die Theorien satt, die Seminare, er will was machen, „was näher dran ist”. Schauspieler will er ausprobieren, geht nach Hamburg, um dort zu studieren. Er wird angenommen an der Schauspielschule der Stadt, die er so wunderschön findet. Nicht schön genug allerdings, um die vier Jahre ausschließlich in Hamburg zu studieren.

Auch die Eltern sind beruhigt

Ein Jahr vor dem Diplom schon wird er vom Dresdner Staatsschauspiel verpflichtet, ein Festangebot, zwischen den Inszenierungen hat er Zeit für 30 Seiten Diplomarbeit. Als er alles im PC hat, stürzt der ab, „ich habe ihn einen Antichrist genannt. Aber viele Zigaretten und Schweißausbrüche später war alles wieder da.” So habe er also sein abgeschlossenes Hochschulstudium, „was auch die Eltern beruhigt”. Auch am Thalia hatte er als Student gearbeitet.

Bis Mitte 2008 bleibt Björn Gabriel am Schauspielhaus in Dresden, spielt dort die Klassiker wie den Hamlet oder den Cassio in Othello, in fünf bis sechs Produktionen ist er in jeder Spielzeit, auch in modernen Stücken. Und er ist auf der Suche nach einem spannenderen Theater, der Ruf, dieses in Oberhausen machen zu wollen, eilt Peter Carp und seinem Dramaturgen Tilman Raabke voraus, als klar ist, dass Carp die Intendanz hier übernehmen wird. Björn Gabriel wechselt von Dresden nach Oberhausen und er ist froh, „in diesem Ensemble zu sein mit der Leitung und den Regisseuren, die man immer wieder holt”. Für Oberhausen nimmt er einige Zeit des Pendelns in Kauf, in Dresden muss er parallel noch 20 Vorstellungen spielen, nimmt morgens um sieben den Flieger zurück, um hier pünktlich um zehn zu den Proben zu sein.

Ohnehin ist Björn Gabriel das Pendeln gewohnt, er lebt in Düsseldorf (als Kölner!!!), fährt 25 Minuten mit der Bahn. Er hat kein Auto, auch keinen Führerschein, „ich habe auch nicht vor, einen zu machen”.

Die klassische Nr. 10

Bei Blau-Weiß Köln ist er die klassische 10, der Regisseur, der die Bälle verteilt, auch beim SC Renault Brühl hat Björn Gabriel auf dieser Position gespielt. Ein Außenbandriss setzt dem aktiven Fußballleben ein Ende, obwohl er schon noch gerne spielt. Natürlich schaut er auch gern zu, beim 1. FC Köln im Stadion ist er vielleicht zehn-, elfmal gewesen, sagt Björn Gabriel: „Aber in dieser Saison schon zweimal”. Fußball gehört zu dem wenigen, was sich der Schauspieler ansieht auf der Mattscheibe, obwohl ihn das Gelaber zwischen den Spielen nervt, „ansonsten geben die Programme ja nicht viel her”.

In Zürich hat er Peter Carp kennengelernt, hat dort gastiert mit einem Stück auf der Grundlage der „Bakchen”, dass der ihn mit seinem „spannenden” Ruf an ein Theater gelockt hat, das Björn Gabriel bis dato kaum vom Hörensagen kennt, der Schauspieler bereut es nicht: „Der Ruhrpottschnack ist mir deutlich näher als das Sächsische, der Menschenschlag ist ein Vielfaches mehr wert als irgendeine Frauenkirche”, obwohl er soviel von Oberhausen noch gar nicht kenne. Manchmal fährt er, wenn die Zeit reicht, nachmittags zwischen den Proben nach Hause, und abends komme er meist nicht weiter als bis zum „Falstaff”. Gelegentlich zieht es ihn an den Kanal oder durch den Kaisergarten.

Eigene Produktion nach "Ostersonntag"

Schon in Dresden hat Björn Gabriel ein Stück nach Harriet Köhlers Debütroman „Ostersonntag” entwickelt, spielt es dort, seit er in Oberhausen ist, hat er es auch schon einige Male in die b.a.r. gebracht, sogar auf das Hamburger Kaltstart-Festival, ein Forum für Nachwuchsautoren, ist er damit eingeladen worden.

Ja, vor der Kamera hat er auch schon gearbeitet, aber die Ensemblearbeit im Theater ist ihm wichtiger, am liebsten würde er eine „Bande bilden”, eine Form kreieren für ein Theater-Kollektiv. Das Theater Oberhausen sei da schon auf dem Weg: „Für mich ist es seit über einem Jahr ein echter Glücksfall.”

In der nächsten Folge wird der Schauspieler Michael Witte vorgestellt.