Oberhausen. Der neue Essener Stadtkämmerer Martin Klieve meint, Theaterkarten seien sei zu billig. In Oberhausen stößt er mit dieser Aussage auf wenig Gegenliebe: "Theater muss für alle bezahlbar sein", so die einhellige Meinung im Theater und im Rathaus.
PRO HÖHERE EINTRITTSPREISE
Ich kann es so langsam nicht mehr hören, das Gerede vom Hartz-IV-Empfänger, der mittlerweile Maß aller Dinge ist. Ich plädiere für ein angemessenes Preis-Leistungsverhältnis bei der Eintrittspreis-Gestaltung – und zwar für alle Kulturevents. Wo beginnt die Daseinsfürsorge, die eine Stadt für ihre Bürger zu erbringen hat? Im Theater, Kino, auf dem Fußballplatz, beim Flippers-, Rock- oder Sinfoniekonzert, im Circus, im Musical oder im Kabarett? Ich gönne jedem alles. Die Entscheidung, für welche kulturelle Unterhaltung jemand Geld ausgibt, wird einzig und allein vom Geschmack bestimmt und der Eintrittspreis regelt nie, was jemand mag. Geben wir's doch zu: Trotz des unverschämt niedrigen Eintrittspreises – fünf! Euro zahlt der Hartz IV-Empfänger für ein Schauspiel im großen Haus – sind die Vorstellungen alles andere als ausverkauft. Der Grund: Die Leute wollen einfach das Stück nicht sehen, sind keine Fans dieser Art der Kultur! Umgekehrt würde ein echter Freund des Theaters eine Preiserhöhung, diente sie dem Erhalt der Institution, sicher gern bezahlen.
Gudrun Mattern
„Es ist wichtig, dass das Theater für alle zugänglich ist, dafür ist es ja auch subventioniert.” Zur heiß diskutierten Aussage des neuen Essener Stadtkämmerers Martin Klieve, die Eintrittskarten für Theater, Konzerte und Ballett beispielsweise seien deutlich zu günstig, der Staat dürfe „kein billiger Jakob” sein, hat Intendant Peter Carp seine Meinung, eine andere. Das Oberhausener Schauspiel habe kürzlich erst die Preise angehoben, eine neue Erhöhung stehe nicht an: „Natürlich würde ich gerne höhere Eintrittspreise erzielen, dann hätten wir ja mehr Geld zu Verfügung, aber die Menschen müssen es ja noch bezahlen können.”
Er habe, seit er nach vier Jahren in der Schweiz wieder nach Deutschland umsiedelte, das Gefühl, dass es hier insgesamt recht teuer geworden ist, teurer als großteils in der Schweiz, wo als gehobener Mittelstand zählt, wer hierzulande zu den Superreichen gehöre.
Natürlich ginge es auch anders
Man müsse sich freuen in Deutschland über die Struktur mit den öffentlich subventionierten Theatern, natürlich ginge es auch anders, so Carp, etwa wie bei den Salzburger Festspielen. Da kosteten die Karten 200, 300, 400 Euro, da könne nur die Oberschicht teilnehmen: „Das kann nicht die Aufgabe von subventoniertem Theater sein.”
Dieses lasse sich auch aus anderen Gründen nicht mit einem kommerziellen Theaterbetrieb vergleichen. Ein Theater sei fachlich, auch handwerklich viel niveauvoller als die kommerzielle Ebene, wo manches mit weniger Sorgfalt, Mühe und Sachverstand produziert werde.
Eine Existenzberechtigung will Carp dieser auf Events ausgerichteten Kultur gar nicht absprechen, im Gegenteil, aber ein subventioniertes Theater funktioniere eben anders, lasse sich nicht handwerklich standardisieren: „Und es ist so, als wäre man ständig beim Dreh eines Filmes dabei, müsse sich immer wieder neu eine Karte kaufen.”
Gewagter Vergleich
CONTRA HÖHERE EINTRITTSPREISE
Man kann es so langsam nicht mehr hören, dieses dumme Gerede von den angeblich viel zu niedrigen Eintrittspreisen vor allem beim Theater. Den merkantilen Charakter der Musical-Landschaft etwa mit dem Output öffentlich subventionierter Theater zu vergleichen, hinkt nicht nur, es ist töricht. Ein Theater, da liegt Kämmerer Elsemann im Gegensatz zu seinem Essener Amtsbruder richtig, ist Teil der Daseinsfürsorge, die eine Stadt für ihre Bürger zu erbringen hat.
Dass Hartz IV-Empfänger sich oft auch teure Musical-Besuche leisten, ist eine genauso vorurteilsverseuchte Behauptung wie die, dass sie die Grundversorgung für ihre Kinder versaufen. Schön wäre es, wenn der Regelsatz auch ihnen den gelegentlich Musicalbesuch erlauben würde. Ein Theater, das über die Eintrittspreise sozial Schwächeren den Zutritt verwehrt, zumindest aber einen regelmäßigen Besuch unmöglich macht, verwirkt sein Recht auf öffentliche Gelder, weil es seinen kultur- und gesellschaftspolitischen Auftrag nicht erfüllt. Unmoralisch hohe Preise für die moralische Anstalt, das geht gar nicht.
Michael Schmitz
Auch Stadtkämmerer Bernd Elsemann, als Hüter der städtischen Finanzen wahrlich nicht verdächtig, nicht stets auch auf die Einnahmeseite im Haushalt zu schielen, hält den Vergleich der öffentlich subventionierten Theater mit den kommerziellen Musicalbühnen für gewagt, das sei wie Äpfel mit Birnen zu vergleichen: „Städte haben die Aufgabe, trotz aller Sparzwänge, sozial- und gesellschaftspolitische Plätze anzubieten. Sie gehören zum Leben einer Stadt. Wenn wir das Theater abschaffen oder auch den freien Eintritt zum Tiergehege beispielsweise, dann ist die Stadt nicht mehr liebens- und auch nicht lebenswert.”
Man brauche das Theater für Aufgaben, die mit „Buddy Holly” nicht zu bewerkstelligen seien: „Damit sage ich gar nichts gegen die merkantile Musical-Szene, wir gehen selbst gerne in Musicals, aber ein Theater ist nicht nach Maßstäben der freien Wirtschaft zu betreiben. Wir müssen garantieren, dass die Menschen da öfter hingehen können, nicht nur einmal.” Natürlich müsse man immer auch auf die Preise schauen, „aber sie müssen für beide Seiten verantwortbar sein”.
Für Jürgen Hennemann, Verwaltungsdirektor im Theater, wäre eine Preiserhöhung, wie sie sich der Essener Kämmerer vorstelle, in Oberhausen „der Tod des Theaters”.