Oberhausen. Zwei Debattenstunden im Saal der Traditionsgaststätte Klumpen Moritz, die es in sich haben: Soll das Areal am roten Fördergerüst bebaut werden?

Volles Haus in der Traditionsgaststätte Klumpen Moritz im Norden von Oberhausen: Geballter Bürgerzorn hat am Dienstagabend, 14. Mai, die Politik getroffen, als es dort in einer zweistündigen Debatte um die Zukunft des grünen Geländes der Zeche Sterkrade ging. Die Ende 2023 neu gegründete Bürgerinitiative für den Erhalt des von der Natur zurückeroberten Zechenareals hatte dazu eingeladen.

Die Stadt favorisiert eine Bebauung des Geländes mit Wohnhäusern und wohnverträglichem Gewerbe im Außenbereich. Der Stadtrat hat im März mit den Stimmen von SPD, CDU und FDP ein entsprechendes Leitbild verabschiedet, das als Grundlage für das weitere Vorgehen dienen soll. Seit wenigen Monaten kämpft eine Bürgerinitiative gegen die ambitionierten Pläne. Nun hatte die Initiative sechs Politiker und zwei Naturschützerinnen in den großen Saal des Klumpen Moritz eingeladen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen.

Befürworter des Projektes: Sterkrade braucht attraktiven neuen Wohnraum

Für die Vertreter von SPD, CDU und FDP wurde es kein angenehmer Abend, denn sie mussten ihre Zustimmung zum Leitbild von Beginn an gegen viele kritische Stimmen aus dem Saal verteidigen. Bezirksbürgermeister Ulrich Real (SPD) wies darauf hin, dass es seit dem Jahr 2004 mehrere Ratsbeschlüsse für eine Entwicklung des Geländes gegeben habe. Seit elf Jahren stehe das Projekt im Wahlprogramm der SPD. Zudem habe es einen Ideenwettbewerb gegeben. Das Vorhaben sei also längst bekannt und das nun abgesegnete Leitbild sei erst der Anfang; die Bürgerinnen und Bürger hätten künftig noch viele Gelegenheiten, etwa im Zuge der Bürgerbeteiligung ihre kritische Haltung zu einer Bebauung einzubringen. Noch sei nichts entschieden. Klar sei aber, dass Sterkrade guten und attraktiven Wohnraum gerade für junge Familien benötige. Insofern handele es sich um ein sinnvolles Projekt der Stadtentwicklung, auch um solche Familien in Sterkrade zu halten.

Mit Protestbanner am roten Fördergerüst: Die Bürgerinitiative Zeche Sterkrade kämpft seit Ende 2023 gegen eine Bebauung des Geländes.
Mit Protestbanner am roten Fördergerüst: Die Bürgerinitiative Zeche Sterkrade kämpft seit Ende 2023 gegen eine Bebauung des Geländes. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Ähnlich argumentierte Denis Osmann für die CDU: „Wir sind der Meinung, dass in Oberhausen neuer und guter Wohnraum benötigt wird. Modern, energetisch auf neuestem Stand und barrierefrei.“ Deshalb habe die Union für das Leitbild gestimmt, auf dessen Grundlage nun der Inhaber des größten Teils der Zechenfläche, die RAG Montan Immobilien GmbH, eine mögliche Bebauung entwickeln könne. Die Politik habe aber dabei das letzte Wort. Sie entscheide über den Bebauungsplan. Und der Stadtrat werde darauf achten, dass am markanten roten Fördergerüst, das inklusive Schachthalle der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur gehört, ein Projekt entstehe, das etwa Belange des Klimaschutzes verlässlich berücksichtige und das genügend Freifläche auf dem Zechengelände übrig lasse. Ähnlich fiel auch das Statement von David Bletgen (FDP) aus.

Kritiker des Projektes: Erst einmal den Altbestand in Oberhausen sanieren

Und dann kamen die Kritiker zu Wort, von Applaus und Zustimmung begleitet: Ulrich Lütte (BOB) erteilte dem Projekt eine klare Absage; ebenso Tim Dobnik (Grüne) und Heike Hansen (Die Linke). Unterschiedlich akzentuiert waren ihre Äußerungen, aber gemeinsam stellten sie heraus, dass es aus ihrer Sicht nicht sinnvoll sei, eine bestehende grüne Freifläche neu zu bebauen und zu versiegeln; erst einmal müsse man sich darum bemühen, den großen Sanierungsstau an Oberhausener Häusern und Altbauten zu beenden. Bestehende Wohnhäuser seien auf Vordermann zu bringen und ärgerliche Leerstände wie etwa der Standort des Ex-Finke-Möbelhauses in Sterkrade-Mitte neu und zeitgemäß mit Wohnungen zu beleben.

Die Naturschutzverbände waren mit Claudia Schiemanowski (Bund) und Ortrud Podworni-Michael (Naturschutzbund) ebenfalls präsent und unterstützen die Kritik am Bauprojekt. Das grüne Zechenareal sei ein unverzichtbarer Stadtteilpark und zudem eine wichtige Frischluftschneise, sagte Claudia Schiemanowski. Es wirke in Zeiten des Klimawandels der weiteren Erwärmung des Stadtklimas entgegen. Für den Artenschutz sei die grüne Zeche Sterkrade von herausragender Bedeutung, ergänzte Ortrud Podworni-Michael, die auf die Kreuzkröten-Population und andere zu schützende Tierarten hinwies, die dort bereits heimisch seien oder am ehemaligen Zechenstandort noch einen geschützen Platz finden könnten.

Viele Zwischenrufe aus dem Saal: „Ihr wollt doch nur alles zupflastern!“

Gut besuchter Saal im Klumpen Moritz: Zwei Stunden dauerte die intensive Debatte zur Zukunft des Zechengeländes in Oberhausen-Sterkrade.
Gut besuchter Saal im Klumpen Moritz: Zwei Stunden dauerte die intensive Debatte zur Zukunft des Zechengeländes in Oberhausen-Sterkrade. © WAZ | Michael Bresgott

„Wir werden vor vollendete Tatsachen gestellt!“ oder „Ihr wollt doch nur alles zupflastern!“ oder „Ich möchte dazu gefragt werden!“ Immer wieder gab es während der Politiker-Statements von CDU und SPD heftige Zwischenrufe vor allem von direkten Anwohnern des Geländes, teils ziemlich emotional in den Raum geworfen. Und mehrfach wies Ulrich Real darauf hin: „Wir stehen noch ganz am Anfang. Eine politische Bewertung erfolgt ganz am Ende dieses Verfahrens.“ Es könne also keine Rede davon seien, dass hier ein Investor einfach seine Profitinteressen durchsetzen könne. Die Oberhausener Politik werde alles genau prüfen und erst dann entscheiden.

Nach zweistündiger Debatte beendeten die Moderatoren Alexander Galk und Jens Carstensen die intensive Debatte; bis zuletzt gab es Wortmeldungen aus dem Saal, die deutlich machten, wie entschlossen die hier Versammelten ihren Protest formulieren und fortführen wollen. Eine Teilnehmerin brachte es zum Schluss so auf den Punkt: „Natur braucht keine Aufwertung!“ Die grüne Zeche Sterkrade sei bereits jetzt ein Paradies, das die Natur ganz von alleine geschaffen habe.

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