Oberhausen. Viel Arbeit kommt auf das Amtsgericht in Oberhausen zu. Das Cannabisgesetz wirkt sich auf laufende Verfahren aus. Was das für Verurteilte heißt.

Sollte zum 1. April das Cannabis-Gesetz in Kraft treten, können sich voraussichtlich manche Häftlinge freuen. Sie werden in die Freiheit entlassen. Aber auch für andere Verurteilte wird möglicherweise das Strafmaß herabgesetzt. Justizbehörden wie das Oberhausener Amtsgericht sind nämlich gehalten, alle noch laufenden Strafverfahren zu überprüfen, ob die Urteile noch dem neuen Gesetz standhalten. Das heißt aber auch: „Auf die Richter in unserem Haus und die Staatsanwälte ebenfalls kommt eine Menge Mehrarbeit zu“, sagt Gerichtssprecher Thomas Hubert.

Richter müssen Urteile neu begründen

Genaue Zahlen, wie viele Strafakten noch einmal zu sichten sind, lassen sich nach seinen Worten kaum nennen. Die Staatsanwaltschaft Duisburg, die unter anderem für Duisburg, Mülheim, Wesel und Oberhausen zuständig ist, rechnet mit mehreren Tausend Fällen im Erwachsenenstrafrecht. Beim Oberhausener Jugendgericht sind es um die 300 Verfahren, die die Richter noch einmal genau unter die Lupe nehmen. Damit aber noch nicht genug. Denn auch alle Bewährungsstrafen kommen auf den Prüfstand. Das sind in Oberhausen derzeit rund 900.

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Immer dann, wenn Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BTMG) eine Rolle spielen, werden die Richter genauer hinsehen. Sollte Cannabis von Bedeutung sein, werden sie die Mengen nach dem neuen Gesetz juristisch bewerten, erläutert Hubert. Kompliziert werde eine Prüfung dadurch, dass zahlreiche Urteile nicht nur wegen des Verstoßes gegen das BTMG ergangen sind, sondern die Beschuldigten noch weitere Straftaten begangen haben wie beispielsweise Diebstahl, Raub oder Körperverletzung. „Auf die Richter kommt die schwierige Aufgabe zu, ein neues Strafmaß zu finden, das das Cannabis-Gesetz gebührend berücksichtigt. Und das Urteil muss dann auch entsprechend begründet werden.“

Das Ableisten von Sozialstunden hat sich erledigt

Im konkreten Fall kann es dazu führen, dass ein Jugendlicher dann doch keine Sozialstunden mehr ableisten muss, falls die noch ausstehen. Mitunter haben sich dann auch Geldstrafen erübrigt. Die Amnestie bezieht das Cannabisgesetz aber nur auf laufende Verfahren. Abgeschlossene Strafsachen werden nicht noch einmal neu aufgerollt, betont Hubert.

Besonders aufwendig werde die Sichtung von Bewährungsverfahren ausfallen. Hier müssen sich die Richter den gesamten Verlauf vornehmen, weil der Verurteilte im Laufe der Zeit durchaus gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen haben kann. Dadurch bedingt wird häufig die Bewährungszeit noch einmal verlängert, Auflagen verändert. Ob solche rechtlichen Schritte im Licht des neuen Gesetzes Bestand haben, müsse man im Einzelfall prüfen.

Richterbund warnt vor Überlastung der Justiz

Auch wenn momentan noch offen ist, ob das Paragrafenwerk wirklich zum 1. April in Kraft tritt, denn noch fehlt die Zustimmung des Bundesrates, „nehmen sich Richter und Staatsanwälte die Akten schon zur Hand“, betont der Sprecher. Die Juristen wollen für den Stichtag des möglichen Inkrafttretens vorbereitet sein und nicht erst dann mit der gesamten Arbeit beginnen. Der Aufwand lässt sich nun mal nicht von einem auf den anderen Tag leisten, betont Hubert.

Der Deutsche Richterbund hat derweil schon ganz deutlich vor einer massiven Überlastung der Justiz gewarnt. Fachleute rechnen danach bundesweit mit über 100.000 Akten, die sich Juristen noch einmal vornehmen müssen. Daher kommt auch die Forderung auf, die Amnestie ganz aus dem Cannabisgesetz zu streichen.