Oberhausen. Die Katholische Kirche im Ruhrgebiet schrumpft: weniger Priester, Geld, Räume. In der Krise will die Kirche dort hingehen, wo die Menschen sind.
Die Katholiken im Ruhrgebiet wollen die Zukunft ihrer krisengeschüttelten Kirche retten. Und Oberhausen macht dabei den Anfang: Bis Ende 2025 soll die „Katholische Kirche Oberhausen“ Wirklichkeit werden. Dabei handelt es sich um eine neue Körperschaft des öffentlichen Rechts, unter deren Dach die bisherigen vier Oberhausener Pfarreien Herz Jesu, St. Marien, St. Pankratius und St. Clemens vereint werden. Gemeinsam statt vereinzelt also: Oberhausen setzt diese historische Strukturreform als erste Stadt im gesamten Ruhrbistum um und ist damit Ort eines viel beachteten Pilotprojekts. Die Katholische Kirche will sich gesund schrumpfen, aber zugleich auf neuen Wegen dorthin gehen, wo viele Menschen sind.
Am Mittwochabend, 28. Februar, diskutieren mehrere hundert Katholikinnen und Katholiken über dieses Vorhaben in der Herz-Jesu-Kirche am Altmarkt in Oberhausen. Das Ruhrbistum hatte dazu eingeladen. „Kirche war und wird anders“, sagte der Oberhausener Stadtdechant André Müller zum Auftakt des Treffens. Kirche habe sich in ihrer Geschichte laufend gewandelt und verändert. Die Volkskirche der Vergangenheit werde es vor dem Hintergrund schrumpfender Mitgliederzahlen und drastisch zurückgehender Finanzmittel so nicht mehr geben. Jetzt entstehe Neues und es gehe darum, „den Mut zu haben, sich den heutigen Herausforderungen zu stellen“.
Schwerpunktorte des katholischen Lebens im gesamten Stadtgebiet schaffen
Die Kirche schrumpft, sie wird kleiner. Und sie muss sparsamer werden. Die Katholiken wollen die Krise als Chance nutzen. Das machte auch Markus Potthoff, Leiter des Ressorts Kirchenentwicklung im Bistum, deutlich. Alle bisherigen Entscheidungen zu Standortfragen, also zu Kirchengebäuden und Gemeindeheimen, bleiben bestehen. Diese Voten aus den verschiedenen Pfarreientwicklungsprozessen (PEP) bleiben gültig.
Künftig sollen „Schwerpunktorte“ katholischen Lebens im Stadtgebiet entstehen. Das müssen nicht immer Gotteshäuser sein. Dazu sollen zum Beispiel auch das Kirchenzentrum am Centro Oberhausen mit seinem Café Mary & Joe oder etwa Kindergärten gehören. Die Kirche will also dorthin, wo viele Menschen sich treffen, auch die kirchenfernen, ja auch die ungläubigen Menschen. So oder so kein einfaches Unterfangen, denn die Pastoralteams werden deutlich schrumpfen: Statt der Hauptamtlichen werden Ehrenamtliche künftig von noch größerer Bedeutung für das katholische Leben sein.
Zunächst werden nun ein Projektteam und weitere Arbeitskreise zusammengestellt, die die Details der Organisationsreform und die Schwerpunkte des künftigen pastoralen Lebens in Oberhausen benennen sollen. Die künftige „Katholische Kirche Oberhausen“ erhält eine Gründungsvereinbarung. Ziel ist nicht allein eine stärkere Vernetzung der Pfarreien, sondern eine intensivierte Zusammenarbeit auch mit allen anderen katholischen Partnern, also zum Beispiel mit Kitas, kirchlichen Verbänden und Gruppen. So arbeitet ja zum Beispiel die Katholische Frauengemeinschaft (kfd) in Oberhausen längst auf der Stadtebene und hat auf diese Weise nach Einschätzung zahlreicher Beobachter eine viel stärkere Organisationskraft und öffentliche Wirkung entfalten können.
Im Verlauf der zweistündigen Debatte war in den Wortmeldungen neben mancher Skepsis („Wer nicht mehr weiter weiß, gründet einen Arbeitskreis“) auch eine gewisse Aufbruchstimmung zu spüren. So forderte etwa Jugendvertreterin Alina Peelen die Mitsprache der Jugend und eine gute Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamtlichen bei der Gestaltung der künftigen Stadtkirche ein: „Mit dem, was die Christen und Christinnen in Oberhausen vereint, nämlich dem Glauben, können wir Mauern und Gräben überspringen. Wir müssen uns nur trauen, das weite Feld zu betreten.“
Auch interessant
Katholikenrats-Vorsitzender Thomas Gäng machte deutlich, dass man sich die Neustrukturierung des kirchlichen Lebens in Oberhausen nicht durch etwaige Vorgaben des Bistums aus der Hand nehmen lassen werde: „Das lassen wir uns nicht nehmen!“ Zumal man ja schon intensiv eine pfarreiübergreifende Zusammenarbeit pflege, etwa bei der Organisation der jährlichen stadtweiten Open-Air-Gottesdienste, mit denen man stets ein viel beachtetes Zeichen katholischen Lebens in Oberhausen setze.
Caritasdirektor Michael Kreuzfelder stellte die soziale Komponente der Kirchenzukunft besonders heraus. Mit den vielen Angeboten der starken kirchlichen Träger von der Schwangerenberatung über Kitas, Familienbildung, Ausbildung von benachteiligten Jugendlichen bis zum Hospiz stelle die Präsenz der katholischen Kirche schon heute für viele Menschen in Oberhausen einen täglichen konkreten Gewinn dar.
Extra-Applaus für den Superintendenten: Auch die Ökumene soll gestärkt werden
Einen Extra-Applaus erhielt bei dem Treffen übrigens Superintendent Joachim Deterding, der als Spitzenvertreter der evangelischen Kirche ebenfalls zu den Zuhörern zählte. Die Katholikinnen und Katholiken wollen auch die ökumenische Perspektive stärken. Der Evangelische Kirchenkreis Oberhausen ist ja schon längst auf Stadtebene aktiv.