Oberhausen. Seit Wochen beherrscht ein Hin und Her die Frage, ob Flüchtlinge eine Bezahlkarte bekommen sollen. Aber wären auch die Läden dafür?

Wenn es nach dem Willen des Oberbürgermeisters geht, erhalten Flüchtlinge demnächst statt Bargeld eine Bezahlkarte, um die Dinge des Alltags zu erledigen. Aus seiner Partei, der CDU, erhält Daniel Schranz zwar Zustimmung, doch er bekommt auch Gegenwind, beispielsweise von den Grünen und Linken. Während die Politik streitet, stellt sich aber die Frage, was denn eigentlich diejenigen sagen, die im Fall der Fälle Tag für Tag damit zu tun haben werden: die Geschäfte des Einzelhandels.

Moritz Kessel, Betreiber des Edeka-Marktes in der Innenstadt, findet eine Bezahlkarte vom Grundsatz her in Ordnung. Kartenzahlung sei ohnehin üblich, zahlreiche Kunden greifen darauf zurück. Dennoch hat Kessel Bedenken, die mit dem vorgesehenen Kartensystem zu tun haben. „Es soll nach jetzigem Stand auf Debit- oder Visakarten hinauslaufen.“ Die kommen aber Händler erheblich teurer zu stehen als EC-Karten. Die Geschäfte zusätzlich zu belasten, könne aber kaum der richtige Weg sein.

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Bezahlkarte für Flüchtlinge: Oberhausener Bäcker skeptisch

Ähnliche Bedenken äußert Thomas Miska von der Bäckerei Agethen. Nach allem, was bislang bekannt sei, „fallen für die Händler erheblich mehr Gebühren an“, so der Bäckermeister. Das sehe nicht er allein kritisch, auch andere Geschäfte hätten schon Skepsis geäußert. Zusätzlich problematisch werde es, wenn mit der Bezahlkarte auch noch zusätzlicher Aufwand verbunden sein sollte, sagt Miska. Gerade das Bäcker-Handwerk habe in den vergangenen Jahren immer mehr Verordnungen aufgebürdet bekommen, beispielsweise die Auszeichnungspflicht von Inhaltsstoffen oder auch die Bonpflicht. Da sei mittlerweile eine Grenze der Belastbarkeit erreicht.

Miska verweist zudem auf aktuelle Aussagen des Handelsverbands Deutschland (HDE). Auch der äußert die Befürchtung, dass die sich abzeichnende Lösung größere Kosten verursachen werde. Ein Verbandsexperte betont: Die Debitkarten der amerikanischen Marken Visa und Mastercard, die zum Zuge kommen sollen, seien viermal so teuer wie beispielsweise eine deutsche Girocard. Er sieht sehr deutlich die Gefahr, dass viele Händler die Karte nicht akzeptieren werden. Das wiederum würde bedeuten, die Flüchtlinge können nur in einigen und längst nicht in allen Geschäften einkaufen.

Der HDE appelliert an die Politik, nach einer preiswerteren Lösung zu suchen, damit möglichst viele Händler mitmachen. Darüber hinaus sollte es sich auch um eine Karte aus dem nationalen oder europäischen Zahlungssystem handeln, angesichts der angestrebten geopolitischen Unabhängigkeit des europäischen Kontinents. Wie es heißt, werden die beiden amerikanischen Marken bevorzugt, weil sie die geforderten hohen Standards an die Bezahlkarte erfüllen. Beispielsweise soll sie auch ohne eine Kontobindung funktionieren können, also als Aufladekarte und ein Einsatz im Ausland unterbunden werden.

Bezahlkarte für Flüchtlinge: Modekette H&M bleibt entspannt

Der kritischen Haltung des Verbandes schließt sich unter den Handelsketten beispielsweise MediaMarktSaturn an. „Bei der technischen Umsetzung müssen die Gegebenheiten und Interessen des Einzelhandels, der die Karten am Ende als Zahlungsmittel akzeptieren soll, berücksichtigt werden“, sagt Sprecherin Susanne Kilian. Grundsätzlich befürworte das Unternehmen aber „neue Möglichkeiten des Einkaufs“. Der Handelsriese Kaufland wiederum hält sich eher noch bedeckt. „Da die Ausgestaltung der Bezahlkarte noch offen ist, können wir noch nicht sagen, ob eine Akzeptanz an unseren Kassen ohne Weiteres möglich ist“, erklärt Sprecher Dominik Knobloch.

Die Modekette H&M gibt sich entspannt. In all den Stores in Deutschland akzeptiere das Unternehmen neben der Barzahlung auch alle gängigen und gültigen Kredit- und Debitkarten von VISA, Mastercard und American Express. Technische Herausforderungen durch eine Bezahlkarte für Flüchtlinge erwarte man bei den Einkäufen nicht. Zugleich verweist das Presseteam auf das Bundesland Hamburg, in dem die Bezahlkarte in Form einer VISA Prepaidkarte bereits eingeführt worden sei.

Vom Discounter Lidl heißt es kurz und knapp, dass man derzeit bereits deutschlandweit alle Lebensmittelgutscheine, wie sie die Jobcenter ausstellen, annehme. Das werde auch für weitere und zukünftige staatliche Bezahlmethoden gelten.

Wie geht es nun weiter? Erst vor wenigen Tagen hat die schwarz-gelbe Landesregierung die Ampel-Koalition aufgefordert, per Bundesgesetz eine einheitliche Grundlage für die Bezahlkarte zu schaffen, nachdem noch einige Punkte geklärt sind. Bis zum Sommer soll eine Ausschreibung gelaufen sein, um einen Anbieter für die Bezahlkarte zu finden.

Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz befürchtet, dass es zu einem Flickenteppich kommt, wenn die Stadt selbst über die Einführung der Bezahlkarte entscheiden können.
Oberhausens Oberbürgermeister Daniel Schranz befürchtet, dass es zu einem Flickenteppich kommt, wenn die Stadt selbst über die Einführung der Bezahlkarte entscheiden können. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Für reichlich Verwirrung hatte NRW-Ministerpräsident Wüst gesorgt, der sich zwar eine flächendeckende Einführung der Karte wünscht, aber aufgrund der kommunalen Selbstverwaltung den Städten keine Vorschriften machen will. Der Oberhausener Oberbürgermeister gehört inzwischen zu den Stadtoberhäuptern, die Sorge haben, dass es dann zu „einem Flickenteppich“ kommen könnte. In Nachbarstädten könnten dann unterschiedliche Regelungen gelten.