Oberhausen. Auf seinen neuen Schreibtisch wälzt Oberhausens OB Daniel Schranz seine Akten – und blickt dabei auf alte Industrie. Dank seines Vorvorgängers.
Wer den Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz in sein Büro im zweiten Stock des Rathauses begleitet, dem wird ein erstaunliches Zeugnis der jüngeren Geschichte der über 160 Jahre jungen Stadt gezeigt: ein schwerer Brocken von Schreibtisch. Er steht am hinteren Ende des Raums, hat eine moderne Glasplatte, die auf einem Fuß aus Zahnrädern platziert ist. Diese stammen aus einer bewegten heimischen Industriehistorie.
Der Schreibtisch hat eine Geschichte hinter sich, die typisch ist für die aus der umstürzenden Industrierevolution des 19. Jahrhunderts entstandenen Ruhrgebiets-Kommune: Man hält zusammen, man hilft sich, man packt an – egal, ob man sich früher mal gezofft hat oder nicht. Das ist ganz nach dem Geschmack des studierten Historikers und Christdemokraten Daniel Schranz und ganz nach den Vorlieben seines Vorvorgängers, dem Wirtschaftswissenschaftler, Lehrer und Sozialdemokraten Burkhard Drescher.
Schreibtisch war ein persönliches Geschenk an Alt-Oberbürgermeister Drescher
Der Schreibtisch ist eigentlich ein persönliches Geschenk an Drescher, als dieser von 1991 bis 2004 Oberhausen führte, die Rathaus-Arbeit trotz Widerständen vom Kopf auf die Füße stellte und als oberster Stadtmanager das Centro, die Arena, das Sealife und die Marina aufs frühere Stahlwerkgelände der Gutehoffnungshütte GHH (heute: Neue Mitte) holte.
Junge Leute, die im Zentrum für Ausbildung und Qualifizierung (ZAQ) lernten, hatten den Tisch für Drescher gefertigt, der Fuß wurde aus Zahnrädern des ehemaligen Walzwerks zusammengeschweißt. Die Stahlteile hatten die Auszubildenden beim Abbruch des Walzwerks der Gutehoffnungshütte auf dem Neue-Mitte-Gebiet vor der Verschrottung gerettet.
„Diese Zahnräder haben in dem Werk die Walzen betrieben, auf denen Blech und Stabeisen produziert wurde“, erklärt Alt-Oberbürgermeister Drescher. „Das war für mich ein Symbol: Auch durch die Bewegung dieser Zahnräder ist Oberhausen groß geworden.“ Alle in seinem Büro hätten sehen können: „Hier arbeitet der Oberbürgermeister einer Industriestadt. Der Tisch stand für mich für die Aussage: Oberhausen ist aus Industrie entstanden, und darauf fußend geht es jetzt in die Zukunft.“
Als Drescher nach einigen Konflikten mit seiner Partei lieber nicht mehr zur Wahl in Oberhausen antrat, wechselte er 2004 in die Wirtschaft. Die Sozialdemokraten, damals noch in großer Mehrheit im Rat vertreten, wussten nicht so recht, wie sie die durchaus beeindruckende Leistung und Arbeit ihres Managers an der Stadtspitze ehren sollten – und so entschied der Rat, seinem Alt-Oberbürgermeister das ausgefallene Möbelstück aus Glas und Stahl zu schenken.
Immobilien- und Innovationsmanager Drescher zog mit dem Schreibtisch um
Drescher blieb dem Schreibtisch treu – und nahm ihn immer wieder mit: erst in sein Vorstandsbüro von RAG-Immobilien, dann der Gagfah-Group in Essen, danach in sein Geschäftsführer-Büro der Innovation City Management GmbH in Bottrop. Als er Ende 2023 dort mit 72 Jahren in den Ruhestand ging, entschieden Drescher und Schranz nach Gesprächen: Der Schreibtisch aus Glas und Stahl kommt zurück ins Rathaus-Zimmer des Oberbürgermeisters an der Schwartzstraße 72. Für so einen üppigen und schweren Schreibtisch hätte Drescher nach eigenen Angaben ohnehin keinen Platz in seinem privaten Arbeitszimmer gehabt.
Zum Glück hatten die früheren Azubis den Schreibtisch so konstruiert, dass er relativ gut auseinander zu bauen ist – wenn man weiß, wie es geht – und damit einigermaßen von A nach B transportierbar ist.
OB Daniel Schranz: „Die montan-industrielle Vergangenheit ist das Fundament für unsere Stadt“
Schranz hatte nach seiner Wahl 2015 ohnehin keinen neuen Schreibtisch bestellt, der alte von seinem Vorgänger Klaus Wehling (SPD) tat seine Dienste. Und so nutzte er nun die Chance, Symbolträchtiges im Amtszimmer des Stadtoberhaupts zu platzieren. „Das Bild, für das der Schreibtisch steht, ist ja weiter ein starkes“, sagt Schranz: „Die montan-industrielle Vergangenheit ist das Fundament für unsere Stadt und der Motor für ihr schnelles Wachstum gewesen, und sie wiegt noch heute schwer: Wir können stolz sein auf das, was hier geschafft worden ist.“
Drescher wurde übrigens dann doch noch später vom Rat der Stadt Oberhausen stärker gewürdigt als nur mit dem Schreibtisch-Geschenk: Im August 2023 erhielt er die Glückauf-Bronze, zweithöchste Auszeichnung der Stadt, für seine Verdienste und den Ehrentitel „Alt-Oberbürgermeister“.