Oberhausen. Kontra K lockte 11.000 Fans zum Tour-Auftakt in die ausverkaufte Arena Oberhausen. Der Rapper spricht auch über seinen verstorbenen Vater.
Mittendrin presst der Rapper aus Berlin, den alle Kontra K nennen, die Hand auf seine Brust. „Fuck, ich war zu lange weg“, sagt er in den Minuten, in denen das Konzert in der ausverkauften Arena Oberhausen mal einen Gang zurückschaltet.
Sonst hechtet der Mann, der eigentlich Maximilian Diehn heißt, an diesem Sonntag dauernd an zischenden Feuersäulen vorbei. Es scheppern die Pyro-Effekte stakkatoartig wie Pistolensalven und lassen Fans zusammenzucken. Bang! Bang! Bang! Selbst Pianisten tragen weiße Sturmhauben. Und an sein Mikrofon ist ein Schlagring als Griff moniert.
Doch jetzt lässt der 36-Jährige die 11.000 Fans in sein Inneres blicken und nimmt sie mit hinter die Bühne, kurz vor dem Tourauftakt in der Oberhausener Halle: „Ich kam mir vor, als hätte ich noch nie zuvor ein Konzert gespielt.“
Kontra K in Oberhausen: Pyro wie Pistolensalven, Pianist mit Sturmhaube
Dabei sind in 14 Jahren annähernd so viele Chart-Platzierung zusammen gekommen wie Tattoos seinen Körper bis zum Haaransatz zieren. „Die Hoffnung klaut mir niemand“ ist das achte Album, das sich auf dem deutschen Thron breit macht. Die großen silberfarbenen Dobermänner, die in Oberhausen eine spartanische Bühne wie einen Villeneingang bewachen, hat er längst vergoldet.
Im vergangenen Jahr kickte der Berliner gemeinsam mit dem Singer-Songwriter Nico Santos und der Single „Die Sonne“ sogar wenig ehrfurchtsvoll die Beatles von der Spitze. Dem Vernehmen nach soll selbst das deutsche Fußball-Nationalteam neuere Songs des Rappers zur Motivation in den Trainingsbetrieb eingebunden haben, was, wenn man böse denkt wie Kontra K bei manchen Erstlingswerken, die Gemengelage der Mannschaft nicht salbungsvoll verbessert hat.
Doch Erfolge im Populären zeigen den Spielplan des Rappers: Das mit sanften Orchesterpassagen gespickte „Erfolg ist kein Glück“ lässt er in Oberhausen durch die Arena schwappen. Die abgelegten Relikte des tumben Straßenkampf-Images wie „Blutsport 2“ („Hey, wir boxen uns mit Scherben, wer will sterben…“) spielt er nicht.
Kontra K in Oberhausen: Keine Testosteron-Flutwellen, einige Balladen
Auch wenn Kontra K zwischendurch von Songs spricht, die nach Whiskey stinken, bleiben Testosteron-Flutwellen aus. Mit etlichen Balladen findet er längst gut im Pop-Geschäft Gehör. Seine Geschlechter-Abfrage in der Arena Oberhausen fällt überraschend eindeutig aus: Die Frauen sind hörbar in der Überzahl und kreischen zwischendurch wie beim Boyband-Konzert. Der Rapper fühlt mit: „Bros, jetzt habt ihr ein Problem!“
Dass sich der begeisterte Kampfsportler stufenweise seiner kernigen Klamotten entledigt, ist also irgendwie doppeldeutig zu verstehen, bremst beim weiblichen Publikum aber nicht gerade die Euphorie und sorgt bis zum freien Oberkörper, über den irgendwann nur noch blinkende Umhängsel baumeln, für Magic-Mike-Momente. You can leave your Goldkette on!
Überhaupt ist das Publikum so gemischt wie die gespielten Songs. Kerle in Fitness-Feinripp. Mädelsgruppen in den Dreißigern. Jungs mit Gran-Turismo-Schirmkappen. Väter mit jungen Töchtern.
Kontra K in Oberhausen: Gesangskollegin Anna Grey zeigt Fans ihren Babybauch
Über mangelnde Textsicherheit kann sich der Rapper bei seinen Fans nicht beklagen. Gerade die mit Samples gespickten Hits nehmen sie stimmlich auseinander. „Summertime“ mit Passagen von US-Popsängerin Lana Del Rey ist längst ein Ohrwurm. Bei „Adrenalin“ mischt Kontra K noch nostalgisch den Pippi-Langstrumpf-Song („So mal ich mir die Welt, wie sie mir gefällt“) bei.
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Auf der Bühne herrscht meistens ordentlich Alarm. Den Zeremonienmeister rahmen zwei Rap-Kollegen, deren zurückgegelte Haare und lange schwarze Mäntel wohl zuletzt Hollywood-Haudegen Steven Seagal so lässig aufgetragen hat.
Kollegin Anna Grey singt schon im Vorprogramm und enthüllt gegen Ende zur Überraschung der Fans unter ihrem schlaksigen Outfit einen deutlich sichtbaren Babybauch. Kontra K nach einem Duett: „Vielen Dank ihr zwei!“
Kontra K in Oberhausen: Gemischte Songtüte von Summertime bis Pippi Langstrumpf
Zwischendurch klettert der muskelbepackte Sportler auf meterhohe Bühnengerüste, balanciert auf einer schwebenden Podest-Bühne nah bei den Fans im Oberrang. Der Rapper, der offenbar weder von Politik noch Religion überzeugt ist, predigt von „Power“. Da klingt es beinahe guruhaft, wenn er sagt: „Fühlt mich! Die Energie nehmt ihr mit nach Hause.“
Einige Songtexte von Kontra K gehen nicht widerspruchslos durch. Vieles gehört zum Konzert-Skript und die vom Protagonisten dirigierten Handy-Lichter im Publikum sind beeindruckend, gehören aber längst fast überall dazu.
Doch die 127 von seligen Fans gefeierten Minuten tragen Augenblicke, die aus der kalten Rhetorik des Genres ausbrechen. Kontra K spricht in stillen Momenten über seinen Vater und Mentor, der vor einigen Wochen verstorben ist. „Sagt im Leben einmal mehr ‚Ich liebe dich‘, bevor es zu spät ist.“