Oberhausen. Der Altersdurchschnitt der Mediziner in Oberhausen ist hoch. Viele gehen bald in Rente. Steht die Stadt kurz vor einem Versorgungsengpass?
„Uns droht ein extremer Ärztemangel“, befürchtet Dr. Stephan Becker. Wie aber kann das sein? Im aktuellen Basisgesundheitsbericht 2023 der Stadt heißt es doch: Die Versorgung mit Haus- und Fachärzten in Oberhausen ist gut. Doch der Vorsitzende der Kreisstelle Oberhausen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein warnt: „Das ist nur die halbe Wahrheit.“
Der Bericht der Stadt basiert auf Zahlen aus dem Jahr 2022. Danach gilt die medizinische Versorgung in Oberhausen als top. „Zu diesem Zeitpunkt stimmte das auch, war unsere Stadt mit Fachärzten sogar überversorgt“, sagt Becker. Doch leider fehle bei dieser Statistik ein entscheidender Knackpunkt: „Viele Mediziner gehen bald in Rente und in jedem Fachgebiet fehlen Nachfolger.“ Nie sei die Situation so angespannt gewesen wie heute.
Tatsächlich. Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein listet zum 1. Juli 2023 folgende Altersverteilung der Arztgruppen in Oberhausen auf: Gut 44 Prozent der Hausärzte sind über 60 Jahre alt. Ähnlich sieht es bei den Kinderärzten aus (40 Prozent über 60 Jahre). Zeitnah einen Facharzt-Termin zu bekommen, gilt schon jetzt als schwierig. Doch künftig dürfte sich diese Situation noch zuspitzen: Jeder zweite Urologe in Oberhausen steht zum Beispiel kurz vor der Rente, bei den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten sind es rund 33 Prozent.
Nie war die Stimmung unter den Ärztinnen und Ärzten in Oberhausen so schlecht wie heute
Damit nicht genug. „Die Stimmung unter den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten ist in Oberhausen so schlecht wie noch nie“, sagt Becker. Der Oberhausener KV-Sprecher verweist auch auf eine deutschlandweite aktuelle Umfrage. „Danach fühlen sich 62 Prozent aller niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen ausgebrannt und wollen verfrüht das Handtuch schmeißen.“ Schon jetzt führe die chronische Überlastung in vielen Gemeinschaftspraxen zu einer Zunahme der Teilzeittätigkeit. „Knapp 91 Prozent sagten, sie fühlten sich durch bürokratische Aufgaben überlastet.“ Und fast 88 Prozent berichteten davon, dass die Digitalisierung der Praxisabläufe sie zu viel Zeit koste. Eine wachsende Bürokratie auf der einen Seite, zu wenig Luft für die eigenen Patienten auf der anderen – „das schreckt auch junge Ärztinnen und Ärzte ab“.
Die Zahl der selbstständig tätigen Praxen werde innerhalb weniger Jahre in Oberhausen deutlich abnehmen, betont Becker. Während Ärztegenossenschaften und Medizinische Versorgungszentren geradezu wie Pilze aus dem Boden schießen. „Tätig sind dort aber überwiegend fest angestellte Mediziner und die haben kein Interesse mehr an ausufernden Überstunden.“
Umso wichtiger sei es, dass unsere Stadt attraktiv für junge Ärztinnen (70 Prozent sind aktuell weiblich) und Ärzte wird. „Hier sind wir mit der Politik und der Verwaltung im Gespräch, um zu schauen, was regional an Unterstützung angeboten werden kann.“ Kostenlose Parkplätze in Praxisnähe könnten dazu gehören oder die günstigere Vermietung städtischer Immobilien an selbstständige Mediziner. „Auch, damit etwa eine 36-jährige Hausärztin, die alleinerziehende Mutter zweier Kinder ist, sich hier niederlässt und nicht nach Bonn, Düsseldorf, in den Essener Süden oder in kleinere Städte mit höherem Privatpatientenanteil abwandert.“