Oberhausen. Wenig Geld, viel Stress: Mütter und Väter, die Kinder alleine großziehen, stehen vor vielen Problemen. In Oberhausen will man etwas dagegen tun.
Über 8000 Kinder leben in Oberhausen mit nur einem Elternteil zusammen. Das sind 26 Prozent aller Familien in der Stadt, wie die Bevölkerungsstatistik verrät. Die meisten Alleinerziehenden leben in der Innenstadt und ein überwältigend großer Anteil (91 Prozent) ist weiblich. Weil sie mehr als doppelt so häufig wie andere Familien von Sozialleistungen abhängig sind, weil ihr durchschnittliches Einkommen beinahe nur halb so hoch ist und weil sie in sehr viel höherem Maße durch Stress belastet sind, stand die erste Sozialkonferenz der Stadt unter dem Motto „Alleinerziehend, aber nicht allein.“
Was sind die Probleme und Sorgen, die Alleinerziehende mehr plagen als Paarfamilien? Das hat die städtische Familienbefragung versucht zu ergründen. Die Ergebnisse: seelisches Wohlbefinden (47 %), Trennung/Scheidung/Unterhalt/Sorgerecht (42 %), gesundheitliche Probleme/Krankheit/Reha (30 %), Isolation/Vereinsamung (15 %), psychische Erkrankungen (14 %), Verschuldung/Mietrückstände (12 %). Daten, die den rund 60 Besucherinnen und Besuchern im Elly-Heuss-Knapp-Quartier präsentiert wurden. Vor allem jedoch ging es bei der Sozialkonferenz darum, das Fachpublikum für die Anliegen dieser Gruppe zu sensibilisieren, die unter verschärften Bedingungen ihr Leben meistern müssen.
Bronchitis, Nachtschreck, Lungenentzündung – Mama muss ran
Maria-Christina Mönig ist eine von ihnen. Sie ist 36 Jahre alt, arbeitet beim Deutschen Roten Kreuz in Oberhausen und hat einen neunjährigen Sohn. Von dessen Vater lebt sie getrennt, seitdem der Kleine ein Jahr alt ist. Seitdem muss sie ihr Leben exakt planen – und selbst dann geht manchmal etwas schief. „Als unser Kind Bronchitis hatte oder Nachtschreck oder eine Lungenentzündung – immer war ich da, immer hab ich mich gekümmert“, erzählt Mönig. Denn auch wenn ihr Ex-Mann teilweise mitbetreut hat, strich er die Segel, sobald etwas außer der Reihe war. Ist das Kind krank oder stehen Brückentage in Kita oder Schule an, müsse sie seit Jahren sehen, wie sie es hinkriegt. Zudem hat der Junge sein einziges Kinderzimmer in Mamas Wohnung – bei Papa ist zu wenig Platz.
Mauno Gerritzen, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Oberhausen, war einer der Teilnehmenden bei der Ersten Sozialkonferenz und er hat auch Maria-Christina Mönig erlebt, die dort zusammen mit einer anderen Alleinerziehenden von den Herausforderungen ihres Alltags berichtet hat. „Mich hat beeindruckt, wie sehr der Tagesablauf der Mütter durchgestaltet ist und wie wenig Freiraum da ist, um den eigenen Energietank aufzufüllen“, sagt er. Besonders da er auch Vater eines Kleinkindes sei, habe er Hochachtung vor dieser Leistung: „Da wird einem bewusst, in was für einer komfortablen Lage man sich selbst befindet.“
Unfaire Bewerbungsgespräche: Die Frage nach der Kinderbetreuung
„Das größte Problem außerhalb der Betreuung ist die Arbeit“, sagt Maria-Christina Mönig. Dass man als Mutter schnell aufs Abstellgleis gerät, habe sie bereits in der Schwangerschaft erlebt: Ihr befristeter Vertrag wurde einfach nicht verlängert. Und auch später, bei Bewerbungen, habe sie immer wieder Diskriminierungen erfahren. „Ich wurde am Telefon gefragt, wie meine Familiensituation ist und ob ich eine Betreuung für mein Kind habe“, erinnert sie sich. Als sie dann auf Leistungen vom Jobcenter angewiesen war, habe sie dort erst nach anderthalb Jahren erfahren, dass ihr ein Alleinstehenden-Bonus zusteht.
Genau solche Situationen meint Mauno Gerritzen, wenn er davon spricht, dass die Stadt ihre Angebote und Strukturen verbessern muss. Akteure aus verschiedenen Bereichen würden sich nun in Arbeitsgruppen zusammenfinden und Lösungswege suchen, wie Alleinerziehende Informationen möglichst aus einer Hand erhalten. Anlaufstellen wie es sie in Nachbarstädten gibt, gebündelt vom Verband alleinerziehender Mütter und Väter NRW (VAMV) wären ein Gewinn. Auch müssten vorhandene Angebote kritisch überprüft werden. „Manche Angebote sind gut gemeint, aber an den Lebensweisen vorbeigedacht“, sagt Gerritzen, auch mit Blick auf seinen eigenen Verband.
Auf das Sommerfest der Firma wird Maria-Christina Mönig in diesem Jahr verzichten. Sie könnte ihren Sohn mitnehmen, aber es wäre wahrscheinlich doch irgendwie anstrengend, für sie beide. Die Sommerferien haben sie und ihr Ex sich aufgeteilt, zum Glück hat das funktioniert. Sie weiß, dass sie damit zu den Privilegierteren gehört, viele Alleinerziehende haben solche Möglichkeiten nicht. Auch mit der Arbeit hat sie großes Glück, kann flexibel arbeiten, wenn es nötig ist. „Im Moment bin ich auf Null“, sagt sie. Nach den Ferien wird sie wieder Überstunden anhäufen müssen. Damit sie ein Polster für den nächsten Brückentag und die nächste Erkältung hat.
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