Oberhausen. Streber-Outfits und Glitzer-Regen: Sondaschule haben in der Turbinenhalle Oberhausen einen fulminanten „Abschussball“ abgeliefert. Unsere Kritik.

Dieser Jahresabschluss ist nun wirklich ein Grund, tief im Kleiderschrank zu buddeln: 3500 Fans haben sich zum großen Finale der Unbesiegbar-Tourkonzerte von Sondaschule in der Turbinenhalle Oberhausen herausgeputzt. Krawatten um Ska-Hälse. Glitzerpullover kleiden Punk-Mädchen. Pogen im Konfirmationsanzug. Wieso, weshalb, warum? Ach, lasst doch die Fragen: Es ist schließlich Abschussball!

Ja, tatsächlich steht Abschussball nicht Abschlussball auf den Tickets. Das L haben sie natürlich für den Kalauer geschlabbert. Vielleicht ist es am Samstagabend in der hoffnungslos ausverkauften Turbinenhalle aber auch einfach nur vom munter fließenden Gerstensaft weggespült worden. Und Schluss ist bei den nimmermüden Mannen um Sänger Costa Cannabis auch noch lange nicht.

Sondaschule: Ska-Punk aus Mülheim und Oberhausen

Sie bewegen sich wie im Rausch. Direkt zum Start sprüht goldener Glitzerregen in die Menge. Und alle baden im Glück. Gute Zeiten? Gute Zeiten! Costa Cannabis, nur echt mit Hut, heißt eigentlich Tim Kleinrensing, trägt ein schniekes, weißes Traumschiff-Sakko und pflügt mit seinen Kompagnons wonnig durch Alben wie „Unbesiegbar“ oder „Schere, Stein, Papier“.

Es fühlt sich so sehr nach Heimspiel an. Was nicht wirklich verwundern kann. Die Band trägt ihre eigene DNA aus Mülheim und Oberhausen zur Schau. Sei es in Songzeilen wie „Es gibt nur Dur in Mülheim Ruhr…“ aus dem Album „Schön kaputt“ oder amüsanten Anekdoten aus der Zeit der Großraumdiskotheken: „Wir haben in der Turbinenhalle unsere Jugend verbracht. Egal, wie peinlich das heute ist.“

Ihr Abschussball geizt nicht an Instrumentenvielfalt. Gerade die Bläsereinlagen tragen den Genre-Zirkus auf die Spitzen. Auf die Schippe nehmen sie sich wie üblich selbst: „Unsere Musik ist niveaulos, unsere Texte ordinär. Selbst die ärmsten drei Akkorde fallen uns schon ganz schön schwer.“ Nicht Oldschool, Newschool, sondern Sondaschool.

Sondaschule: Band erinnert an verstorbenen Gitarristen

Nicht alles ist pures Gold, manchmal waten sie durch seichtere Gewässer. Die Texte haben sich aber in 24 Jahren stärker weiterentwickelt als manche glauben wollen. Politische Bissigkeiten gegenüber populistischen Postionen und Schwurblern schallen genauso wie gesellschaftliche Ironie - manchmal drastisch erzählt. Ob bei „Arschlochmensch“ oder „Waffenschein bei Aldi“.

Costa Cannabis sagt: „Wir hatten schon immer eine große Fresse!“ Zwischendurch breitet er aber immer wieder die Arme aus, als würde er den gesamten Halleninhalt umarmen wollen. Längst fliegen taktgenau Bierbecher in die Höhe.

In all der Partylaune gibt es auch stille Momente: So rollen Sondaschule ein Ganzkörper-Transparent ihres ehemaligen Gitarristen Daniel „Blubbi“ Junker aus. Der Musiker war vor zwei Jahren überraschend verstorben. Fans im Publikum halten ein altes RWO-Trikot mit Konvent-Brustwerbung in die Höhe. Junker spielte auch die Gitarre in der Oberhausener Streetpunk-Band „Emscherkurve 77“, die einst die Stadionhymne „Macht vom Niederrhein“ auf den Weg brachte.

Sondaschule: Mit dem Rollator zurück in die Konzert-Zukunft

Später übermannt die Bühnenbesatzung wieder der Schabernack. Sie suhlen sich in den Disco-Jahren, spielen „You can call me Al“ von Paul Simon und buddeln die 1980er-Jahre aus. Passt aber irgendwie. Im Konzert-Intro zeigen sich die Ska-Punker faltige 50 Jahre später im Altenheim mit Rollatoren und reisen mit der Gehhilfe filmreif „Zurück in die Zukunft“. Zurück zum „Abschussball 2023“ in die Turbinenhalle.

Ein Knaller! Und den kann man wörtlich nehmen. Sondaschule drehen die Anlage rotzig auf, sind sogar lauter als „Die Ärzte“, die hier vor knapp zwei Monaten röhrten. Addiert man die Vorgruppen Mofa und Montreal hinzu, dann kommen Fans auf mehr als vier Stunden Konzert. Dieser Ball ist wirklich rund!

Es ist erstaunlich, dass in der Arena-Stadt Oberhausen, in der sich Weltstars die Klinke in die Hand geben, eine Band das wahrscheinlich beste Konzert des Jahres spielt, die mit der Straßenbahnlinie 112 anreisen konnte.

>>> Sondaschule: Konzert war in 36 Stunden ausverkauft

Der Abschussball von Sondaschule in der Turbinenhalle wirkte nicht gerade wie ein Ladenhüter. Nach Bekanntgabe des Termins waren die 3500 Tickets binnen 36 Stunden ausverkauft.

Die Band aus Oberhausen und Mülheim ist bundesweit schwer angesagt. Ihr elftes Album „Unbesiegbar“ landete im vergangenen Jahr auf Platz zwei der deutschen Albumcharts. 2024 spielen Sondaschule neben Greenday, Broilers und Kraftklub beim Festival „Rock am Ring“.