Dortmund. Superstimmung beim Festival im Westfalenpark. In der Nacht zu Samstag musste das Gelände wegen einer Unwetterwarnung vorzeitig geräumt werden.

Da haben wir den Fruchtsalat! Selbst der größte Abriss auf der Festival-Bühne kann den Alterungsprozess nicht aufhalten. Kaum haben Kraftklub beim Juicy Beats im Dortmunder Westfalenpark ihre Songs für Liam angestimmt, schon spielen tausende Fans plötzlich die Hauptrolle.

Frontmann Felix Kummer outet Gitarrist Steffen Israel als Geburtstagskind. Das unvermeidlich feixende „22 Jahre? Nein, 21 Jahre…“ der Herren in den Dreißigern unterbrechen die Fans vor der dicht belagerten Hauptbühne lieber schnell mit „Happy Birthday“-Gesängen und einer undefinierbaren Zugabe. Felix Kummer: „Wir verstehen zwar kein Wort. Aber es hört sich schön an.“

Das Dortmunder Zwei-Tage-Festival kommt am Freitag mit 22.000 Fans bestens aus den Startlöchern. Genauso viele feiern am Samstag ab. Macht zusammen 44.000 Klatschende - trotz einiger Regenduschen. In der Nacht von Freitag und Samstag wird der Westfalenpark sogar kurz vor Ende der DJ-Partys wegen einer Unwetterwarnung vorzeitig geräumt.

Knapp 30 Floors und Live-Bühnen bei Juicy Beats

Die sonnigen Passagen entschädigen dafür die Plastik-Poncho-Träger. Und man muss schon Tomaten auf den Augen (und Ohren) haben, wenn bei all den Früchten, die knapp 30 Floors und Live-Bühnen ihren Namen geben, keine beschwingte Festival-Laune aufkommen mag. Und während Fans auf Faltplänen nach Himbeere, Honigmelone und Ananas suchen, ist auch die Genre-Auswahl ein bunter Obstkorb. Rap neben Rock neben Elektro neben Pop. Alles geht.

Was auch Kraftklub beweisen, die ohne Anstrengung um einen Kreis vor der Bühne bitten und ihr Konzert mitten unter den Fans fortsetzen. Einen Songwunsch lässt die Band mit dem Nummer-Eins-Album „Kargo“ einen Fan am eilig aufgebauten Glücksrad ermitteln.

Schauspielerin und Sängerin Nina Chuba.
Schauspielerin und Sängerin Nina Chuba. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die Rock-Männer wandeln gekonnt zwischen Schabernack und Politik. Während sie mit „500k“ ihre halbe Million Fans in den sozialen Netzwerken („Wir sind Facebook-reich“) durchaus ironisch feiern, geht es bei „Schüsse in die Luft“ um grobe gesellschaftliche Baustellen bis zum Fremdenhass. „Dortmund und der Ort, wo wir herkommen, haben ein gemeinsames Problem“, sagt der Chemnitzer Felix Kummer. „Ein ziemliches Nazi-Problem!“ Anschließend schallen „Nazis raus“-Rufe durch den Westfalenpark. Klare Kante.

Nina Chuba zwitschert „Wildberry Lillet“

Kraftklub sind seit 14 Jahren im Musikgeschäft. Nina Chuba steigt dagegen gerade erst steil empor, veröffentlichte im Februar ihr erstes Album „Glas“. Und von einer zerbrechlichen Stimme kann in Dortmund keine Rede sein. Die 24-Jährige wandelt zwischen Rap und Pop und zwitschert mit „Wildberry Lillet“ einen unwiderstehlichen Ohrwurm über die Grasnarbe, der an der Chartspitze stand. Sie verpackt das Gefühl von Neid bei „Ich hass dich“ in giftige Noten („Hast noch nie ‘nen Korb bekommen, außer den mit Präsenten“) und erhält für eine Stunde Eskalation maximale Sympathiepunkte.

Gute Stimmung in Dortmund.
Gute Stimmung in Dortmund. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Die junge Schauspielerin („Notruf Hafenkante“, „Traumschiff“) zupft zwischendurch geheimnisvoll an ihren zwei gebundenen Mega-Zöpfen: „Ich verrate euch meinen Lieblingssong!“ Der heißt „Tinnitus“ und ist ausgerechnet eine der ruhigeren Passagen.

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Manche Fans tragen Glitzer-Schmuck in den Gesichtern. Andere haben sich Air-Brush-Tattoos auf die Haut sprühen lassen. Ein Händler bietet in direkter Nachbarschaft BVB- und Schalke-Motive an. Mutig! Das gilt auch für manche Zuschauer-Garderobe. Bestes gesichtetes Bein-Outfit: Hochgezogene Drei-Fragezeichen-Socken zur kurzen Hose.

Strandbälle und eine Plastik-Riesenente

Auch nicht gerade 08/15 wirkt im Juicy-Beats-Kosmos die Rap-Crew 01099, deren Name sich an der Postleitzahl der Dresdener Neustadt orientiert. Die vier Jugendfreunde nutzen bei ihren komplexen Hip-Hop-Konstruktionen neue Medien wie TikTok. Ihr aktuelles Album heißt dagegen: Altbau.

Gegen Wetterkapriolen bringen die Spaß-Pop-Männer von SDP zum Finale am Samstag sogar überdimensionale Strandbälle und eine Plastik-Riesenente mit, die plötzlich auf einem Meer von Fan-Händen balancieren. Das kommt an. Headliner mit Köpfchen.

Besucher und Besucherinnen trotzten dem Wetter mit Regen-Ponchos.
Besucher und Besucherinnen trotzten dem Wetter mit Regen-Ponchos. © FUNKE Foto Services | Kim Kanert

Allein sind die Berliner wirklich ungern. Und so laden sich Vincent Stein und Dag-Alexis Kopplin einfach Gäste auf die Bühne ein. Die 257ers schauen vorbei. Gemeinsam mit den SDP-Berlinern performen die Rap-Jungs aus Essen „Scheiße baut sich nicht von allein“. Bei „Fieber“ ist dann Montez (ohnehin im Festival-Line-Up) mit dabei.

Larissa Rieß alias Lari Luke am Plattenteller

Ordentlich was zu sagen hat zuvor schon Rapperin Badmómzjay, die sich mit bunter wie löchriger Häkelware umhüllt und mit „Sterne unterm Dach“ und „Ohne dich“ selbst finstere Skeptiker des Deutsch-Raps überzeugt. Ihre helle Freude zeigt auch Larissa Rieß alias Lari Luke. Spaß verbreitet die Musikerin, Komikerin und TV-Moderatorin sonst unter anderem beim „Neo Magazin Royale“. Beim Juicy Beats gehört die Leidenschaft der Heidelbergerin aber ganz dem Plattenteller. „Schön, dass ihr alle da seid. Ich dachte schon, es kommt keiner“, sagt die 35-Jährige im strömenden Regen. Bei schlaksigen Elektro-Beats trocknen Klamotten bekanntlich schneller. Regentanz deluxe.

Ebenfalls gern gesehen: Rapper Megaloh. Dieser staunt hinter seiner dunklen Sonnenbrille über etliche ausgestreckte Hip-Hop-Arme und dürfte mit dem Song „Gordon Shumway“ bei älteren Festival-Besuchern für außerirdisches Kopfkino sorgen. Null Problemo! Bei der Atmosphäre sind sich sowieso alle grün: Auf den Wiesen und Bänken sieht man viele lächelnde Gesichter. Einige Kinder wippen auf den Schultern der Eltern. Diese Vitaminkur: schmeckt!

>>> Juicy Beats in Dortmund: Nächster Festival-Termin steht schon fest<<<

Bierpreise von 6 Euro für den halben Liter hat man bei Konzerten und Festivals zwar schon schröpfender erlebt. Trockengelegte Geldbörsen wird der Kurs trotzdem nicht wiederbelebt haben. Dafür kamen die Zapfstationen mit Grats-Leitungswasser gewohnt gut an. An einigen Toiletten-Wagen benötigten Fans dagegen Geduld.

Wie geht’s weiter? Mit Freitag, 26. Juli 2024, und Samstag, 27. Juli 2024, stehen die Festival-Termine für die nächste Ausgabe von Juicy Beats in Dortmund schon fest.