Oberhausen. 250 Meter Gleise: Der Oberhausener Frank Schütz hat auf seinem Dachboden ein Modellbau-Paradies erschaffen. Doch sein Hobby ist bedroht.
Der 14-teilige ICE fährt sachte in den gigantischen Biefanger Hauptbahnhof ein. Ein imposantes Glasdach spannt sich über Zig-Gleise. Die Bahnhofsuhr sieht ein bisschen so aus wie die vom Oberhausener Hauptbahnhof. „Das ist eine Hommage an Biefang“, sagt Frank Schütz. Der Hauptbahnhof Oberhausen liegt auf einem ländlichen Berg und ist popelig klein.
Man muss nur eine dieser typischen Dachboden-Treppen hochkraxeln, dann steht man im Paradies. Jedenfalls für Modellbau-Fans. In jahrelanger Kleinst-Arbeit hat sich der frühere Lkw-Fahrer eine eigene Welt erschaffen. Rund 300 Wagen können circa 250 Meter Strecke abfahren. Die kleinen Züge schieben sich durch Tunnel, an Bergpanoramen und Schafherden vorbei, verschwinden unterirdisch und tauchen wieder auf. „Das Schlimmste ist, wenn ich die Züge nicht mehr höre“, sagt der 70-Jährige. „Dann ist irgendetwas schief gelaufen.“
Nachwuchs fehlt: Modellbahn konkurriert mit Playstation und Computer
Frank Schütz verlor sein Herz an den Modellbau wie viele seiner Generation. „Mein Opa hatte eine Modellbahn. Mit sieben, acht Jahren habe ich auch angefangen.“ Schütz lebte in einer Blütezeit für Sammler: Briefmarken, Bierdeckel, Modellautos. Vieles wurde gesammelt, was heute nur noch kleine Gruppen in den Bann zieht. „Der Nachwuchs bleibt aus“, sagt Frank Schütz. Vielleicht fehle das Geld, andererseits konkurriere die Modellbahn mit Playstation und Computer. Sammler, die ihr Hab und Gut verkaufen müssen, bekommen kaum noch Geld dafür. „Das ist schade.“ Auch seine eigenen, mittlerweile erwachsenen Kinder würden sich dafür nur wenig interessieren. >>>Auch interessant:Oberhausener sammelt Millionen Briefmarken
Mit den Jahren wuchs die Sammlung von Frank Schütz stetig. Als abermals ein Umzug anstand, fand er in seinem neuen Haus einen Dachboden vor, der „ideal“ für seine Pläne war. Monate- jahrelang tüftelte er an der Strecke: Schaffen die Züge die Steigung? Wo soll der Bahnhof stehen? Der Oberhausener konnte sich meist nur am Wochenende seinem Hobby widmen, unter der Woche lieferte er für Oetinger aus.
Züge wecken Kindheitserinnerungen - „Hier finde ich meine Ruhe“
Den Fortschritt seiner Modellbahn dokumentiert er im Internet. In Fan-Foren berichtet er von Problemen und Entwicklungen. Am liebsten sitzt Frank Schütz aber auf dem Bürostuhl in der Mitte seiner Bahn. Bei einem Glas Wein beobachtet er die Züge, verfolgt ihren Weg. Die Bahn ist analog, aber so angelegt, dass sich in den Abstellbahnhöfen immer neue Züge in Bewegung setzen. „Ich find’s toll, den Zügen zuzuschauen. Da finde ich meine Ruhe.“ Frank Schütz muss sich als „Fahrdienstleiter“ am selbstgebauten Pult um einen reibungslosen Betrieb kümmern. So wie jetzt. „Ach Mist“, sagt Frank Schütz und springt auf. „Jetzt habe ich die Weiche nicht gestellt.“
An vielen Zügen hängen persönliche Erinnerungen an. Sie bringen Kindheitstage, Verwandte, Orte wie die Zeche Sterkrade zum Leben. Eine der Loks zieht ein Kohlezug aus dieser Zeit hinter sich her. „Man baut sich eine eigene Welt auf“, sagt Frank Schütz. „Hier bestimme ich, was gemacht wird.“
Die Züge tuckern leise surrend über die Gleise. Zeit für philosophische Gedanken. „Im Leben stellt man auch Weichen und stellt fest: Das habe ich falsch gemacht“, sagt Frank Schütz. Wenn alles gut läuft, kommt man irgendwann dort an, wo man hinwill. Die Züge von Frank Schütz wollen zum Biefanger Hauptbahnhof. Den gibt es nämlich hier, auf dem Dachboden von Frank Schütz.