Oberhausen. Wenig Firlefanz, viel Glanz für Puristen: Sting hat 12.000 Fans in der Arena Oberhausen entzückt. Der Megastar holt seinen Sohn auf die Bühne.
Dieser Mann ist wetterfest. Megastar Sting zeigt seinen drahtigen Körper zum Auftakt von 100 Konzertminuten voller Nostalgie im fast ärmellosen Shirt. Die dunklen Jeans liegen fest an den Beinen an. Yoga sei Dank! Der 72-Jährige streichelt dazu in der Arena Oberhausen sorgfältig seinen Bass. Draußen pfeift der Wind.
Am Anfang plaudert er kaum, lässt beharrlich seine Songs sprechen. Und bringt mit „Message in a Bottle“ direkt einen Kracher. Von „Flasche leer“ ist der Mann, der eigentlich Gordon Sumner heißt, nun wirklich weit entfernt. Sting in Topform ist Balsam für die Fanseele.
Gute Nerven brauchen die 12.000 Fans trotzdem. Eigentlich sollte der Brite schon vor drei Jahren in Oberhausen singen. Etliche Absagen während der Corona-Pandemie drehten kräftig an der Geduldsschraube. Jetzt sind sie alle wieder da. Die Halle ist ausverkauft. „Meine Damen und Herren“, schmeichelt Sting charmant komplett auf Deutsch mit leichtem Akzent. „Es ist lange her. Aber Sie haben Ihr Ticket behalten. Heute Abend wird es ein tolles Konzert!“
Sting in Oberhausen: Englishman in vorweihnachtlicher Blechlawine
Wahrscheinlich hätte der ehemalige Police-Sänger am Donnerstag sogar den Straßenverkehr vor der Arena gerne selbst geregelt. Ein Wunder, dass die Show pünktlich beginnt. Weihnachtsmarkt und vorweihnachtliche Shopping-Gelüste sorgen rund um das Oberhausener Centro für Blechlawinen mit saisonal anmutenden roten Rücklichtern. O du fröhliche Parkplatzsuche!
Das Fest der Familie greift Sting trotzdem auf. Er bringt seinen ältesten Sohn Joe mit. Der 47-jährige Junior pflegt im Vorprogramm noch etwas rockiger als sein Papa die Gesangstradition. Später sind beide zum Duett „King of Pain“ dagegen stimmlich kaum noch auseinanderzuhalten. Wenn der Vater mit dem Sohne...
Sting teilt gerne den Applaus, obwohl seine Tour ja eigentlich „My Songs“ heißt. Die launig zusammenkomponierte Setlist vermählt Police-Klassiker mit kriminell guten Solo-Einlagen. Angesichts des überaus amerikanisch dekorierten Einkaufszentrums nebenan, kann sich der „Englishman“ wirklich wie in New York fühlen.
Sting in Oberhausen: Vom Wüstenplanet zum Retter des Regenwalds
Es ist der komplette Kontrast zu Stings eigener Konzert-Optik. Auf der Bühne sieht man kaum Firlefanz. Zwar schimmern zwischenzeitlich Großstadt-Silhouetten, drehen kurz grelle Lichtkegel ihre Runden und tauchen mehrlagige Lampen-Rudel die Bühne in stimmungsvolle Rot- und Blautöne. Auf protzige Aufbauten verzichtet Sting dagegen. Auch ausufernde Video-Sequenzen in Hollywood-Qualität rieseln nicht auf die Fans ein.
Ob beim gewohnten Pop, einer Prise Rock oder mit Reggae angereichert: Sting setzt auf die Strahlkraft der Songs. Obwohl er bekanntlich 1984 im Treibsand von „Der Wüstenplanet“ als Schauspieler kräftig mimte. Und sich auch Ende der 90er-Jahre in Guy Ritchies Independent-Hit „Bube, Dame, König, Gras“ vor der Kamera spielfreudig zeigte.
Es ist die Zeit der Erinnerungen. In einer frühen Folge der kultigen TV-Serie „Die Simpsons“ buddelte Stings Trickfilm-Konterfei sogar eigenhändig den in einem Brunnen gefangenen Bart Simpson aus. Fans kennen Sting als Charity-Anpacker. Als Beschützer des Regenwalds und Kämpfer für Menschenrechte. Mal dezent, mal forsch mahnend.
Sting in Oberhausen: „Every Breath you take“ bis „Shape of my Heart“
Auch sein eigenes Klangangebot bleibt nicht unangetastet. Einige Klassiker sind etwas gestreckt und facettenreicher arrangiert, meist ist der neue Schnitt allerdings eher Geschmacksache. Mit „Shape of my Heart“, „Every Breath you take“, „So lonely“ und „Roxanne“ kann der Meister aber spielend punkten. Sting beweist sich als vorzüglicher Handwerker an den Instrumenten und mit dem angesteckten Kopfmikrofon. Der Jubel ist groß. Schöne Bescherung.
Am Ende stehen Sting und überzeugende Begleitmusiker einig Schulter an Schulter zusammen, winken den dauerklatschenden Fans zu. Ein Bild wie aus dem Musikvideo zu „All for Love“ - auch schon 30 Jahre gereift. Als Sting und die Kollegen Bryan Adams und Rod Stewart für einen Mantel-und-Degen-Kinofilm überaus erfolgreich drei tirilierende Musketiere gaben. Ein ungespielter Song, der beim ein oder anderen trotz Abwesenheit von Stings Kompagnons auf der Wunschliste gestanden haben dürfte. Weihnachten ist schließlich nicht mehr weit.