Oberhausen. Ein Oberhausener Altenheimbetreiber erzielt mit neuen Computerbrillen, die die virtuelle Realität zeigen, bei Senioren erstaunliche Effekte.
- Wenn Altenheime neue Techniken einsetzen, dann kann dies den Lebensalltag von Pflegerinnen und Altenheimbewohnern deutlich verbessern
- In einem Altenheim sorgen kleine Roboter mit Sprachmodulen für lustige Abwechselung, in einem anderen probiert seit vier Jahren der Heimbetreiber Ameos in Oberhausen Computerbrillen aus, die eine künstliche Realität zeigen
- Die Seniorinnen und Senioren probieren die VR-Brillen gerne aus – und zeigen sich überrascht, was sie dort mit Computerhilfe alles sehen können.
Annemi Fändrich sitzt im Rollstuhl und wiegt den Kopf hin und her. „Da“, ruft sie plötzlich. „Jetzt sehe ich Schneeflocken.“ Die 85-jährige Bewohnerin des Ameos Pflege Zentrums in Oberhausen-Osterfeld hat eine VR-Brille auf dem Kopf. Sie befindet sich im Aufenthaltsraum. Wobei: Eigentlich ist sie ganz weit weg. „Das war wie früher, wenn wir in den Urlaub gefahren sind“, sagt sie, nachdem sie die Brille abzieht.
Virtual Reality – das war vor einigen Jahren noch Science-Fiction. Doch die Brillen, die die Träger in eine virtuelle Realität versetzen, sind in der Breite angekommen. In Schulen kommen sie zum Einsatz, um Sprachreisen ohne Reisen zu verwirklichen. Seniorenheime haben die Technik für sich entdeckt, um den Bewohnerinnen und Bewohnern Abwechslung zu bieten. Aber die VR-Brillen haben auch einen medizinischen Nutzen.
Oberhausener Neurologin sieht großes Potenzial in VR-Brillen
Dr. Anke Lührs ist Chefärztin der Neurologie im Ameos Klinikum St. Clemens. Die VR-Brillen haben ein großes Potenzial, sagt sie. „Unser Gehirn muss arbeiten – das bedeutet, dass wir es trainieren müssen. Wir sind in der Lage, ein Leben lang zu lernen und Dinge neu zu verknüpfen.“ Die Impulse könnten durch Lesen und Hören erfolgen – aber auch durch VR-Brillen. >>> Das kostet ein Platz in einer Oberhausener Tagespflege
Der Effekt lässt sich bei Annemi Fändrich beobachten. Nach der kurzen virtuellen Reise sprudelt es aus ihr heraus. Sie sei früher einmal nach Leningrad, heute St. Petersburg gereist. Da hätte sie ein schönes Teeservice gekauft und eine Flasche Wodka. „Aber da war nur Wasser drin. Die haben einfach einen Deckel draufgeschraubt und so getan, als ob die Flasche mit Wodka gefüllt sei.“ Sie muss lachen. „Das war was.“
Heutige Seniorengeneration kennt Digital-Technik aus dem Berufsleben
Das Pflege Zentrum probiert seit vier Jahren die neue Technik aus. Veranstaltungsmanager Jörg Gollus erzählt, dass die VR-Brille regelrechte Diskussionen entfacht: „ Menschen sind unterschiedlich – manche stürzen sich begeistert in jede neue Anregung, andere sind zurückhaltender. Die schauen erstmal zu und machen sich einen Eindruck. Selbstverständlich erklären wir immer erstmal genau, was passiert.“ >>>Ludwigsgalerie bietet Berufskunde mit VR-Brillen
Die digitale Technik löst bei den wenigsten Befremden aus. In den Seniorenheimen habe es einen Generationenwechsel gegeben, sagt Neurologin Dr. Anke Lührs. Diejenigen, die heute um die 70 Jahre alt seien, hätten in ihrem Berufsleben bereits mit IT-Technik gearbeitet. Annemi Fändrich kann zwar auch noch vom Telefon mit Wählscheibe erzählen, aber: „Ich hatte später auch ein Handy, mit dem ich Bescheid sagen konnte, wo ich bin.“ Die VR-Brille macht ihr keine Angst. „Ich finde das toll.“
Künstliche Intelligenz könnte in der Pflege mehr Zeit bringen
Die Bewohnerin ist ein gutes Beispiel für die Herausforderungen der nächsten Jahre. Heute haben die Menschen eine längere Lebenserwartung, sagt Dr. Lührs. „Das Leben im Pflege Zentrum hat sich geändert. Es kann erfüllt sein von Aktivität – geistig wie körperlich und bietet Chancen auf zahlreiche soziale Kontakte.“ Aus gesundheitlicher Perspektive sei es da wichtig, den Kopf sprichwörtlich jung zu halten. „Je besser wir aktiv bleiben, umso größer die Chance, auch kognitiv fit zu bleiben.“
Dr. Lührs sieht im technischen Fortschritt auch eine große Chance für den Pflegesektor. „Wenn Roboter Alltagsaufgaben wie Reinigung von Räumen übernehmen, bleibt für die Pflegekräfte mehr Zeit sich fürsorglich den Menschen zuzuwenden.“ Der Mensch lässt sich eben nicht so leicht ersetzen wie eine Reise in den Schnee.