Oberhausen. Für sieben Millionen Euro wurde der Oberhausener Ratssaal modernisiert und rekonstruiert – im Stil der 20er Jahre. Ein nationales Denkmal?

Das ist stadthistorisch durchaus ein bedeutender Tag für Oberhausen: Der für sieben Millionen Euro optisch auf das Qualitätsniveau der 20er Jahre des vorherigen Jahrhunderts und technisch auf neuestem Stand gebrachte Ratssaal ist am Montag, 21. August 2023, feierlich durch den Rat der Stadt in einer Sondersitzung in Besitz genommen worden.

Im Innern ist der Ratssaal auf der Arbeitsebene sehr modern gestaltet: Weiße funktionale Schreibtische, hellgraue Stühle, Mikrofone, heller Teppichboden, Podien zur besseren Sicht auf die Reihe der Stadtoberen (rechts).
Im Innern ist der Ratssaal auf der Arbeitsebene sehr modern gestaltet: Weiße funktionale Schreibtische, hellgraue Stühle, Mikrofone, heller Teppichboden, Podien zur besseren Sicht auf die Reihe der Stadtoberen (rechts). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Oberbürgermeister Daniel Schranz: „Oberhausen hat diesen Saal verdient“

Das Endergebnis der über vier Jahre andauernden Modernisierungsarbeiten findet nicht nur Oberbürgermeister Daniel Schranz begeisternd. „Der Saal ist außerordentlich schön geworden. Bisher habe ich hier noch keinen Besucher gehabt, der nicht beeindruckt ist. Bei aller Berücksichtigung unserer begrenzten Mittel hat unsere Stadt einen solchen Saal verdient, schließlich ist das hier die Herzkammer der kommunalen Demokratie.“ >>> Lesen Sie auch: Darf sich Oberhausen einen schönen teuren Ratssaal leisten?

Oberbürgermeister Daniel Schranz im frisch renovierten Ratssaal: „Oberhausen hat einen solchen Saal verdient, schließlich ist das hier die Herzkammer der kommunalen Demokratie.“
Oberbürgermeister Daniel Schranz im frisch renovierten Ratssaal: „Oberhausen hat einen solchen Saal verdient, schließlich ist das hier die Herzkammer der kommunalen Demokratie.“ © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Noch nie zuvor hat der im September 2020 gewählte Stadtrat in diesem Saal getagt – wegen der Pandemie, aber auch weil die Renovierungen sich so lange hinzogen. Auch deshalb ist dieser Montag stadtgeschichtlich etwas Besonderes.

Jedes Ratsmitglied kann sich von seinem Tisch per Mikrofon in die Debatte einschalten. Zuvor gab es nur einzelne Funk-Mikrofone, die man weitergeben musste.
Jedes Ratsmitglied kann sich von seinem Tisch per Mikrofon in die Debatte einschalten. Zuvor gab es nur einzelne Funk-Mikrofone, die man weitergeben musste. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Der größte Saal des von Ludwig Freitag geplanten Oberhausener Rathaus-Baus Ende der 20er Jahre ist zuvor nur ein einziges Mal modernisiert worden: 1958 wurde die damalige Sitzordnung, bei der die Ratsleute wie in einem Klassenzimmer auf der schmalen Seite des rechteckigen Saales gegenüber der Stadtspitze saßen, in eine parlamentarische Reihung der Politiker-Sitze auf Podien umgestaltet. >>> Zum Thema: Sieben Millionen Euro verwandeln Ratssaal in Prunkstück

Bundesweit einzigartige Stuckdecke wurde in den 50er Jahren abgedeckt

Die bundesweit einzigartige Stuckdecke (Landeskonservatorin: „Ein Denkmal von nationaler Bedeutung“) wurde mit einer stabilen Konstruktion aus weißen Decken-Paneelen abgehängt, die dadurch zu einem beträchtlichen Teil zerstört wurde. Die Wandvertäfelung aus gebeizter Wassereiche wurde damals mit Vorhängen verborgen, die Pfähle zwischen den Fenstern überstrich man mit weißer Farbe – und das Mawick-Wandfries mit Oberhausener Motiven im Stil der 50er Jahre schmückte die Wand zwischen Holzvertäfelung und abgehängter Decke.

Der alte Ratssaal der Stadt Oberhausen: Nach 60 Jahren war die Modernisierung des Ratsaals nach Auffassung der Ratspolitiker zwingend notwendig – nicht behindertengerecht, schlechte Akustik mit Handmikrophonen, eine enge Besuchertribüne – und ein Klima im Saal, das oft sehr erhitzt war.
Der alte Ratssaal der Stadt Oberhausen: Nach 60 Jahren war die Modernisierung des Ratsaals nach Auffassung der Ratspolitiker zwingend notwendig – nicht behindertengerecht, schlechte Akustik mit Handmikrophonen, eine enge Besuchertribüne – und ein Klima im Saal, das oft sehr erhitzt war. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Nach 60 Jahren war die Modernisierung des Ratssaals nach Auffassung der Ratspolitiker zwingend notwendig: Nicht behindertengerecht, schlechte Akustik mit Handmikrofonen, eine enge Besuchertribüne – und ein Klima im Saal, das nur wenig Spielraum ließ. „Hier gab es nur eine einzige Temperatur: heiß. Im Winter war die Heizung nicht regelbar, im Sommer erhitzte die Sonne den Saal“, schildert Immobiliendezernent Michael Jehn den Zustand. Schranz berichtet von einem „beklagenswerten Zustand“ des Saals, vor allem der Technik. >>> Weiterer Bericht: So gemein berichtet Sat.1 über den Oberhausener Ratssaal

Der Oberhausener Immobiliendezernent Michael Jehn (links) mit dem Architekten Werner Funke, der das Projekt „Ratssaal-Umbau“ beratend begleitet hat.
Der Oberhausener Immobiliendezernent Michael Jehn (links) mit dem Architekten Werner Funke, der das Projekt „Ratssaal-Umbau“ beratend begleitet hat. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„Für uns war das ein Vergnügen, diesen so bedeutsamen Saal zu planen. Für uns war das oft wie eine Schatzsuche, man entdeckte immer wieder etwas aufregend Neues“, erzählen die Architektinnen Britta Lingenberg und Maren Baumast vom Oberhausener Büro „BST Architekten“ von ihrer Arbeit. So sichteten die Fachleute überraschend die Stuckdecke mit Ornamenten der Rathaus-Fassade, an die sich selbst altgediente Politiker nicht mehr erinnerten, und einen erschreckend dünnen Bodenbereich, der nur fünf Zentimeter dick war. „Das war lebensgefährlich. Hier hätte jederzeit jemand durchbrechen können““, meint Schranz.

Die Ornamente der Stuckdecke aus den 20er Jahren nehmen die Gestaltung der Außenfassade des Rathauses wieder auf. Sie wurde in den 50er Jahren mit weißen Decken-Paneelen abgehängt und verborgen. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild ist auch das Mawick-Fries zu sehen und die helle Holzvertäfelung des Saales.
Die Ornamente der Stuckdecke aus den 20er Jahren nehmen die Gestaltung der Außenfassade des Rathauses wieder auf. Sie wurde in den 50er Jahren mit weißen Decken-Paneelen abgehängt und verborgen. Auf dem Schwarz-Weiß-Bild ist auch das Mawick-Fries zu sehen und die helle Holzvertäfelung des Saales. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Auf dem Weg zu einer modernen Arbeits- und Beschlussstätte für Ratspolitiker musste man sich immer wieder zu schwierigen und teuren Entscheidungen durchringen: Wie historisch sollte der Ratssaal rekonstruiert werden, wie modern sollte er sein? Der beratende Architekt Werner Funke neigte eher zur nüchternen Funktionalität auf Stand heutiger DIN-Normen, die Landesdenkmalschützer zu einer kompletten Wiederherstellung des originalen 20er-Jahre Saals.

Wandvertäfelung mit gebeizter Wassereiche in dunklen Tönen

Direkt neben den Fenstern mit Blick auf den Grillo-Park, entworfen von der Hallenser Kunsthochschul-Professorin Christine Triebsch, existierten noch die alten Wandmodule aus dunkel gebeizter Wassereiche. Sie waren seit den 50er Jahren von Vorhängen verdeckt. Die Vertäfelung an den anderen Wänden musste nachgebaut werden.
Direkt neben den Fenstern mit Blick auf den Grillo-Park, entworfen von der Hallenser Kunsthochschul-Professorin Christine Triebsch, existierten noch die alten Wandmodule aus dunkel gebeizter Wassereiche. Sie waren seit den 50er Jahren von Vorhängen verdeckt. Die Vertäfelung an den anderen Wänden musste nachgebaut werden. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Am Ende genehmigten Politik und Stadtspitze die Rekonstruktion der Decke in Original-Farben mit orangen, blaugrauen Tönen und Schlagaluminium, für die der Mawick-Fries weichen musste. Sie genehmigten die Fenster der Hallenser Kunsthochschul-Professorin Christine Triebsch, die die Rechtecke und Blautöne der „Art-déco“-Decke aufnehmen. Und die Wandvertäfelung, die akustisch und lüftungstechnisch aufgehübscht in dunkler Eiche gelassen oder neu konstruiert wurde – ebenso die Türen im 20er-Jahre-Stil, die jetzt Feuerausbrüchen standhalten. Zwei Balkone, alte Heizungsverkleidung oder Nischen wurden aber nicht wieder nachgebaut. >>> Zum Hintergrund: Oberhausen: 370.000 Euro für neue Rathaus-Fenster

Die Stühle der gewählten Ratspolitiker sind auf Schienen beweglich – aus Brandschutzgründen. Bei Feuer können die Menschen so schneller aus dem Ratssaal fliehen.
Die Stühle der gewählten Ratspolitiker sind auf Schienen beweglich – aus Brandschutzgründen. Bei Feuer können die Menschen so schneller aus dem Ratssaal fliehen. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Denn das Innere des Saals, der eigentliche Ort der politischen Arbeit, sollte modern und funktional sein: Weiße Tische, hellgraue verschiebbare und versetzbare Sitze für Rollstuhlfahrer in der ersten Reihe, Mikrofone an jedem Platz, eine Hebebühne für Rollstuhlfahrer aufs Podium der Stadtspitze, Fernseher draußen im Flur und auf der Besuchertribüne, Kameras, die automatisch den Redner heranzoomen für künftige Internet-Übertragungen von Sitzungen und eine Klimaanlage, die eingepackt in einem dicken Akustik-Tresor den Raum angenehm und leise durchlüftet.

Sogar der Boden vor dem Ratssaal wurde neu gelegt – nach den alten Plänen und Ansichten, die man im Oberhausener Stadtarchiv gefunden hat. So sah der Linoleum-Boden des Rathauses bei der Eröffnung Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts auch aus.
Sogar der Boden vor dem Ratssaal wurde neu gelegt – nach den alten Plänen und Ansichten, die man im Oberhausener Stadtarchiv gefunden hat. So sah der Linoleum-Boden des Rathauses bei der Eröffnung Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts auch aus. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Offenbar ist hier mit dem renovierten Ratssaal eine sehr gute Basis für die Kommunalpolitiker entstanden, um wegweisende Entscheidungen für Oberhausenerinnen und Oberhausener zu fällen. Die frühere Schwüle im Raum kann jedenfalls nicht mehr als Ausrede dienen, man habe über seine Beschlüsse nicht ausreichend nachdenken oder diskutieren können. >>> Zum Thema: Oberhausener Rathaus-Kosten empören junge FDP-Politiker

Der Oberhausener Ratssaal ist nach Angaben der Stadtspitze jetzt auf dem Stand der Technik: Auf den Bildschirmen können die Ratspolitiker Präsentationen verfolgen, Kameras übertragen die Sitzungen ins Internet und jeder hat am Tisch ein Mikrofon, mit der er sich jederzeit in die Diskussion einschalten kann.
Der Oberhausener Ratssaal ist nach Angaben der Stadtspitze jetzt auf dem Stand der Technik: Auf den Bildschirmen können die Ratspolitiker Präsentationen verfolgen, Kameras übertragen die Sitzungen ins Internet und jeder hat am Tisch ein Mikrofon, mit der er sich jederzeit in die Diskussion einschalten kann. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Und die Kosten? „Wenn wir vorher gewusst hätten, bei welcher Summe wir herauskommen würden, dann hätte die Politik dies wohl nicht so abgesegnet“, räumt Schranz ein. Aber so ein fast 100 Jahre alter Altbau birgt halt viele teure Geheimnisse, die sich oft erst feststellen lassen, wenn man mitten im Bau ist. >>> Zur Bilderstrecke: Die schönsten Bilder vom neuen Ratssaal in Oberhausen