Oberhausen. Der Debattierclub der Oberhausener Katholiken war gespalten. Welchen Anteil an der Integration hat Sprache? Sollte nicht jeder Deutsch sprechen?
Am Ende eines intensiven Abends entschuldigte sich Thomas Gäng beim Publikum. Er sei keine Maybrit Illner, womöglich habe er sich in seinen Formulierungen gelegentlich vergriffen. Dabei tat seine erste Frage – oder vielmehr Beobachtung – genau das, wofür die Oberhausener Katholiken den Debattierclub ins Leben gerufen hatten: eine Diskussion entfachen.
Der Katholiken-Chef hatte für den Themenschwerpunkt Migration und Integration Gäste eingeladen, die wissen, wovon sie sprechen. Zum einen den Beigeordneten Jürgen Schmidt, der sich qua Amt um die Integration in Oberhausen kümmert. Zum anderen stand am Rednerpult Redakteurin Ruşen Tayfur, die selbst eine Zuwanderungsgeschichte hat. Im dicht gefüllten Klosterladen Sterkrade saßen zudem CDU-Politiker Saadettin Tüzün, sowie Lale Arslanbenzer (Leiterin des kommunalen Integrationszentrums) und Inga Kellermann (Caritas-Flüchtlingsberatung).
Katholiken-Chef spricht ein bekanntes Gefühl an
Schon die Abtreibungsdebatte wurde im Klosterladen hitzig geführt. Das Thema Integration befeuerte Moderator Gäng höchstpersönlich mit einer Erinnerung: Der Sparkassen-Vorstand kickte einst hobbymäßig in Schmachtendorf. Parallel zu seinem Team trainierte eine türkische Mannschaft. Unter der Dusche hätten sich die Mitglieder nur auf Türkisch unterhalten. „Die waren genauso alt wie ich und in der zweiten oder dritten Generation hier. Trotzdem sprachen sie kein Wort Deutsch.“
Unter den Zuschauern erntete Gäng zustimmendes Nicken. Er spricht ein Gefühl an, mit dem eine prominente Partei auf Stimmenfang geht. Es geht um die Wahrnehmung, Migranten würde es an Bereitschaft fehlen, sich zu integrieren. Beleg dafür ist in dieser Theorie die mangelnde Sprachfähigkeit.
CDU-Politiker: „Wir müssen das Bild zurechtrücken“
Gäng distanzierte sich später hartnäckig von dem Eindruck, den er damit erweckt habe. Aber die Debatte war in Gang: Zuschauerinnen berichten von ähnlichen Erfahrungen und Misstönen im Zusammenleben, ob im Krankenhaus oder am Gartenzaun. Ruşen Tayfur und Saadettin Tüzün hielten dagegen: Sie brächten ihren Kindern bewusst Türkisch bei, um die Mehrsprachigkeit zu fördern. „Wenn jemand Türkisch spricht, heißt das nicht per se, dass er nicht integriert ist“, sagte Tayfur. Sie erinnerte daran, dass sie selbst dieses Bild abgeben könnte, wenn sie auf der Straße mit ihren Kindern Türkisch spreche. Dabei sei Deutschland unbestritten ihre Heimat. „Die Außenwahrnehmung kann eine ganz andere sein.“ Tüzün unterstützte sie: „Wir müssen die Mehrsprachigkeit aufnehmen und das Bild zurechtrücken.“
Sprache sei allerdings nicht das einzige Hindernis einer Integration. „Es fängt schon bei ,Wir‘ und ‚Denen‘ an“, sagte Lale Arslanbenzer vom Kommunalen Integrationszentrum. In manchen Stadtteilen des Ruhrgebiets gebe es an Schulen eine Migrationsquote von über fünfzig Prozent. „Das sollte uns keine Angst machen. Das sind die Kinder unserer Zukunft.“ Sie denke an die Pflegeberufe, an eine alternde Bevölkerung. Auch nach Meinung von Saadettin Tüzün müsse man dringend das Potenzial abschöpfen. „Die Kinder, die wir nicht mitnehmen, das sind die Kinder unserer Gesellschaft.“
Oberhausen: Jeder Dritte hat eine Zuwanderungsgeschichte
Auch Schmidt betonte das Potenzial, das in dieser Stadt steckt. Von den 210.000 Menschen hätten 71.000 eine Zuwanderungsgeschichte. „Welche Chancen haben sie und wie schaffen wir es, ihnen eine Chance zu geben“, das seien Fragen, die sich eine Gesellschaft stellen müsse.
Und was machen wir mit den Nachbarn, mit denen wir uns nicht verstehen? Ruşen Tayfur nannte eine mögliche Perspektive. „Ich finde es naiv, zu glauben, dass wir alle miteinander auskommen müssen. Müssen wir nicht.“ Doch da entbrannte unter den Katholiken schon die nächste Debatte. Sollten wir nicht eine Vision von einer geeinten Gesellschaft verfolgen? Thomas Gäng möchte das Thema fortsetzen. An einem anderen Abend.