Oberhausen. Diesen Tag vergisst Peter Grolms nie: Sein Herz-Defibrillator hat ausgelöst – und er sucht die Ameos-Notambulanz auf. Doch es passiert nichts.
Als sein Herz am Freitag, 3. März 2023, aus dem Takt geriet, löst der implantierte Defibrillator in seiner Brust einen Schock aus – und rettet Peter Grolms vermutlich das Leben. Sein normaler Rhythmus kehrt zurück. Dem 63-Jährigen geht es wieder gut. „Bei einem solchen Verlauf reicht es, am nächsten Tag eine Notfall-Ambulanz aufsuchen“, weiß der Oberhausener. Punkt 10 Uhr trifft er deshalb am folgenden Samstag in der Notaufnahme des Ameos Klinikums St. Clemens Oberhausen ein. Doch was er dort erlebt, versetzt ihm gleich den nächsten Schock.
„Der Wartebereich war zunächst relativ leer, nur drei Patienten saßen schon da, als meine Frau und ich eintrafen“, erinnert sich Grolms. Er zieht eine Wartenummer – doch die Monitore im Warteraum seien alle außer Betrieb gewesen. Also habe er bei anderen Patienten nachgefragt und erfuhr, „dass man sich einfach hinsetzen und warten sollte, bis man aufgerufen wird“.
Zwei Krankenschwestern seien eilig durch den Raum gelaufen, keine davon aber habe ihn angesprochen. „Wir bekamen mit, dass immer wieder Rettungswagen vorfuhren, es muss an diesem Tag einige Notfälle gegeben haben.“ Eineinhalb Stunden lang habe sich weder eine Pflegekraft noch ein Arzt um ihn gekümmert. „Es hat kein Erstgespräch stattgefunden, niemand wusste, weshalb ich überhaupt da saß.“ Peter Grolms platzt schließlich der Kragen: „Ich bin dann unbehandelt einfach wieder gegangen.“ Trotz des Risikos, das damit für ihn verbunden ist.
Die Ursachen der Rhythmusstörung ermitteln
Denn die Richtlinien für Patientinnen und Patienten mit Defibrillator sind von Spezialisten klar formuliert: Haben sie eine Schockabgabe verspürt und es geht ihnen wieder gut, sollten sie ihr Klinikum kontaktieren und spätestens am nächsten Tag zur Abfrage des Gerätes im Krankenhaus erscheinen. Geht es ihnen schlecht und sie verspüren Herzrasen, Luftnot oder Brustschmerzen, muss sofort der Rettungswagen gerufen werden.
In beiden Fällen aber soll stets abgeklärt werden, ob der durch den Defibrillator ausgelöste Schock die Folge einer lebensbedrohlichen Kammerrhythmusstörung war. Ursachen dafür können Störungen der Blutsalze oder eine Minderdurchblutung des Herzens sein. Grolms weiß dies alles – seine gepackte Tasche für einen längeren Krankenhaus-Aufenthalt hatte er bereits dabei. Grolms meint: „Trotz allen Stresses hätte das Klinikpersonal eine sofortige Sichtung der Patienten nach Dringlichkeit durchführen müssen.“
Einen niedergelassenen Kardiologen aufgesucht
„Wie viele Patienten mit welchen Erkrankungen wann kommen, kann niemand vorhersehen, die Anzahl und Schwere der Notfälle ist leider nicht planbar“, hatte Michael Reindl, Chefarzt der Klinik für Akut- und Notfallmedizin im Ameos Klinikum St. Clemens Oberhausen, im Hinblick auf einen anderen Fall im Rahmen eines früheren Berichtes erläutert. „Wichtig zu wissen ist, dass die Patienten nicht nach der Reihenfolge ihrer Ankunft, sondern ausschließlich nach der Dringlichkeit ihrer Behandlung versorgt werden.“ Wer zuerst an der Reihe sei, entscheide sich nach einem standardisierten Verfahren: dem Manchester Triage System. Das allerdings sieht in jedem Fall eine rasche Ersteinschätzung vor. „Die es in meinem Fall aber überhaupt nicht gegeben hat“, stellt Grolms verärgert fest.
Das Manchester-Triage-System
Beim Manchester-Triage-System handelt es sich um ein standardisiertes Verfahren zur Ersteinschätzung in der Notaufnahme eines Krankenhauses.
Darunter wird die Eingruppierung neu eintreffender Patienten verstanden. Besonders wichtig dabei ist, die Behandlungsprioritäten sicher festzulegen – durch eine rasche erste Befragung.
Zum aktuellen Fall erhält die Redaktion trotz mehrfacher Nachfragen allerdings nur diese Stellungnahme von Ameos-Sprecherin Christine Hertrich: „Wir bedanken uns bei Ihnen für den Hinweis und können Ihnen mitteilen, dass wir mit dem Ehepaar Grolms bereits in Kontakt sind, um dieses Anliegen direkt zu klären.“
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Peter Grolms hat in der Zwischenzeit längst einen niedergelassenen Kardiologen aufgesucht. Für ihn ist das Ganze zum Glück glimpflich ausgegangen. Rückblickend meint der Herzpatient heute: „Beim nächsten Mal werde ich sofort den Rettungswagen in Anspruch nehmen und mich nicht mehr von meiner Frau fahren lassen, dann habe ich vielleicht eine Chance, dass meine Erkrankung in der Notaufnahme auch ernst genommen wird.“