Essen. . Das Elisabeth-Krankenhaus in Essen stuft Patienten ein, noch bevor sie einen Arzt gesehen habe. So ist es in der Notaufnahme ruhiger geworden.

Zwei Unfälle soll es gegeben haben, einen auf der A 40 und einen auf der A 52. „Vielleicht erleben Sie jetzt gleich live mit, weswegen Sie hier sind“, sagt Dr. Marco Antonio Mighali. Der Leitende Arzt der Zentralen Notaufnahme im Elisabeth-Krankenhaus Essen wirkt entspannt. Etwa zehn Patienten sitzen im Wartezimmer der Ambulanz, junge und ältere, manche allein, andere in Begleitung. Durch einen gesonderten Eingang kommt eine Rettungssanitäterin hinein. Ein ganz normaler Mittwochnachmittag.

Etwa 20 Millionen Menschen kommen jährlich in die Notaufnahme. „Und die Zahlen nehmen massiv zu, jedes Jahr um fünf bis sieben Prozent“, bestätigt Jochen Brink, Präsident der Krankenhausgesellschaft NRW. „Das zeigt, dass die Menschen den Krankenhäusern vertrauen. Wir sind auf solche Zahlen aber nicht vorbereitet.“

„Viele kennen die Notrufnummer nicht“

Dr Marco Mighali, Leiter der Zentralen Notaufnahme im Elisabeth Krankenhaus in Essen.
Dr Marco Mighali, Leiter der Zentralen Notaufnahme im Elisabeth Krankenhaus in Essen. © Fabian Strauch

Und neun von zehn Patienten sind keine Notfälle, befindet die Kassenärztliche Bundesvereinigung. Mit ihr zusammen will Brink das Problem angehen: „Wir müssen die Patienten darüber informieren, dass es auch den Kassenärztlichen Notdienst gibt. Viele kennen die Rufnummer 116 117 nicht.“

„Wir haben in den letzten drei Jahren immer rund 52 000 Patienten pro Jahr behandelt“, sagt dagegen Dr. Mighali in Essen. Wieder führt die Pflegerin einen Patienten in ein Behandlungszimmer. Die anderen beobachten stumm die Bildschirme, die ihnen zeigen, warum sie länger warten müssen als andere Patienten.

300 Kliniken nutzen System zur Ersteinschätzung

Denn das Elisabeth-Krankenhaus hat bereits auf das Phänomen reagiert, dass auch viele Menschen mit leichteren Beschwerden behandelt werden möchten. Seit drei Jahren wendet es das „Manchester-Triage-System“ an, so wie schon rund 300 Krankenhäuser deutschlandweit – ein Standardverfahren, das die Dringlichkeit der Behandlung bestimmt: Schon an der Anmeldung werden Fragen zu Symptomen gestellt. Weisen die Antworten etwa auf einen Herzinfarkt hin, wird der Patient sofort behandelt. Dauern die Brustschmerzen schon seit mehreren Wochen an, muss der Patient unter Umständen zwei Stunden warten.

„Das System hat etwas Anlaufzeit gebraucht, aber jetzt schaffen wir es, fast alle Patienten einzustufen“, sagt Dr. Marco Mighali. „Ob wir die Zeiten einhalten können, ist von den Tagesspitzen abhängig.“ Die Stoßzeiten seien nicht vorhersehbar – und auch nicht abhängig davon, wann die Hausärzte ihre Praxen schließen.

Nur ein Bruchteil der Patienten wird aggressiv

Uwe Großhans, Leitender Pfleger der Zentralen Notaufnahme, bestätigt, dass es ruhiger geworden ist, seitdem die Patienten eingestuft werden, noch bevor sie einen Arzt sehen. „Wir können natürlich auch Geschichten von aggressiven Patienten erzählen, aber bei über 50 000 Menschen pro Jahr ist die Zahl verschwindend gering. Das ist hier ja auch nur ein Querschnitt der Gesellschaft.“

Generell zeigen die Essener Mediziner viel Verständnis für jeden, der in die Notaufnahme kommt, und sei es mit einer Schürfwunde. Die Menschen befänden sich in einer persönlichen Ausnahmesituation. Auch dafür, dass viele Flüchtlinge kommen, haben sie eine einfache Erklärung: „Die wissen gar nicht, dass es so etwas wie Hausärzte gibt. Die kennen das aus ihren Kulturkreisen nicht. In ihrer Heimat sind sie immer vier Stunden zum nächsten Krankenhaus gelaufen“, erklärt Dr. Mighali.

Weggeschickt oder ohne Untersuchung an den Hausarzt verwiesen wird im Elisabeth-Krankenhaus jedoch niemand. „Jeder Patient, der uns aufsucht, wird behandelt, dies dient der Sicherheit der Patienten“, sagt Pressesprecherin Dorothee Renzel. Und es diene auch der Absicherung der Ärzte und Pfleger – sowohl rechtlich als auch moralisch. Denn einen medizinischen Notfall abgewiesen zu haben, möchte niemand verantworten müssen.

Die Bereitschaftsdienste der Kassenärzte

Unter der Notrufnummer 116 117 sind deutschlandweit alle Bereitschaftspraxen kostenlos erreichbar. Sie sind am Wochenende rund um die Uhr geöffnet, an Wochentagen von 18 bis 8 Uhr am Folgetag, Mittwoch und Freitag schon ab 13 Uhr.