Oberhausen. Der Arzt schickte eine Oberhausenerin mit dem Verdacht auf Schlaganfall ins Krankenhaus. Dort musste sie stundenlang in der Notaufnahme warten.

Fast sechs Stunden verbrachte eine 71-jährige Oberhausenerin (die anonym bleiben möchte) in der Notaufnahme des Ameos Klinikums St. Clemens, bis eine Neurologin sie auf die Stroke Unit holte. Eingeliefert worden war sie mit der Verdachtsdiagnose Schlaganfall. Die Oberhausenerin meint: „Das ist ein Skandal!“ Eine Krankenhaus-Sprecherin sieht das anders, spricht von einer normalen Vorgehensweise.

Was war passiert? Am Wochenende hatte es angefangen. Die 71-Jährige bemerkte, dass plötzlich die Finger an ihrer linken Hand einschliefen. Dann konnte sie immer wieder mal die passenden Worte nicht finden, wenn sie etwas sagen wollte. „Das Alter“, dachte sie und nahm diese Ausfallerscheinungen nicht allzu ernst. Doch ihr Mann wurde misstrauisch und drängte sie, Montagfrüh den Kardiologen aufzusuchen. „Mein Arzt vermutete sofort einen kleineren Schlaganfall und wollte auch gleich den Rettungswagen rufen“, erzählt die Oberhausenerin.

Obwohl sie geschockt war, entschied sie sich, erst nach Hause zu fahren, um dort ihre Tasche fürs Krankenhaus zu packen. „Mein Mann hätte meine Sachen eh nicht gefunden.“ Außerdem sei es nur eine Zeitverzögerung von wenigen Minuten gewesen. Um 13 Uhr traf sie in der Notaufnahme des Ameos Klinikums St. Clemens ein. Bei der Anmeldung in der Ambulanz habe sie vom Verdacht ihres Arztes berichtet und die entsprechende Einweisung vorgelegt. „Doch eine Blutprobe wurde mir trotzdem erst nach eineinhalb Stunden Wartezeit entnommen.“ Das habe sie merkwürdig gefunden. „Weil es doch heißt, dass ein kleinerer Schlaganfall meist weitere kleinere oder sogar einen großen Schlaganfall ankündigt.“

In der Notaufnahme alleine gelassen?

Die 71-Jährige verbrachte danach noch weitere Stunden in der Wartezone der Ambulanz und bekam allmählich Angst. „Ich war zwar im Krankenhaus, aber ich fühlte mich trotzdem alleingelassen.“ In der Notaufnahme sei es an diesem Tag sehr voll gewesen. Erst nach mehr als fünfeinhalb Stunden sei eine Neurologin zu ihr gekommen und habe sie dann auch sofort auf die Stroke Unit (spezielle Station für Schlaganfallpatienten) verlegt. „Dort wurde ich an eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung angeschlossen.“ Alle Behandlungen in der Notaufnahme hätte bis dahin eine einzige Pflegekraft gesteuert. „Die Neurologin war die erste Ärztin, die ich da überhaupt zu Gesicht bekommen habe.“

Nach den ersten Untersuchungen in der Stroke Unit sei klar gewesen: „Ich hatte nicht nur einen, sondern mehrere kleine Schlaganfälle in der rechten Kopfhälfte gehabt.“ Auf der Station selbst habe sie sich dann zwar bestens aufgehoben gefühlt. „Aber die Zeit in der Notambulanz war für mich die Hölle.“

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Auf Nachfrage dieser Redaktion heißt es dazu von Ameos-Sprecherin Annette Kary: „Die Patientin hat die Notaufnahme selbstständig aufgesucht, sie ist nicht mit einem Rettungswagen eingeliefert worden.“ Der Kardiologe habe ihr eine Krankenhauseinweisung zum Ausschluss einer zerebralen Ischämie (Hirndurchblutungsstörung aufgrund eines möglichen Gefäßverschlusses) ausgestellt. In der Notaufnahme habe die 71-Jährige über ein Taubheitsgefühl in der linken Gesichtshälfte geklagt, das aber schon seit mehr als 48 Stunden bestanden hätte.

Aufgrund der Ansprechbarkeit sowie der guten Vitalparameter sei die Patientin nicht als hochakuter Notfall eingeschätzt worden. „Es lagen keine lebensbedrohlichen Symptome vor und zudem bestanden die Beschwerden schon seit mehreren Tagen.“ Das Manchester Triage-System zur Einschätzung von Notfällen gebe in dieser Konstellation die Kategorie gelb vor und nicht rot oder orange. Damit sei eine gewisse Wartezeit zumutbar. „Die schnellstmöglich in der Notaufnahme erhobenen Laborwerte inklusive EKG lagen bereits nach weniger als einer Stunde vor und haben ebenfalls keine notfallmäßigen Sofortmaßnahmen erforderlich gemacht.“

Ein kurzes Zeitfenster ist für die Behandlung entscheidend

Bei der Behandlung eines Schlaganfalls seien das Zeitfenster des Auftretens und die Schwere der Symptome für die weitere Behandlung wesentlich. Eine medikamentöse Therapie zur Auflösung eines Blutgerinnsels komme nur in Frage, wenn ein Gefäßverschluss nicht länger als viereinhalb Stunden besteht. „Die Untersuchung durch die Neurologin und auch die anschließende Computer-Tomographie aber wiesen keine Anzeichen einer akuten Blutung oder einer Einengung einer hirnversorgenden Arterie auf.“ Daher sei auch keine Thrombektomie, also ein Entfernen des Blutgerinnsels mittels Katheters, nötig gewesen.

Auch bei kleiner Attacke sofort den Notruf wählen

Auch ein kleiner Schlaganfall ist ein echter Notfall und muss sofort behandelt werden, darauf macht die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft auf ihrer Internetseite (www.dsg-info.de) aufmerksam. Denn eine vorübergehende Lähmung, Sprach- oder Sehstörung, die sogenannte transitorische ischämische Attacke (TIA), ist ein möglicher Vorbote eines großen Schlaganfalls.

Die rasche Behandlung auf einer Stroke Unit kann einen großen Schlaganfall dann aber häufig verhindern. Dies zeigte auch die Auswertung eines internationalen TIA-Registers. Deshalb auch bei einer kleinen Attacke immer sofort den Notruf 112 wählen!

Zur Abklärung sei die Patientin in der Stroke Unit 72 Stunden überwacht worden. „Es wurden Medikamente zur Vorbeugung eines weiteren Schlaganfalls verabreicht und der Blutdruck eingestellt.“ Durch ein im Verlauf der weiteren Behandlung gemachtes MRT sei ein älterer Schlaganfall nachgewiesen worden. „Doch sowohl für die medikamentöse Therapie als auch für die Thrombektomie gilt, dass die Behandlung innerhalb von maximal vier bis sechs Stunden erfolgen muss.“

Die Oberhausenerin selbst wundert es allerdings, dass ihre noch immer akuten Sprachstörungen und die gefühllosen Finger der linken Hand in der Stellungnahme des Krankenhauses gar nicht erwähnt werden. In der Ambulanz sei sie bei ihrer Aufnahme nicht nach weiteren Beschwerden befragt worden. „Wie sollte die Pflegekraft meinen Zustand so richtig einschätzen können?“ Die erst am nächsten Tag gemachte Magnetresonanz-Tomographie habe mehrere kleine Hirninfarkte bestätigt. „Aber nur einer davon war tatsächlich älter, heißt es in meinem Bericht.“ Ob sich die anderen bereits am Wochenende, am Morgen vor der Krankenhaus-Aufnahme oder teils vielleicht noch in der Notfall-Ambulanz ereignet haben? „Das wird jetzt wohl niemand mehr sagen können.“