Oberhausen. Walter Reißner kümmert sich leidenschaftlich um seine Hühner. Kindergärten besuchen ihn gerne. Doch jetzt gibt es Ärger mit der Stadt.

Walter Reißner greift beherzt zu. „Das ist der kleinste Hahn der Welt“, sagt der Oberhausener Landwirt. Er hält einen zotteligen, schwarzen Hahn mit kleinem Kamm in den Händen. Das kleine Tier guckt nicht ängstlich, eher scheint sein Blick zu sagen: „Nanu, Walter. Was’n los?“

Walter Reißner kennt und liebt seine Hühner. Der 66-Jährige bezeichnet sich als Unternehmer und hat sich an der Forststraße an der Grenze zu Dinslaken eine Art Bauernhof zurechtgezimmert. In kleinen Schuppen verkauft er frisches Obst und Gemüse, rundherum gackern Hühner und Enten. Es riecht nach Landwirtschaft, ungewohnt und interessant für Stadtnasen. „Die Kindergärten kommen oft vorbei“, erzählt Reißner. Er zeigt nach hinten. Dort betreibt er auch ein Stück Land. „Da grillen wir dann gemeinsam.“

Online-Petition mit 500 Unterschriften

Das Idyll könnte demnächst erhebliche Risse bekommen. Die Stimmung ist betrübt auf dem „Grünlandstaudenhof“. Zum Schutz seiner Hühner hat Walter Reißner drei Wohnwagen gespendet bekommen. Doch die Wagen sollen nach dem Willen der Stadt abgerissen werden. So stellen es er und weitere betroffene Hobby-Gärtner dar. Sie hätten plötzlich, nach Jahren Funkstille Post vom Amt bekommen. Ende Februar sollen Hühnerwagen, Klettergerüste, feststehende Pavillons, Campingwagen-Überdachungen abgebaut werden. An der Forststraße wird gerätselt: Warum?

Die Mieter und Eigentümer der Gärten an der Forststraße: Sie verstehen nicht, warum die Stadt jetzt aktiv wird.
Die Mieter und Eigentümer der Gärten an der Forststraße: Sie verstehen nicht, warum die Stadt jetzt aktiv wird. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Walter Reißner hat sich mit seiner herzlichen Art eine kleine Fangemeinde aufgebaut. Im Internet gibt es eine Petition, die bereits 500 Unterzeichner hat. Die Initiatorin schreibt in der Eröffnung herzzerreißend von dem Unrecht, das Walter Reißner widerfährt. Die Familie Reißner gebe alles, damit es Hühnern, Tauben und Enten gut gehe. Der Böse ist auch schnell gefunden: die Verwaltung, deren Handeln an „Unmenschlichkeit, Verachtung, Respektlosigkeit und Empathielosigkeit“ nicht zu überbieten sei.

Klettergerüst für Kinder soll abgebaut werden

An einem gewöhnlichen Wochentag. Das Licht scheint durch die Bäume auf das Kleinod an der Forststraße. Walter Reißner hat Betroffene um sich versammelt. Heiko Espai etwa, der vor Jahren ein Stück Land gekauft hat. Grabeland, wie es heißt. Im Glauben, alles montieren zu können, was innerhalb von 24 Stunden wieder abgebaut werden kann, hat er seinen Campingwagen mit einem Dach geschützt. Und weil die Enkelkinder im Garten gerne spielen und die Eichenprozessionsspinner ihr Unwesen treiben, hat er das Dach über die Terrasse verlängert. Nun soll der 61-Jährige alles zurückbauen. „Das ergibt keinen Sinn“, sagt er.

Dieser Pavillon ist nicht zulässig. Es soll bis Ende Februar wieder verschwinden.
Dieser Pavillon ist nicht zulässig. Es soll bis Ende Februar wieder verschwinden. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

2010 habe es mal eine Bestandsaufnahme gegeben. Alles, was auf den Gärten gestanden habe, dürfe bleiben, so Espai. Nun kam die Post. „Warum, wissen wir nicht.“ So wie Espai geht es vielen. 16 Hobby-Gärtner seien in Summe betroffen. Jezabel Rubichi etwa hat ein Klettergerüst mit Rutsche aufgebaut. Das soll wieder weg. Und Heinrich Neumann hat einen feststehenden Pavillon mit Plexiglas installiert sowie einen Schuppen für seine Geräte. „Das hält länger“, findet er.

Auch das Klettergerüst von Jezabel Rubichi verstößt gegen die Regeln. Die Schaukel darf stehenbleiben.
Auch das Klettergerüst von Jezabel Rubichi verstößt gegen die Regeln. Die Schaukel darf stehenbleiben. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Stadt erklärt: Deshalb muss zurückgebaut werden

Besonders das Vorgehen gegen Walter Reißner aber stört sie. Mit seinem Betrieb verwirkliche er doch den Nachhaltigkeitsgedanken. Die ausrangierten Wohnwagen seien viel langlebiger als Volieren. Außerdem kümmere er sich mit vielen Aktionen um die Gemeinschaft, stelle gesundes Obst und Gemüse her. Der Hühnermist werde von anderen Kleingärtnern gerne gekauft. Ein bisschen Landduft gehöre dazu. Eine runde Sache. Nicht ganz.

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Warum geht die Stadt gegen die Idylle vor? Die Gruppe sagt, sie wisse es nicht. Aber es gab wohl einen Streit mit einem Nachbarn. Die Stadt bestätigt auf Nachfrage, dass eine Beschwerde gegen Immissionen eingegangen ist. Daraufhin sei „bauordnungsrechtlich“ überprüft worden.

Auch Heiko Espai soll das Dach zurückbauen. Er hat das Grundstück vor Jahren gekauft.
Auch Heiko Espai soll das Dach zurückbauen. Er hat das Grundstück vor Jahren gekauft. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Die Stadt kam zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die vorgefundenen Anlagen sind formell und materiell unzulässig.“ Zusammengefasst: Für die Grundstücke gibt es keinen Bebauungsplan. Sie gelten aus Verwaltungssicht als „Flächen für die Landwirtschaft / Allgemeine Freiraum- und Agrarbereiche“, zudem würden sie dem „Landschaftsschutzgebiet 1.2.3 „Hühnerheide/Waldhuck“ zugehören. Innerhalb dieser Pläne gibt es strikte Regeln für Neu- oder Anbauten.

Stadt betont: Es gibt noch keine Anordnung zum Rückbau

Als die Verwaltung 2010 die Flächen prüfte, wurde nach Darstellung der Stadt mit dem damaligen Eigentümer vereinbart, dass die vorhandenen Anlagen weder erneuert noch erweitert werden dürfen. Im Fachjargon wurde eine „Duldung“ ausgesprochen. Die Stadt betont, dass es momentan noch keine Anordnung zum Rückbau gebe. Derzeit würden die Betroffenen angehört. „Nach abschließender Auswertung werden die Eigentümer und Pächter über das weitere Vorgehen informiert werden.“

Für Walter Reißner und die betroffenen Hobby-Gärtner bleibt das Vorgehen ein Rätsel. Die Anlage würde doch „verrotten“, sagt einer. Es wäre doch sinnvoll, sich um den Erhalt zu kümmern. Schon wegen des Stadtbildes. Auch Walter Reißner schüttelt den Kopf. In seinen abschließenden Worten mischen sich Nicht-Aufgeben-Wollen und Kann-man-nix-machen. „Mal sehen“, sagt er und winkt.