Oberhausen. Beim Frühschoppen in Oberhausen lachen Narren über Redner. Das wird im Karneval selten. Wolfgang Trepper nimmt die Sitzungsleiter in die Pflicht.

Das Fässchen Bier steht auf dem Tisch. Kostümierte Narren mit weißen Hemden und Hosenträgern hantieren am Zapfhahn. Sonntagmorgen, kurz nach 11 Uhr. Der Rheinische Herrenfrühschoppen in der Oberhausener Stadthalle galoppiert noch etwas verschlafen von der Startlinie. „War gestern lang“, rufen sie vom Tisch herüber. Die Ruhe vor dem Sturm. Büttenredner „Manni, der Rocker“ bereitet sich hinter der Bühne schon vor.

Die morgendliche Karnevalsparty hieß früher einmal Herrensitzung. 380 Männer sind erwartungsfroh und durstig. Für jecke Humoristen ist dieses Schunkelgebilde die Königsdisziplin. In den närrischen Sälen im Ruhrgebiet haben es Scherzbolde jedoch immer schwerer, Gehör zu finden, gehen oft im Quassel-Gewitter unter. Erste Oberhausener Vereine haben in dieser Session komplett darauf verzichtet. Warum ist das so?

Karneval: Büttenredner bessern bei Rohrkrepierern nach

Manfred-Martin Nutsch-Mai ist seit Jahrzehnten im Geschäft. Mimt zudem den Rechtsmediziner Dr. Gräter in der RTL-Serie „Staatsanwalt Posch ermittelt“. Diesmal trägt der Düsseldorfer eine Motorrad-Jacke und wird zu „Manni, der Rocker“. Und er macht nicht lange Faxen. Tach Männer - und los: „Weißt du wie man einen Doofen neugierig macht? Sag ich dir später!“

Es ist früh, die Herrensitzung hat erst die Stimmungskapelle Kaschäm gehört. Die Narren hören aufmerksam zu. „Ich habe in der Düsseldorfer Altstadt eine Eigentumswohnung“, sagt Nutsch-Mai und schiebt ein „versoffen“ hinterher. Die Männer sind unter sich. Die Scherze unterscheiden sich zum üblichen Prunkprogramm. Eiche rustikal! Orgasmus, dicker Hintern… alles dabei.

„Die Leute hören bei mir immer zu“, sagt der Büttenredner hinterher. „Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Ich rede über Dinge, die jeden Menschen etwas angehen.“ Auch seine kräftige Stimme helfe - und der Respekt vor dem Publikum.

Doch was macht der Helau-Profi, wenn ein Gag zum Rohrkrepierer wird? „Dann überarbeite ich den, so dass er zündet.“ Er arbeite das gesamte Jahr am erhofften Brüller. „Der Humor wird vom Publikum bestimmt. Wir als Künstler staunen manchmal selbst darüber.“ Eine einfache Formulierung könne einen Flop schon zum Hit ändern. „Am Ende lache ich selber über einen misslungenen Witz.“

Karneval: Kabarettist Wolfgang Trepper zieht sich aus dem Karneval zurück

Einer, der dagegen eine Zeitwende in der Karnevalsszene sieht, ist der TV-erfahrene Kabarettist Wolfgang Trepper. Der Rheinhausener steht in Oberhausen eine Stunde später auf der Bühne. Er muss mit gemäßigteren Witzen um die Gunst der sich nun schon in Fahrt befindlichen Männer kräftig ackern. Trepper hat kürzlich seinen Abschied von der Karnevalsbühne verkündet. „Am Karnevalssonntag ist Schluss. Das ist mir zu anstrengend.“

Trepper findet, dass Gäste bei den Prunksitzungen weniger zuhören. Er meint deutlich: „Die Leute sind am klassischen Sitzungskarneval nicht mehr interessiert. Sie wollen Events, Krach und Remmi-Demmi. Das ist wie den Ballermann nach Hause zu holen. Alles, was davon abweicht, hat es schwer.“

Wenn er auf die Bühne gehe, erkenne er gleich, was für ein Publikum ihn erwartet. „Stillere Passagen lasse ich in unruhigen Sälen weg - was sehr schade ist.“ Das habe auch etwas damit zu tun, wie eine Sitzung geleitet werde. „Die Sitzungspräsidenten haben viel mehr in der Hand als sie glauben.“ Das Publikum immer weiter nach oben zu puschen, würde es Büttenrednern schwerer machen.

Trepper: „Irgendwann wollen die Leute feiern, trinken und sich unterhalten, aber niemandem zuhören. Wer zwei Stunden nach dem Start bei einer Herren- oder Damensitzung auf die Bühne geht, ist schon ein Masochist.“

Karneval: Reiseroute auswärtiger Künstler bestimmt den Auftrittszeitpunkt

Die Uhrzeit für Lachsalven spielt in einer Sitzung also eine Rolle. Diese ist aber nicht immer vom Veranstalter beeinflussbar. Oberhausens Hauptausschuss-Geschäftsführer Klaus Kösling: „Der Zeitpunkt für den Auftritt, ist von der Reiseroute auswärtiger Künstler abhängig.“

Beim Rheinischen Frühschoppen buchte der Hauptausschuss Groß-Oberhausener Karneval (HA) das Programm bei der Arbeitsagentur Köln - samt der verfügbaren Zeitfenster. Manchmal müsse man sich entscheiden, den Wunschkünstler spät zu platzieren oder lieber auszutauschen.

Wolfang Trepper hat mit der närrischen Bühne seinen Frieden geschlossen: „Du musst im Karneval lernen, dass es nicht an dir liegt, ob etwas klappt oder nicht.“

>>> Rheinischer Frühschoppen - Männer feiern gut gelaunt

Der mehr als vierstündige Rheinische Frühschoppen in der Luise-Albertz-Halle kam beim Publikum gut an. Vor allem die Tanzgarden „Dürscheder Mellsäck“ (residieren zwischen Köln und Aachen), die Mülheimer Ruhrgarde und Oberhausener Prinzengarde erhielten viel Applaus.

380 Jecken feierten meist gut gelaunt in der großen Stadthalle - einige Plätze blieben aber frei. Früher lachten die Narren noch im kleineren Ebertbad. Hauptausschuss-Präsident Ludger Decker führte durchs Programm und sang zum Finale sein ehemaliges Prinzenlied „Wir sind stolz auf Oberhausen“.