Oberhausen. Das neue Bürgergeld hat Hartz-IV abgelöst – und diese Reform bietet den Jobcentern nach eigenen Angaben mehr Chancen, Arbeitslosen zu helfen.
Der Oberhausener Jobcenter-Chef Uwe Weinand betreut mit seinem Team rund 14.000 erwerbsfähige Menschen, die schon seit mehr als knapp zwei Jahren von Hartz IV leben müssen. Darunter sind nicht nur Arbeitslose, sondern auch Aufstocker mit zu geringem Lohn, Alleinerziehende oder Umschüler.
– und diese Reform beurteilt Weinand im Endergebnis als äußerst positiv.
„Die Hartz-Gesetze sind in einer Zeit entstanden, als viel mehr Menschen in Deutschland arbeitslos waren. Jetzt hat sich die Situation auf den Arbeitsmärkten stark verbessert; nun gibt uns das Bürgergeld mehr Möglichkeiten, um Arbeitslose längere Zeit in qualifizierte Berufe zu bringen“, sagt Weinand im Gespräch mit der Redaktion. Denn der früher vorgeschriebene Vorrang, Arbeitslose möglichst direkt in Arbeit (auch kurzzeitig) zu vermitteln, ist gefallen – zugunsten einer Qualifizierung für eine längere Ausübung eines neuen Berufes.
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Mitnichten ist nach Ansicht des Jobcenter-Geschäftsführers also der neue Bürgergeld-Ansatz nur ein frischer Marketingbegriff für alte Leistungen in anderer Verpackung. „Es hat sich mit der Reform Entscheidendes verändert, das wir positiv bewerten. Sie enthält Maßnahmen, die wir gut nutzen können.“
Jobcenter-Coach hilft künftig auch bei Alltagsproblemen
Als Beispiel nennt Weinand die künftig ab Juli 2023 einzusetzende Möglichkeit, Menschen, die längere Zeit keine regelmäßige Arbeit mehr ausübten, umfangreich zu coachen. „Dabei geht es nicht im Kern um reine Arbeitsbelange, sondern das Coaching findet ganzheitlich statt.“ Ein externer Berater kümmert sich umfangreich um den Bürgergeld-Bezieher – sogar bei Alltagsproblemen. „Musste jemand beispielsweise wegen Rückenproblemen seine Tätigkeit aufgeben und findet den Weg zu einem geeigneten Orthopäden nicht, dann hilft ihm der Berater dabei.“
Besserung in Sicht ist auch für Hartz-IV-Familien, die zögern, ihre Kinder in eine berufliche Ausbildung zu stecken. Denn der Lehrlohn wurde unter den Hartz-IV-Gesetzen praktisch komplett mit der Hartz-IV-Leistung verrechnet, dies ist ab 1. Juli vorbei: Arbeiten die Kinder in Schüler-/Studentenjobs oder lassen sie sich in einem Lehrbetrieb ausbilden, dann dürfen sie ihren Lohn zusätzlich zum Bürgergeld der Familie weitgehend behalten. „Dies fördert in hohem Maße, dass Eltern sich nicht der Ausbildung ihrer Kinder verschließen.“
Der Geschäftsführer des Jobcenters versichert, dass der Übergang ins Bürgergeld in Oberhausen reibungslos zum 1. Januar verlaufen sei. Die um 35 bis 53 Euro erhöhten Regelsätze seien pünktlich und komplett wie eh und je auf den Konten der Bürgergeld-Empfänger gelandet. Nur wenige betroffene Arbeitslose hätten sich angesichts der hohen Preissteigerungsraten beim Jobcenter gemeldet und darüber geklagt, dass die Erhöhung des früheren Hartz-IV-Satzes viel zu gering ausgefallen sei. „Positiv für die Menschen ist, dass ihre Lage bei Heizungskosten und Mieten nicht angespannt ist, weil Unterkunft und Kosten für die Wärme übernehmen wir vom Jobcenter.“
Hohe Stromkosten verursachen Langzeitarbeitslosen Probleme
Ein Problem stellen für einige Bürgergeldbezieher allerdings die hohen Stromkosten dar, die sie aus dem normalen Regelsatz begleichen müssen. Hier erarbeitet das Jobcenter zusammen mit der Energieversorgung Oberhausen (EVO) Lösungen, damit der Strom nicht abgeschaltet werden muss. Aber oft läuft diese Hilfe auch nur auf Ratenzahlungen der teuren Stromrechnung hinaus. „Am Ende muss der Strom aus dem Bürgergeld-Regelsatz von dem Betroffenen gezahlt werden“, räumt Weinand ein.
Dass die „Sanktionen“ für Arbeitslose bei Missachtung von Terminen und Vereinbarungen seit Januar mit „Leistungsminderungen“ nicht nur einen neuen Begriff haben, sondern abgemildert worden sind, kritisiert Jobcenter-Chef Weinand nicht. „Besser als früher hat der Bürgergeld-Bezieher die Möglichkeit, die Leistungsminderung sofort aus der Welt zu schaffen, wenn er beispielsweise die vereinbarte Weiterbildung besucht.“ Insgesamt sei der Arbeitslose, den die Jobcenter auch künftig konsequent „Kunde“ nennen, mehr als früher auf Augenhöhe mit den Jobcenter-Sachbearbeitern. „Wir fragen den Kunden, welche Idee er von seinem künftigen Arbeitsleben hat und wie wir die verwirklichen können. An diese Umstellung müssen sich einige noch gewöhnen.“