Oberhausen. Der Fachkräftemangel ist in aller Munde. Trotzdem bleiben Ausbildungsstellen unbesetzt. Zu Besuch in der Talentschule eines Berufskollegs.

Robert Batora redet nicht lange um den heißen Brei herum. „Leute, ihr könnt nicht alle TikTok-Stars werden. Wir brauchen auch Leute, die die Fassaden streichen.“ Der Geschäftsführer des Oberhausener Meisterbetriebs hängt zwar noch eine Entschuldigung für das Klischee der „Generation Z“ dran, doch seine Message ist klar: „Die Ausgangssituation, die ihr jetzt habt, ist traumhaft. Ihr werdet händeringend gesucht“, sagt der Innenausbau-Experte.

Batora stellt im Hans-Sachs-Berufskolleg sein Unternehmen vor. Er ist einer von 21 Vertretern, die junge Menschen der Talentschule über Ausbildungsmöglichkeiten informieren. Die Talentschule bezeichnet ein Landesprogramm, mit dem mehr junge Menschen für eine Ausbildung fit gemacht werden sollen. Das Hans-Sachs-Berufskolleg mit seinen 2200 Schülerinnen und Schülern ist eine der Talentschulen und kann durch die Landesförderung diese Projektwoche veranstalten.

Schulleiter: Ausbildung hat ein schlechtes Image

Vor Batora sitzen junge Männer, die noch nach dem richtigen Karriereweg suchen. Schulleiter Marc Bücker nimmt kein Blatt vor den Mund. Am Berufskolleg würden die landen, die negative Erfahrungen im Bildungssystem gemacht hätten. Die Folge: „Das Image des Ausbildungsberufs verschlechtert sich.“ Wer eine Ausbildung mache, habe es im Bildungssystem nicht geschafft. Deshalb müssten Ausbildungsberufe eine höhere gesellschaftliche Wertschätzung erfahren.

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Das Interesse an diesem Vormittag spricht eine ganz andere Sprache. Bei Elektro Koppen hören die jungen Männer gebannt zu, wenn Marcel Wiesner die Ausbildungswege erläutert. Beim Oberhausener Traditionsunternehmen werden derzeit 17 Auszubildende angelernt. Referent Wiesner sagt, dass ein Realschulabschluss nicht mehr zwingend erforderlich sei. Ein Bewerber mit einem guten Hauptschulabschluss werde ebenfalls eingeladen, wenn er keine Fehlzeiten habe und viel Interesse für den Beruf mitbringe.

Fachkräftemangel – aber fast 100 Lehrstellen unbesetzt

Die Unternehmen passen sich an, müssen sich anpassen. Denn der allgegenwärtige Fachkräftemangel betrifft auch das Handwerk. Dabei kam im Jahr 2022 in Oberhausen auf eine Ausbildungsstelle nicht mal ein Bewerber. Die Chancen stehen besser als noch vor vielen Jahren, eine Ausbildung zu bekommen. Trotzdem blieben 2022 bis Ende September 97 Stellen unbesetzt. Das waren 60 weniger als im Vorjahr.

Erwartet einen nahbaren Arbeitgeber: Alessandro Burgaz (18).
Erwartet einen nahbaren Arbeitgeber: Alessandro Burgaz (18). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Man kann daraus eine positive Entwicklung ableiten. Doch wieso bleiben überhaupt Stellen unbesetzt, wenn der Mangel an Fachkräften so groß ist? Die Unternehmerseite skizziert gelegentlich ein Bild von anspruchsvollen Jugendlichen, die beim Bewerbungsgespräch nach einer 25-Stunden-Woche und einem Dienstwagen fragen.

Tatsächlich erlebt das Talentschule-Team um Katharina Kemper zwar auch, dass sich die jungen Menschen nach Geld und Urlaubstagen erkundigen. Doch bei der Fragerunde von Elektro Koppen zeigt sich, dass es den Interessenten oft an Informationen fehlt: Welche Anforderungen werden benötigt? Welche Aufstiegschancen gibt es?

Wünscht sich Verständnis: Kadir Kalayci (18).
Wünscht sich Verständnis: Kadir Kalayci (18). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Schüler wünschen sich offenes Ohr des Arbeitgebers

In einer Umfrage dieser Redaktion eint die Teilnehmer, dass sie sich als flexibel einschätzen. Was sie allerdings erwarten: Respekt. „Ich stottere manchmal. Ich möchte deshalb, dass mein Arbeitgeber Verständnis für mich hat“, sagt Kadir Kalayci. Der 18-Jährige habe bei einem Praktikum mal keinen Ton herausgebracht. Körperliche Arbeit sei für ihn kein Problem. Auch Alessandro Burgaz sagt, dass ihm die Arbeitszeit nicht wichtig sei: „Ich wünsche mir, dass ich einen Arbeitgeber habe, mit dem ich reden kann, zu dem ich eine echte Beziehung habe.“ Nico Juranek, 18: „Ich wünsche mir, dass mein Arbeitgeber mir Zeit gibt und nicht gleich in eine große Gruppe steckt. Ich würde auch gerne gefördert werden.“

Schulleiter Bücker ist froh über die Landesförderung. Durch das Programm habe das Berufskolleg sechs Stellen mehr. Dadurch könnten die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler genauer in den Blick genommen werden. Denn: „Die Welt ist komplexer geworden.“

Will gefördert werden: Nico Juranek (20).
Will gefördert werden: Nico Juranek (20). © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn