Oberhausen. Karten für den Auftritt von John Scofield gibt’s schon ab 40,50 Euro. Vielleicht stattet der Gitarrist sogar der Rehberger-Brücke eine Visite ab.
„Slinky“ nannte John Scofield die putzmunteren ersten sieben Minuten seines Grammy-prämierten 2015er Albums „Past Present“. Da war’s doch eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis der inzwischen 71-jährige Superstar der Jazzgitarre auch mal Oberhausen seine Aufwartung macht – nicht nur um diese lustig federnde Rehberger-Brücke über den Rhein-Herne-Kanal kennenzulernen.
Jetzt ist es soweit: Und „Sco“ (denn für diesen Könner reicht seinen bewundernden Mitmusikern eine knappe Silbe) hat sich für seinen Solo-Auftritt am Montag, 22. Mai 2023, um 20 Uhr genau richtig entschieden: nämlich für die intime Atmosphäre und erstklassige Akustik des Ebertbades. In der Badeanstalt können die Verehrer seines ungemein satten, kraftvoll-eleganten Gitarrentons dem Meister tatsächlich auf die Finger schauen. Zeitlupenaufnahmen braucht’s dafür auch nicht, denn dieser Saitenkünstler – aufgewachsen im beschaulichen Wilton, Connecticut (wie übrigens auch der „Take Five“-Pianist Dave Brubeck) – rast nicht superartistisch übers Griffbrett wie John McLaughlin. Nein, John Scofield genießt die Melodien, nimmt sich Zeit, kostet das Zusammenspiel aus.
Qualitäten, die Miles Davis als Mehrfach-Erneuerer des Jazz zu schätzen wusste: Er nahm den 30-jährigen „Sco“ (der auch seine Karriere nicht im Galopp absolvieren musste) in seine Comeback-Band auf. Auf „Star People“, dem 1983er Album des Trompeters, präsentierte sich der Absolvent des Berklee College – der weltgrößten Hochschule für zeitgenössische Musik – noch wie ein lupenreiner Blues-Gitarrist. Doch Scofields musikalische Vorlieben sind so vielfältig wie die Scharen seiner prominenten Mitspieler: Die beiden „Überjam“-Alben sind ein hochvergnüglicher Tanz mit allen angesagten Rhythmen des 21. Jahrhunderts. Auf „That’s what I Say“, seinem Tribut an das R’n’B-Genie Ray Charles, spielt sich Scofield mit den Rock-Gitarristen John Mayer und Warren Haynes die melodischen Geniestreiche zu.
„Kleine Bangigkeit“ vor der allerersten Solo-Tournee
Und wie der inzwischen weißbärtige Kahlkopf auf dem überaus ironisch betitelten Grammy-Album „Country for Old Men“ den alten Dolly Parton-Heuler „Jolene“ mit Hingabe verjüngt – das lässt die Version von „The BossHoss“ geradezu alt aussehen. Im wunderbaren Einsteiger-Buch „111 Jazz-Alben, die man gehört haben muss“ heißt es treffend über Scofield: „Sein Gitarrenspiel ist die pure Lust am Sound, am Formen und Kneten von Klängen“. Dabei haben Gitarristen unter den „111 Alben“ nur eine schmale Chance: Neben „Sco“ sind noch der drei Jahre jüngere Pat Metheny dabei sowie John McLaughlin und (als Jungspund von 57 Jahren) der Österreicher Wolfgang Muthspiel.
Doch selbst ein gestandener Meister, der am zweiten Weihnachtstag seinen 71. Geburtstag feierte, kann sich noch nervös wie ein Debütant fühlen: Denn statt einer ausufernden Künstler-Biografie präsentiert die Ebertbad-Webseite in ihrer Programm-Rubrik zweisprachig einen Text von John Scofield persönlich – und der erzählt geradezu anrührend von seiner „kleinen Bangigkeit“, erstmals nach 56 Jahren als Gitarrist ganz alleine auf der Bühne zu stehen: Er sei schließlich kein Andrés Segovia (1893 bis 1987), kein Grande der klassischen spanischen Gitarre.
Ein Jahr der Vorbereitung investierte „Sco“ in seine erste Solo-Tournee und verspricht dem Publikum: „Ich werde es songbasiert halten und Jazz-, Country- und Rock-Melodien spielen, die ich liebe.“ Und sollte ihm doch ein Mitspieler fehlen, will er sein Loop-Pedal einsetzen, um sich selbst zu begleiten. Vielleicht lässt sich ja auf diese Weise sogar „Slinky“ in melodiöse Bewegung setzen.
Solo im Bad und mit Band auf der Kinoleinwand
Bei freier Platzwahl gibt’s die Karten für John Scofields Solo-Auftritt im Ebertbad ab 40,50 Euro, online erhältlich via ebertbad.de.
Noch preisgünstiger erlebt man den Jazzgitarristen nur noch auf der Kinoleinwand – nämlich in der hingebungsvollen Doku „Inside John Scofield“ von Jörg Steineck. Eine vergleichbare Hommage an einen (im erweiterten Sinne) darstellenden Künstler gab’s filmisch zuletzt 1999 mit „Being John Malkovich“.