Oberhausen. Seit Wochen beobachten Passanten mitten in der Oberhausener Innenstadt einen riesigen Baukran. Wir blickten hinter die Kulissen.

Man sieht nicht viel, wenn man an dem Gebäude Marktstraße 51 bis 55 entlangläuft. Nur, dass hier eine Baustelle ist, seit ziemlich langer Zeit schon. Absperrgitter, ein großes Gerüst, Baufahrzeuge, ein Kran – was hier passiert, bleibt für normale Passanten mysteriös. Beim Richtfest für das künftige Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung warfen wir einen Blick hinter die Fassade – und somit auch auf das, was von dem geschichtsträchtigen Gebäude noch übrig geblieben ist.

Was mag wohl gewerkelt werden hinter dieser bezäunten Fassade? Das fragen sich bestimmt viele Besucher der Marktstraße.
Was mag wohl gewerkelt werden hinter dieser bezäunten Fassade? Das fragen sich bestimmt viele Besucher der Marktstraße. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

Wer den kleinen Eingang findet, der für die Bauarbeiter freigelassen wurde, und eintritt in das Haus, staunt. Man steht inmitten eines ziemlich großen, hohen Raums. Dunkel noch und in diesen Tagen eisigkalt, aber auch vielversprechend. Durchschreitet man ihn – Vorsicht, Baumaterial und Pfützen! – so steht man völlig unvermittelt wieder im Freien.

Dahinter geht es weiter, mit einem Gebäudeteil, der auf die Paul-Reusch-Straße zeigt. Alles ist viel größer, als man mit dem Blick von außen erwartet. Dass auf dem Areal hier, in luftiger Mitte, zwischen einmal ein begrünter Innenhof sein soll, in welchem künftige Lehrerinnen und Lehrer ihren Kaffee trinken können, erfordert viel Phantasie. Noch gleicht es hier einer historischen Stätte mit einigen Ruinen.

50er-Jahre-Kaufhaus wurde zur Problem-Immobilie

Verfallen ist dieses Gebäude jedoch nicht, davor hat Eigentümer Stephan Heine es bewahrt. Sein Großvater war einer von zwei Bauherren, die hier gemeinsam in den 1950er-Jahren ein großes Kaufhaus errichteten. Einige werden es noch kennen: „Kaufhalle“. Später teilten Targobank und Thalia sich die Verkaufsräume. Darüber gab es Wohnungen, die hinteren Gebäudeteile standen lange leer. Als dann das Geldinstitut und die Buchhandlung auszogen, weil ihnen die Miete zu hoch war, sei das Gebäude zum „Problemfall“ geworden, sagt Heine bei seiner Ansprache unterm Richtkranz.

Noch ist es kaum vorstellbar: Hier wird sich, unter begrüntem Dach, ein Café befinden. Das neue Lehrerseminar in der Oberhausener City entsteht auf den Überresten eines ehemaligen Kaufhauses.
Noch ist es kaum vorstellbar: Hier wird sich, unter begrüntem Dach, ein Café befinden. Das neue Lehrerseminar in der Oberhausener City entsteht auf den Überresten eines ehemaligen Kaufhauses. © FUNKE Foto Services | Gerd Wallhorn

„Eine so große Ladenfläche ist inzwischen schlecht zu vermieten auf der Marktstraße“, sagt der Investor. Er habe dann mit dem Architekten die Idee gehabt, das Gebäude aufzubrechen und einen schönen Innenhof zu schaffen. Ein attraktives Extra für die künftige Mieterin. Simone-Tatjana Stehr, CDU-Ratsfraktionsvorsitzende und im Hauptberuf Leiterin des Zentrums für Lehrerausbildung, wird hier für ihre 300 Referendarinnen und Referendare und das 80-köpfige Betreuer-Team 1800 Quadratmeter in Anspruch nehmen. Was mit den weiteren Flächen geschieht, ist noch offen. Einiges wäre möglich, auch, weil die Lehramtsanwärter sich nur an zwei von fünf Werktagen hier tummeln werden, wie Stehr es beschreibt. „An den anderen Tagen wird es hier ruhig.“

City-Geschäfte sollen vom Lehrerseminar profitieren

Die Stätte zur Ausbildung der Referendare, das Lehrerseminar, sitzt in Oberhausen seit Jahren auf dem Babcock-Gelände an der Duisburger Straße. Den Umzug zur Marktstraße für das Lehrerseminar wünscht sich Stehr für 2023 „zwischen dem ersten und zweiten Quartal“. Das Projekt hat sich verzögert – und kostet viel mehr als geplant: Statt vier Millionen Euro (2020) beläuft sich die Investition nun auf 7,5 Millionen Euro. Sie erhofft sich viele Vorteile: Das neue Domizil soll nicht nur optisch ein Schmuckstück werden, mit Terrassen und Gemeinschaftsflächen, auch werden die Seminarräume flexibel nutzbar und mit neuester Technik ausgestattet.

Und: Der alte Standort sei sehr abgelegen gewesen. In Zukunft sind nicht nur öffentliche Verkehrsmittel fußläufig erreichbar, sondern auch Bäckereien und Cafés. Die Geschäftsleute und Gastronomen in der Innenstadt würden auf jeden Fall von den neuen Nachbarn profitieren. Die klimafreundliche Begrünung von Dächern und Fassaden soll der City zusätzlich Gutes tun.

Da liegt sie ganz auf einer Linie mit Oberbürgermeister Daniel Schranz, der das Bauprojekt als „Best Practice“ bezeichnet, als vorbildlich für die Belebung der Innenstadt, indem ehemalige Geschäftsflächen modernisiert und neu genutzt werden. „Hier zeigt sich, wie es geht“, sagt Schranz. „Der Handel alleine wird es nicht richten.“