Oberhausen. Da liegen bei den Anwohnern des Ruhrparks in Oberhausen die Nerven blank: Die Stadt hat dort Tausende Bäume fällen lassen. Das ist der Grund.
Die Bagger haben ganze Arbeit geleistet: So weit das Auge reichte, lagen bis vor wenigen Tagen im Feuchtbiotop Alstaden stattliche Baumstämme säuberlich aufgestapelt zum Abtransport bereit. „Dieser Kahlschlag soll die Natur in unserem Ruhrpark schützen?“ Etliche Anwohner können das nicht glauben und wenden sich erneut besorgt an diese Redaktion. Eine Oberhausenerin zeigte sich nach einem Spaziergang entsetzt: „Der Anblick weiterer soeben gefällter hundert Bäume schockiert mich in Zeiten des Klimawandels zutiefst.“ Wir machen uns ein Bild vor Ort – und können ihren Schrecken nachvollziehen.
Denn der einstige – von vielen Oberhausenerinnen und Oberhausenern geliebte – Wildwuchs im Ruhrpark hat sich tatsächlich auf mehreren Fußballfeld-großen Flächen gelichtet. Beim Anblick der gefällten Bäume aber lagen bei den Anwohnern einmal mehr die Nerven blank. Das war schon so, als die ersten Rodungsarbeiten im Februar 2022 im nördlichen Bereich der Halde starteten. Die Stadt kennt die Proteste, lässt aber davon unbeirrt weiterarbeiten – auf insgesamt bis zu fünf Hektar.
Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten
Das steckt dahinter: Das im Landschaftsschutzgebiet „Ruhrpark/Ruhraue“ gelegene und gesetzlich geschützte Biotop „Halde Alstaden“ hatte sich nach dem Abtrag der alten Halde rasch zu einem Lebensraum für viele gefährdete Tier- und Pflanzenarten entwickelt. „Das Gebiet ist von herausragender Bedeutung für den Biotopverbund und die Grünflächenvernetzung im Oberhausener Süden“, betont Stadtsprecher Frank Helling. Mit der Zeit aber seien die Bäume und Sträucher verwildert und stark gewachsen. „Dieser unregulierte Gehölzwuchs wirkte sich negativ auf das Biotop aus.“
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So hätten dort früher Teichrohrsänger, Rohrammern und Wasserrallen gebrütet. „Vogelarten, die auf Gewässer mit ausgedehntem Schilfgürtel angewiesen sind.“ Doch Wasser und Schilf seien von den vielen Bäumen zunehmend verdrängt worden – mit ihnen verschwanden die seltenen Vogelarten.
„Unser Ziel ist die Freilegung dieser Gewässer, damit die spezifische Flora und Fauna zurückkehren kann“, führt Helling die Planungen des städtischen Bereichs Umwelt aus und gerät dabei genauso wie seine Kollegen ins Schwärmen. Denn das, was die Stadt da in Alstaden plane, soll sich künftig zum Vogelparadies entwickeln. Auch Nistangebote für Eisvögel und Uferschwalben wird es geben. Ein Wildzaun soll Tiere und Pflanzen künftig vor allzu neugierigen Besucherinnen und Besuchern schützen. Damit diese dennoch einen guten Überblick über das bunte Treiben erhalten, errichtet die Stadt eine Aussichtsplattform mit Vogelbeobachtungswand und Informationstafeln.
Seit Anfang Oktober rollten im Ruhrpark in Oberhausen die Bagger
Bei den Biotopen handelt es sich genau genommen um einen zusammenhängenden Ringkomplex aus Wasserflächen, der genau so wieder sichtbar werden soll. Wie viele Bäume für diese Maßnahme insgesamt weichen mussten, kann der Stadtsprecher nicht sagen. Dafür aber dies: „Der komplette Rodungsplan ist mit den Naturschutzverbänden abgestimmt.“ Die gesamte Wasserfläche werde vergrößert, damit eine Zone entsteht, auf die die Sonne scheinen kann. Denn das bedeutet: „Beste Lebensbedingungen für Hochstauden, Röhrichtsäume und Seerosen in den Uferbereichen.“
In enger Zusammenarbeit mit Naturschützern
Die Rettung des Feuchtbiotops im Ruhrparksoll bis Ende 2022 abgeschlossen sein. Die Gesamtkosten betragen rund 600.000 Euro. Die Finanzierung ist zu 100 Prozent über das EU-Förderprogramm „Grüne Infrastruktur“ abgedeckt.
Erste Überlegungen zu einer ökologischen Renaturierung der Halde Alstaden gab es bereits 2016 im Rahmen von Fachgesprächen zwischen dem Bereich Umwelt der Stadt Oberhausen und der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet.
Das komplette Konzept ist mit der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet sowie Vertretern der örtlichen Naturschutzverbände, des Naturschutzbeirats und der Höheren Naturschutzbehörde abgestimmt. Die Gestaltung der Informationstafeln erfolgt mit Schülerinnen und Schülern der Bismarckschule.
Die im Februar 2022 auf rund 250 Quadratmetern gefällten Bäume, erzählt Helling, sind nur eine vorbereitende Maßnahme für die Errichtung der Beobachtungsplattform gewesen. Erst seit Anfang Oktober ging es an das großflächige Freilegen des Gebietes und genau dafür rollten die Bagger auch noch bis in den November. Inzwischen sind die Arbeiten fast abgeschlossen. Auch die Baumstämme und das übrige Holz- und Wurzelmaterial hat die von der Stadt beauftragte Firma „Wald und Flur“ schon abtransportiert. „Wir warten nur noch auf ein paar trockene Tage, um auch den letzten kleinen Teil der Wurzeln noch beseitigen zu können“, erläutert Geschäftsführer Ulrich Poertgen.
Insgesamt mussten Sträucher und Bäume auf einer Fläche von bis zu fünf Hektar weichen. „Dabei blieben ökologisch sensible Bereiche wie Horstbäume mit einer entsprechenden Schutzzone selbstverständlich ebenso erhalten wie die Gehölze am Rand des Feuchtbiotops“, führt Stadtsprecher Frank Helling aus. Der Oberhausener Reimund Walther hat die Fortschritte der Arbeiten mit seiner Kamera festgehalten. Er ist sich sicher: „Aus diesem verwilderten Kleinod entsteht ein endlich wieder funktionierendes Ökosystem.“