Oberhausen. Das Tückische bei Darmkrebs: Die Symptome sind recht unklar. Und wenn sich die Krankheit bemerkbar macht, ist sie oft weit fortgeschritten.

Männer sind Vorsorgemuffel – das Klischee können Dr. Ali Avci und Dr. Axel Döhrmann bestätigen. Die beiden Mediziner sind auf den Magen-Darm-Trakt spezialisiert und haben daher häufig mit Erkrankungen zu tun, die viele Menschen lieber verdrängen. Zum Beispiel Darmkrebs. Dabei sei gerade diese Krankheit eine mit hohen Heilungschancen. Wenn man denn nicht den Gang zum Arzt scheut – und zwar am besten, wenn man dafür noch gar keinen Anlass sieht.

Doch nicht nur Männer vermeiden die Darmkrebs-Vorsorge, sondern auch Frauen. Dabei sind sie, wie das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Internetseite schreibt, sogar häufiger von der Krankheit betroffen als Männer: Darmkrebs ist die zweithäufigste Tumorerkrankung bei Frauen, die dritthäufigste bei Männern. Mehr als 60.000 Menschen in Deutschland erkranken jährlich daran. Besonders Menschen über 50 Jahre sind betroffen. Darum übernehmen die Krankenkassen auch hier die Kosten für die Vorsorgeuntersuchungen.

Pandemie: Viele Menschen gehen erst zum Arzt, wenn es nicht mehr anders geht

Dr. Ali Avci ist Leiter der Klinik für Innere Medizin am Ameos Klinikum St. Clemens in Oberhausen.
Dr. Ali Avci ist Leiter der Klinik für Innere Medizin am Ameos Klinikum St. Clemens in Oberhausen. © Ameos

Das Tückische bei Darmkrebs: „Die Symptome sind relativ unspezifisch“, erklärt Dr. Ali Avci, neuer Leiter der Klinik für Innere Medizin am Ameos Klinikum St. Clemens in Oberhausen. Betroffene nehmen zum Beispiel ab oder bemerken Blut im Stuhl, führen dieses aber womöglich auf Hämorrhoiden zurück, obwohl es ein Tumor ist, der blutet. Wenn diese Symptome auftreten, ist die Krankheit oft schon fortgeschritten. Darum betont Dr. Avci, wie wichtig die Vorsorge-Untersuchungen sind: „Wenn man nicht zur Vorsorge geht, steigt das Risiko, die Krankheit nicht zu überleben.“ Die Darmspiegelung reduziere dieses Risiko erheblich.

Während der Corona-Pandemie haben Medizinerinnen und Mediziner bundesweit sogar eine Verschiebung hin zu höheren Stadien der Erkrankung beobachtet, berichtet Dr. Döhrmann, Leiter des Darmkrebszentrums bei St. Clemens. Viele Menschen sind, wohl wegen der Isolationsmaßnahmen und der Angst sich anzustecken, erst zum Arzt gegangen, wenn es nicht mehr anders ging.

Patient „verschläft“ die Darmspiegelung

Doch die Zahl derjenigen, die die Vorsorge-Untersuchung wahrnehmen, ist ohnehin gering: Bei den Frauen seien es 30 Prozent, bei den Männern lediglich 20, berichtet Dr. Avci, der die Darmspiegelungen durchführt. Die klingt allerdings auch nicht gerade einladend. Die, im Fachjargon, Koloskopie beginnt für die Patientinnen und Patienten bereits am Abend vorher – mit dem Abführmittel. Danach gilt: Nichts mehr essen und nur noch Wasser trinken. Ist der Darm komplett leer und sauber, findet am nächsten Tag die Untersuchung statt. „Die verschläft man“, beruhigt Dr. Avci. „Man kriegt nichts mit.“

Während der Patient oder die Patientin „schläft“, sich also in Vollnarkose befindet, untersuchen die Fachleute den Darm durch den After mit einem Endoskop. Das ist eine kleine Kamera an einem langen, beweglichen Rohr, mit dem das Organ von innen ausgeleuchtet werden kann. Zeigen sich dabei Polypen, also Vorwölbungen der Darmschleimhaut, die zu Darmkrebs entarten können, werden diese direkt bei der Koloskopie entfernt. Nach etwa 20 Minuten ist die Untersuchung vorbei und der oder die Untersuchte wieder bei Bewusstsein.

Betroffene zu heilen, ist auch für die Ärzte eine schöne Erfahrung

Dr. Axel Döhrmann ist Leiter des Darmkrebszentrums beim Klinikum St. Clemens in Oberhausen.
Dr. Axel Döhrmann ist Leiter des Darmkrebszentrums beim Klinikum St. Clemens in Oberhausen. © Ameos

Sollte sich tatsächlich herausstellen, dass eine Person Krebs hat, informieren sie die Ärzte aber erst darüber, wenn es keinen Zweifel mehr gibt, also wenn alle Ergebnisse vorliegen. In einem „angemessenen Rahmen“ klärt Dr. Döhrmann die Betroffenen dann darüber auf, dass sie „Darmkrebs“ haben. „Die meisten wollen den deutschen Begriff hören, damit sie wissen, womit sie es zu tun haben.“

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Dann erstellen er und seine Kolleginnen und Kollegen einen Behandlungsplan. Je nachdem, wie weit der Krebs fortgeschritten ist, sieht dieser anders aus. Pro Jahr operiert der Chefarzt der Allgemeinchirurgie im Durchschnitt über 70 Darmkrebs-Erstpatienten. „Bei fortgeschrittenen Stadien muss man sich aber oft gegen die Operation entscheiden und zunächst eine Chemotherapie machen, um die Metastasen loszuwerden“, erklärt er. Auch eine Immuntherapie, bei der gezielt nur die Krebszellen durch das eigene Immunsystem bekämpft werden, sei eine Option.

Am Ende steht natürlich das Ziel, den Betroffenen zu helfen. Und die Chancen stünden bei Darmkrebs gut, wenn die Vorsorge-Angebote wahrgenommen werden, betonen die Ärzte. „Eine früh erkannte Erkrankung, die vollständig geheilt werden kann, ist ein Erfolgserlebnis“, fasst Dr. Döhrmann es zusammen. „Das tut uns auch gut.“

>>>Info:

Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Früherkennung von Darmkrebs für Menschen ab 50 Jahre: Zwischen 50 und 54 Jahre kann der Stuhl einmal pro Jahr auf verstecktes Blut untersucht werden. Männer ab 50 und Frauen ab 55 Jahre erhalten innerhalb von zehn Jahren zweimal eine Darmspiegelung. Ab 55 Jahre können Menschen ihren Stuhl alle zwei Jahre untersuchen lassen, wenn keine Darmspiegelung gemacht wurde.

Wer Angst vor einer Darmspiegelung hat, dessen Darm kann auch mittels Computertomographie untersucht werden. Zwar kann man mit dieser Methode auch Veränderungen erkennen, aber beispielsweise Polypen nicht gleichzeitig entfernen, sodass anschließend eine Darmspiegelung durchgeführt wird, erklärt Dr. Ali Avci. Und auch für die Computertomographie ist ein Abführmittel nötig.