Oberhausen. Kitaplatz suchen und Bafög beantragen – können Oberhausener bald an einem einzigen Ort. Das hilft besonders jenen, die bisher abgehängt waren.

Wer Kinder hat, kann Hilfe gut gebrauchen. Erst muss eine Hebamme gefunden werden, später dann ein Kitaplatz, ein Schwimmkurs, eine Ferienbetreuung. Elterngeld beantragen, Bafög, vielleicht auch eine Mutter-Kind-Kur – dies alles kann Nerven, Zeit und Geld kosten. Und wie bitte soll man wissen, wo es die passenden Informationen gibt, noch dazu, wenn man neu in der Stadt ist oder der deutschen Sprache nicht mächtig? Viel zu viele Mütter und Väter nehmen die zahlreichen Angebote, die es in Oberhausen gibt, gar nicht wahr. Weil sie sie nicht kennen oder sich nicht trauen. Das will die Stadt jetzt ändern und plant ein „Haus der Familie“, eine zentrale Anlaufstelle zum Wohlfühlen.

„Manche fallen einfach durchs Raster“

Immer wieder schaut die Stadt sich an, wie es den Familien in Oberhausen geht. In Familienbefragungen, Sozialberichten und Expertendialogen habe sich wiederholt gezeigt, dass insbesondere jene, für die es passende Hilfsangebote gibt, diese überhaupt nicht in Anspruch nehmen. So kennen zum Beispiel viele Alleinerziehende, kinderreiche Familien und Familien mit Migrationshintergrund Unterstützungsleistungen wie den Oberhausen-Pass, die Familienkarte oder die Hilfen freier Träger überhaupt nicht und Jugendlichen sind die Freizeit- oder Ferienangebote in der Stadt häufig nicht bekannt. „Manche fallen da einfach durchs Raster“, sagt Jürgen Schmidt, der Oberhausener Dezernent für Familie. Hinnehmen will er das nicht. Nicht nur, aber besonders auch in Corona-Zeiten sei es wichtig, jede Familie zu erreichen.

Jürgen Schmidt, Dezernent für Familie, Bildung, Integration und Sport in Oberhausen
Jürgen Schmidt, Dezernent für Familie, Bildung, Integration und Sport in Oberhausen © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Mit Fördergeldern ließ die Stadt deshalb als ersten Schritt ein Konzept erstellen. Geschrieben wurde es vom Verein „Familiengerechte Kommune“ und bezahlt aus dem Fördertopf des Landesprogramms „Kinderstark – NRW schafft Chancen“. Darin werden die Vermutungen der Stadt bestätigt: Unter anderem ist zu lesen, dass Vergünstigungen oder spezielle Angebote in Oberhausen oft nicht abgefragt oder Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket nicht in Anspruch genommen werden. Hierbei könne eine zentrale Anlaufstelle helfen, die für die Familien kurze Wege bedeuten und eine Vernetzung unter den verschiedenen Akteuren ermöglichen würde.

Spielecke neben Schuldnerberatung

„Manche kommen auch nicht, weil sie sich nicht wohlfühlen“, sagt Jürgen Schmidt. Deshalb soll im neuen „Haus der Familie“, was zurzeit noch ein Arbeitstitel für das Projekt ist, eine „Aufenthaltsqualität“, sprich Wohlfühl-Atmosphäre, herrschen. Mit einer Spielecke für Kinder und einem Ort zum Austausch für Eltern. Dort könne es dann auch wechselnde Infoangebote zum Beispiel der Schuldnerberatung oder zu Erziehungsfragen geben. „Die Familien sollen sich nicht an zig Stellen wenden müssen, sondern an einem Ort alles finden, was sie brauchen“, sagt Schmidt. Weshalb er auch für einen zentralen Ort für das „Haus der Familie“ plädiere. Denn auch mehrere dezentrale Orte in besonders kinderreichen oder problembehafteten Stadtteilen seien eine mögliche Option. Die Innenstadt sei ein favorisierter Standort, sagt der Dezernent: „Hier leben viele Familien, die Unterstützungsbedarf haben.“ Auch sei eine gute Erreichbarkeit mit Bus und Bahn dann gewährleistet.

Ein Viertel lebt mit dem Risiko für Armut

Im Konzept zum „Haus der Familie“ heißt es: „Die Auswertung der Berichte und Befragungen ergibt, dass vor allem diejenigen Familien keine Kenntnis von Unterstützungs- und Beratungsangeboten der Stadt haben, die sie eigentlich am meisten benötigen. Dies sind Familien, die alleinerziehend sind, mindestens drei im Haushalt lebende Kinder haben, einen Migrationshintergrund aufweisen oder Leistungen nach SGB II beziehen.

Der höchste Anteil von Familien mit den genannten Eigenschaften an der Bevölkerung lebt in den Sozialquartieren Innenstadt, Lirich-Süd, Brücktorviertel, Marienviertel-Ost, Osterfeld-Mitte/Vonderort sowie Marienviertel-West. In diesen Sozialquartieren liegt ein erhöhtes Armutsrisiko vor. Insgesamt wohnt über ein Viertel der Oberhausener Bevölkerung in Gebieten mit einem insgesamt hohen Armutsrisiko und geringen Teilhabechancen.

Das Konzept „Haus der Familie“ wurde bereits in politischen Gremien diskutiert – und hat auch schon Kritik geerntet. „Es gibt die Diskussion darüber, ob es andere Angebote ersetzen soll“, sagt Jürgen Schmidt. Dies sei jedoch absolut nicht geplant oder so gemeint. Nur ein Viertel der Oberhausener Kitas seien bisher Familienzentren und nur sechs von 30 Grundschulen. Von Konkurrenz könne da keine Rede sein, nur von Ergänzung. Das volle Programm von Neugeborenenkursen bis zur Jugendberufsberatung können diese ohnehin nicht leisten. Vielmehr will das „Haus der Familie“ sich mit den Familienzentren ebenso vernetzen wie es auch Schulen, Vereine, Kirchen, Moscheen und Unternehmen einladen will, sich zu beteiligen.

In der nächsten Ratssitzung am 13. Dezember wird die Verwaltung den Vorschlag machen, das vorliegende Projekt-Konzept nun speziell auf die Oberhausener Bedürfnisse zuzuschneiden. Ab dann wird das Ganze auch Geld kosten: Gehalt für eine federführende Person. „Diese muss die Lebenssituationen der Familien gut kennen“, wünscht sich Jürgen Schmidt. dass die geschätzten 80.000 Euro Gehalt im Etat der Jugendhilfe an anderer Stelle eingespart werden müssen, sei unausweichlich, aber machbar.

+++ Sie wollen keine Nachrichten aus Oberhausen verpassen? Dann können Sie hier unseren abendlichen und kostenlosen Newsletter abonnieren! +++

+++ Sie interessieren sich für Familien-Nachrichten aus dem Ruhrgebiet? Dann abonnieren Sie hier unseren Familien-Newsletter! +++

+++Sie suchen das beste Restaurant im Revier? Oder den schönsten Biergarten? Der neue Gastro-Newsletter gibt Antworten. Und enthält zusätzlich jede Menge News aus der Gastro-Szene im Ruhrgebiet. Hier kostenlos anmelden!+++