Oberhausen. Die große Vorweihnachts-Produktion des Theaters will dem Berliner Flair und dem kecken Ton Erich Kästners treu bleiben. Premiere am 12. November.

Seit 90 Jahren junggeblieben: Aus Erich Kästners Erzählung „Pünktchen und Anton“ wurden im 21. Jahrhundert eine Kinderoper und ein Musical; die wunderbare Isabel Kreitz schuf einen Comic-Roman aus dem Abenteuer von 1931 und selbst ein „Pünktchen und Anton“-Brettspiel war kurzzeitig auf dem Markt. Das kecke Grips-Theater im Berliner Hansaviertel durfte die Geschichte vom reichen Mädchen und dem armen Jungen sogar zum Spiel mit Migrationshintergrund ummodeln – Kästners Erben hatten zugestimmt.

Eine Fülle möglicher Referenzen also für die erste große Vorweihnachts-Produktion der Intendanz von Kathrin Mädler: Am Samstag, 12. November, um 16 Uhr steigt im Theater Oberhausen die Premiere des „Krimis“ für zwei clever ermittelnde Kinder. Und Ingrid Gündisch weiß als Regisseurin um die überragende Qualität der „Kästner für Kinder“-Bände, die kleinen Menschen stets auf Augenhöhe begegnen – und damit viel schwungvoller und moderner waren als vieles, was nach ihnen kam. „Kinderliteratur war lange sehr langweilig“, weiß die Regisseurin.

17 Jahre ist’s her, dass „Pünktchen und Anton“ im Theater Oberhausen zuletzt auf der Weidendammer Brücke bettelten.
17 Jahre ist’s her, dass „Pünktchen und Anton“ im Theater Oberhausen zuletzt auf der Weidendammer Brücke bettelten. © Theater Oberhausen | Axel J. Scherer

Ihr junges Publikum aber merke sofort, „wenn es ein inszenatorisches Loch gibt“, wie die 45-Jährige sagt. Dann, und nur dann, könnten die Mädchen und Jungen im Großen Haus zappelig werden und das Zuschauen als Zumutung empfinden. Das aber steht bei diesem Stoff aus der Zeit der Weltwirtschaftskrise nicht zu befürchten – längst nicht allein wegen so mancher Parallelen zur Gegenwart. „Freundschaft bereichert und versetzt Berge“, für Ingrid Gündisch ist’s das zentrale Thema der Erzählung. „Sie wird damit zum Vorbild für die Erwachsenen.“

Kindliche Helden mit Witz, Frechheit und Lebensmut

Pünktchen, die eigentlich Luise heißt, lebt in einer herrschaftlichen Wohnung mit zehn Zimmern samt Dienstpersonal – und ist nach heutigen Maßstäben ein bisschen „wohlstandsverwahrlost“: Die Eltern haben keine Zeit, der Fabrikanten-Beruf und die gesellschaftlichen Ereignisse von Oper bis Ball gehen vor. Anton weiß zwar seine kranke Mutter zuhause in der Wohnung; doch er muss den Haushalt schmeißen und obendrein abends auf der Weidendammer Brücke aus seinem kleinen Bauchladen Schnürsenkel verkaufen.

Klingt tieftraurig? Nicht bei Kästner, der seine kindlichen Helden mit jeder Menge Witz, Frechheit und Lebensmut ausstattet. Am wortwitzig-übermütigen Berliner Schmiss des (aus Dresden stammenden) Autors wollte die Regisseurin denn auch nicht rühren: „Wir haben nur wenige Begriffe leicht modernisiert“, erklärt Ingrid Gündisch. Mit dem Bühnenbild und den Kostümen von Franziska Isensee aber rücke „Pünktchen und Anton“ in eine „Fantasiezeit: Sie lässt die Kinder in eine andere Welt schlüpfen.“

Die Regisseurin weiß, dass Kästner mit seiner großen Sympathie für die Kinder die Erwachsenen mit „karikaturhaften Zügen“ überzeichnet – doch derart grell soll’s auf der Bühne des Großen Hauses nicht zugehen: „Mich interessiert, wie sich die ganze Familie findet und die scheinbar Unnahbaren wieder sympathisch wirken.“ Also ein echter Punktegewinn für Pünktchens mondäne Frau Mama und für Fräulein Andacht, jenes Kindermädchen, das ausgerechnet mit dem Ganoven Robert anbandelt.

Kriminell gute Musik: Gitarrist Peter Engelhardt, hier mit Dominique Horwitz in „Moi non plus“, komponierte für „Pünktchen und Anton“.
Kriminell gute Musik: Gitarrist Peter Engelhardt, hier mit Dominique Horwitz in „Moi non plus“, komponierte für „Pünktchen und Anton“. © Theater Oberhausen | Birgit Hupfeld

Der Krimi-Part, schwärmt Ingrid Gündisch, sei „sehr spannend: Meine Fünfjährigen sind ganz aus dem Häuschen“. Schließlich sind weder Pünktchen noch Anton vor dem grobianischen Galan sonderlich bange. Für eine atmosphärische „Thriller“-Musik sowie zwei Tänze und einen schmissigen Schluss-Song sorgt übrigens der (nicht nur aus dem Ebertbad nebenan) berühmte Gitarrist Peter Engelhardt.

Ein Dackel wie vom Kästner-Zeichner

Fehlt nur noch „Piefke“, jener Dackel, den Pünktchen immer wieder vergeblich zu verwegenen Kunststücken erziehen möchte. Die Requisite habe damit, sagt die Regisseurin, „ein kleines Kunstwerk geschaffen“: An ihm hätte selbst Kästners kongenialer Zeichner Walter Trier seine Freude gehabt.