Oberhausen. Die Oberhausener Bäckerei Horsthemke hat etwa 100 Filialen. Im Interview spricht Geschäftsführerin Sandra Heldt über Krisen und Veränderungen.
Etwa 100 Filialen hat Horsthemke über das Ruhrgebiet verteilt. Aus einer kleinen Bäckerei in Oberhausen ist ein Filialnetz mit 250 Mitarbeitenden und tausend Kräften im Verkauf geworden. Die Corona-Pandemie ging allerdings auch nicht spurlos an dem Oberhausener Unternehmen vorbei. Das Wort Probleme vermeidet Geschäftsführerin Sandra Heldt allerdings. Sie spricht lieber von Herausforderungen und wirft den Blick auf die positiven Dinge: In der Corona-Pandemie sei niemand entlassen worden; als das Ahrtal geflutet worden sei, habe man sofort mitgeholfen. Und dem Nachwuchs biete man mit der eigenen Horsthemke-Akademie Zukunftsperspektiven. Dennoch kämpft auch das Unternehmen mit Personalmangel. Ein Gespräch über Krisen und Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.
Haben Sie sich in der Corona-Pandemie Sorgen um Horsthemke gemacht?
Sandra Heldt: Wenn so unvorhergesehene Dinge passieren, die ein solches gesellschaftliches Ausmaß nehmen, dann würde ich meiner Verantwortung nicht gerecht werden, wenn ich nicht darüber nachdenke, was das für uns bedeutet. Wir haben uns keine Sorgen gemacht, dass wir insolvent werden könnten – das nicht. Aber wir haben uns Gedanken gemacht, was wir unternehmen, wie wir diese Krise überstehen können.
Wie hoch war der Umsatzverlust in der Pandemie?
Heldt: Wir hatten mit deutlichen Umsatzeinbußen zu kämpfen, weil unsere Cafés und Filialen, beispielsweise im Centro, teilweise über viele Monate geschlossen werden mussten. In 2020 hatten wir dadurch Umsatzeinbußen von etwa 30 Prozent.
Hat die Corona-Pandemie den Fachkräftemangel verschärft?
Heldt: Ich glaube, dass Corona zu einer gesellschaftlichen Veränderung beigetragen hat. Viele Menschen haben sich neu orientiert. Es entsteht ein Wandel.
Welche Veränderungen waren das?
Heldt: Die Menschen denken anders über Arbeit und Freizeit nach. Dadurch hat sich auch die Arbeitsmarktsituation geändert. Viele Menschen denken konkreter über Dinge nach, die sie wirklich möchten. Wir als Unternehmen müssen uns anpassen und überlegen, wo wir die Wünsche unserer Mitarbeiter erfüllen können.
Welche Wünsche sind das?
Heldt: Zum Beispiel sind die Arbeitszeitmodelle, die wir bieten, stärker gefragt: Teilzeitausbildung, Schichten für Mütter, 2-Tage-Woche. Wir bieten mittlerweile viele Alternativen. Und die Menschen wissen zu schätzen, dass wir flexibel sind.
Im Hotel- und Gastronomiegewerbe setzen einige schon auf die 4-Tage-Woche. Glaube Sie, dass das die Zukunft ist?
Heldt: Das vermag ich nicht zu beurteilen, weil ich nicht abschätzen kann, was Energiekrise und Inflation bewirken. Gäbe es diese Faktoren nicht, wäre ich mir sicher, dass dahin der Weg gehen wird. Die 4-Tage-Woche bieten wir allerdings auch schon an.
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Gerade die Bäckereien klagen über Nachwuchssorgen.
Heldt: Viele wissen gar nicht, was für ein toller Beruf der Beruf des Bäckers ist: Er geht über das reine Handwerk hinaus. Ich muss mich mit Physik, Chemie, Technik auskennen. Das wissen viele gar nicht. Dasselbe ist es im Verkauf. Ich muss organisatorisch tätig sein, viele Themen im Blick haben. Ich brauche Zuneigung zu Menschen und Kreativität. Es ist einfach sehr vielfältig. Wir reden hier gerade beim Bäckerberuf über ein Handwerk, um das uns in seiner Qualität die ganze Welt beneidet. Ich würde nicht von Nachwuchssorgen sprechen, das ist mir zu negativ. Wir sehen es als eine weitere Herausforderung. Daher verfügen wir über ein sehr gutes Ausbildungsmarketing, dass jungen Menschen unsere Berufe näher bringt. Klar ist: der Aufwand wird auch hier immer höher.
Nach der Corona-Pandemie folgte gleich die nächste Krise. Wie wirken sich die gestiegenen Energiepreise aus?
Filiale wiedereröffnet
Der Fachkräftemangel wirkte sich bei Horsthemke konkret in der Marktstraße aus. Dort musste eine der beiden Filiale schließen. Nun konnte die Filiale wiedereröffnet werden.
Horsthemke setzt nach eigenen Aussagen stark auf den Nachwuchs. Jährlich werden rund 30 junge Menschen ausgebildet. Die Übernahmequote liegt laut Horsthemke bei 90 Prozent.
Heldt: Wie alle andere schauen auch wir, wo wir Energie sparen können. Da drehen wir gerade jeden Stein um. Wir machen eigentlich das, was alle anderen Haushalte auch machen: Früher die Lichter ausmachen, Geräte nur noch so lange benutzen wie nötig und so weiter.
Sie haben aber auch sehr viele Backöfen.
Heldt: Natürlich. Aber auch da ist es wie Zuhause. Ich lasse den Ofen nur an, wenn ich ihn brauche. Genauso wie die Kühltheken, die nachmittags ausgeschaltet werden können, wenn sich die Ware reduziert hat.
Wird das Brot in diesem Winter teurer?
Heldt: Das Brot wird teurer, definitiv. Wie teuer genau, kann ich nicht sagen. Jedenfalls können und wollen wir das, was auf uns zuströmt, nicht 1:1 an den Kunden weitergeben. Deshalb überlegen wir zunächst, wo wir Prozesse verschlanken können, ohne die Qualität und den Service einzuschränken.
Sind Sie auch von den Auswirkungen des Krieges betroffen?
Heldt: Nicht unmittelbar. Wir beziehen unser Mehl aus Deutschland und wir verwenden regionale Inhaltsstoffe. Aber was viele nicht wissen: Russland ist ein großer Düngemittelzulieferer. Die Bauern und Futtermittelbetriebe müssen nun anderweitig den Dünger teurer einkaufen. Dadurch lässt sich ein Teil der Kostensteigerung bei Getreide, Molkereiprodukten, Fleisch etc. erklären.
Stellen sie sich auf weitere Umsatzeinbußen ein?
Heldt: Ich hoffe nicht. Ich hoffe, dass der Bedarf und die Lust an frischen und qualitativ hochwertigen Backwaren weiterhin vorhanden sein wird.
Ich sehe uns, das heißt unsere Filialen, gerade in dieser Zeit als einen Ort der Zusammenkunft, an dem es unseren Kunden gut geht. Als einen Ort, Menschen zu treffen, sich wohl zu fühlen, sich auszutauschen und sich ein Stück Wohlgefühl und Genuss mitzunehmen. Und wir freuen uns natürlich auch zeigen zu dürfen, dass wir ein traditionsreiches Handwerk erhalten.