Oberhausen. Wer hätte das gedacht: In einem Hinterhof am Friedensplatz steht ein Stück israelische Geschichte. Zwar nur im Nachbau, aber dennoch besonders.
Das Original steht in der Altstadt von Jerusalem und ist eine heilige Pilgerstätte ebenso wie ein Ort politischer Auseinandersetzungen: die Klagemauer, Sehnsuchtsort für Juden aus aller Welt. Hier sprechen sie ihre Gebete, verbinden sich mit Gott, indem sie die mächtigen Steinblöcke berühren und Botschaften, Gedanken und Wünsche auf Zettel schreiben und in die Ritzen stecken.
Auch Lev Schwarzmann, Vorsitzender der Liberalen Jüdischen Gemeinde Oberhausen, hat diesen besonderen Ort schon besucht und seine mystische Atmosphäre erlebt. Er wollte, dass alle Menschen in Oberhausen, ob jüdisch oder nicht, die Chance erhalten, ein bisschen von diesem „Symbol der Hoffnung und des Glaubens“ zu erleben. Dies können sie nun im Hinterhof der Gemeinderäume am Friedensplatz 15, wo ein gelungenes Stück Kunsthandwerk an das Original-Bauwerk erinnert.
Die echte Klagemauer, die von den meisten Juden nur Westmauer genannt wird, weil sie die westliche Umfassungsmauer des zerstörten Jerusalemer Tempels war, hat eine lange und ereignisreiche Geschichte. Lev Schwarzmann kennt sie genau und möchte sie gerne weitergeben. „In erster Linie wünschen wir uns, dass Schüler kommen“, spricht der 75-Jährige eine Einladung an alle Bildungsstätten der Stadt aus. Mit dem Stück Klagemauer im Hof, so verspricht er sich, könnten Jugendliche die jüdische Geschichte und Kultur besser begreifen.
Sie haben etwas zum Anschauen und Anfassen, auch wenn es sich natürlich nicht um echtes Gestein handelt, das hier in 12 Schichten zu sehen ist, sondern um eine Konstruktion aus Styropor. Die Höhe von etwa sechs Metern imponiert jedoch ebenso wie die im Maßstab 2:1 einem Original-Ausschnitt der Klagemauer nachempfundenen Einzelteile. Als Vorlage diente den beiden handwerklich begabten Gemeindemitgliedern Juri Storozev und Oleg Usherenko eine Fotografie aus Jerusalem. „Wir haben jeden Stein einzeln nachgemacht“, erklärt Schwarzmann stolz die Herangehensweise.
Briefe an Gott werden nach Israel zur echten Klagemauer geschickt
Auch an der Oberhausener Klagemauer der Liberalen Jüdischen Gemeinde wird es die Möglichkeit geben, sich schriftlich an Gott zu richten, was die orthodoxen Juden übrigens für Frevel halten, wie Schwarzmann zu berichten weiß. Hier darf dieses liebgewonnene Ritual vollzogen werden. Die Nachrichten sollen in einer aufgestellten Box gesammelt werden, da sie zwischen den unechten Steinen nicht halten würden. „Wir werden die Zettel zwei Mal im Jahr an Freunde in Israel senden, die sie dann zur Klagemauer bringen werden“, sagt Schwarzmann. Vor Ort werden sie dann in dem 48 Meter langen und 18 Meter hohen Mauerwerk platziert. Dort werden alle Zettel im Frühjahr und Herbst zu den bedeutenden Feiertagen Pessach und Rosch ha-Schana entfernt und auf dem Friedhof auf dem Ölberg begraben.
Die Oberhausener „Mauer des Weinens“, wie sie in Lev Schwarzmanns Muttersprache Russisch heißt, soll nicht nur ein Ort für Gebete sein. „Wir werden hier unsere Feiern ausrichten mit einer Bühne für Konzerte und Filmprojektionen an der Mauer“, sagt der Ideengeber für das Projekt voller Vorfreude. Für die Finanzierung des Projektes, das mehrere Monate Zeit in Anspruch genommen hat, verwendeten sie Zuwendungen des NRW-Programms „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“. Schwarzmann ist überzeugt, dass das Ergebnis bei Besuchern gut ankommen wird. „So etwas gibt es nur bei uns.“