Oberhausen. „Perusch“, die Liberale Jüdische Gemeinde, hat jetzt einen als Verein eingetragenen Freundeskreis. Die kleine Gemeinde setzt auf Hilfe ihrer Förderer.

Das Logo des neuen Vereins ist gestaltet wie „Hamsa“, jenes Glücks-Amulett in Form einer Hand, das im Judentum ebenso verbreitet ist wie in der arabischen Welt. Hier trägt die Hand den schwungvoll stilisierten Leuchter, das Emblem der Liberalen Jüdischen Gemeinde: „Von einem Freundeskreis haben wir seit zehn Jahren geträumt“, sagt Lev Schwarzmann, der Vorstandsvorsitzende von „Perusch“, der Gemeinde am Friedensplatz. „Jetzt ist es gelungen. Wir brauchen Hilfe und Unterstützung.“

Bereits im August des Vorjahres hatten sich 18 Gründungsmitglieder zusammengefunden. Inzwischen ist der Verein eingetragen – und ein hochkarätiges Konzert bietet die Gelegenheit, sich allen Oberhausenern bekannt zu machen. Denn bei der Bekanntheit besteht Nachholbedarf – obwohl „Perusch“ ein reges Gemeinde- und Kulturleben pflegt und sich so gerne wie unkompliziert auch der Mehrheitsgesellschaft öffnet. Dr. Günther Holtmeyer vom neuen Vorstand betont: „Es ist eine Besonderheit dieser Gemeinde, wie offen sie ist.“ Der Rentner kann vergleichen: Er engagiert sich seit Jahren auch in Moschee-Führungen und bei der türkischen Gemeinde Oberhausens.

„Perusch“ ist das Gegenteil einer Parallel-Gesellschaft

Desbina Kallinikidou vom städtischen Büro für Interkultur weiß als erste Vorsitzende des neuen Freundeskreises: „Perusch“ ist das Gegenteil einer Parallel-Gesellschaft. „Sie können hier freitags an jeder Schabbat-Feier teilnehmen“, ergänzt ihre Stellvertreterin Claudia Wädlich. „Man freut sich über Menschen anderer Religionen.“

Juwelen jüdischen Chansons und Tangos

Mit seinem ersten Auftritt in der Öffentlichkeit setzt der junge Freundeskreis gleich ein Ausrufezeichen: Denn Sharon Brauner und Karsten Troyke haben beide einen exzellenten Namen als stilvolle Erneuerer jüdischer Musiktraditionen. Mit zwei weiteren Musikern präsentieren sie am Sonntag, 17. April, um 16 Uhr im Kolpinghaus, Paul-Reusch-Str. 66, ihr Konzertprogramm „Ich hob dich viel zu lieb“.

Wieder-Entdecker jüdischen Tangos

Die Berlinerin Sharon Brauner ist als Nichte des großen Filmproduzenten Artur Brauner fast seit Kindesbeinen im Filmmetier ebenso zu Hause wie auf Konzertpodien. Jiddischen Evergreens widmete sich die 47-Jährige erstmals vor zwölf Jahren mit dem Album „Jewels“ und der gleichnamigen Tournee. „Zusammen mit dem Musiker und Pianisten Harry Ermer wurden die Lieder, die zum Teil Jahrhunderte alt sind, in ein neues musikalisches Gewand gehüllt und in die Gegenwart geholt“, schreibt Sharon Brauner auf ihrer Homepage. „Ein bunter Mix mit Elementen aus Swing, Jazz und Pop, Walzer und Tango.“

Als DER Botschafter des Jiddischen Liedes gilt ihr aktueller Tournee-Partner Karsten Troyke. Der Chansonnier und Schauspieler erhielt für sein Album „Yiddish Anders“ den Preis der deutschen Schallplattenkritik. Eines der jüngsten Alben des 55-Jährigen heißt „Yiddish Troubadour“ – und das trifft genau die Vielfalt seines Schaffens. Außerdem darf Karsten Troyke als Wieder-Entdecker des in den 1920er Jahren populären „jüdischen Tangos“ gelten. Das Publikum darf sich auf ein facettenreiches Konzert freuen.

Schließlich lebt die liberale Gemeinde selbst Multikultur: Ihre Rabbinerin Natalia Verzhbovska hält die Gottesdienste dreisprachig – hebräisch, russisch und deutsch. „Und unser Chor Rina singt in zehn Sprachen“, versichert Lev Schwarzmann. Außerdem pflegt die Gemeinde neben geschliffenem Gesang auch Theater und Tanz – der kleine Gemeindesaal hat deshalb eine Spiegelwand. Denn anders als wohl die meisten jüdischen und auch christlichen Gemeinden hat „Perusch“ mehr Aktive als eingeschriebene Mitglieder.

„Unsere Angebote nutzen auch Angehörige der Einheits-Gemeinde“, erklärt Lev Schwarzmann. Manchmal sei es eben der gemeindeeigene Friedhof, der sie bei der rund 2600 Mitglieder zählenden Großgemeinde Duisburg-Mülheim-Oberhausen bleiben lässt.

Der Traum von einer eigenen Synagoge

108 Gemeinden in Deutschland sind unter dem Dach des Zentralrats der Juden als – meist mitgliederstärkere und konservativ geprägte – Einheitsgemeinden organisiert. Die 25 Gemeinden der Union Progressiver Juden sind überwiegend Gründungen der letzten beiden Jahrzehnte. Körperschaften öffentlichen Rechts sind beide Verbände.

„Wir sind so arm wie die Synagogenmäuse“, sagt Lev Schwarzmann. Der Freundeskreis soll also ebenso Förderverein sein wie Brückenbauer zur Mehrheits-Gesellschaft. Und dass es selbst für eine kleine Gemeinde möglich ist, den Traum von einer eigenen Synagoge zu verwirklichen, zeige „haKochaw“, jene Gemeinde in Unna, in der Natalia Verzhbovska ebenfalls als Rabbinerin wirkt.