Oberhausen. Dem Theater Oberhausen machte der jetzt 92-jährig verstorbene Günter Lamprecht das schönste Kompliment: „Hier ist es menschlicher.“

Andere hatten noch einen „Koffer in Berlin“. Der gebürtige Berliner Günter Lamprecht hinterließ ein Köfferchen in Oberhausen – mitsamt einer Reiseschreibmaschine, Marke Triumph von 1959, damals abgestottert per Ratenzahlung. Eine von vielen freundlichen Gaben des jetzt mit 92 Jahren verstorbenen Schauspielers an das 60 Jahre lang hochgeschätzte Revier.

Will man warmherzige Worte eines wirklich Großen aus Theater und Kino über Oberhausen lesen, landet man fast unweigerlich bei Günter Lamprechts Erinnerungen: „Hier ist alles sinnlicher, hier ist es menschlicher, hier fühlen sich nicht alle zu Höherem geboren.“ So schrieb es der begnadete Erzähler seiner eigenen Lebensgeschichte im zweiten Band mit dem Titel „Ein höllisches Ding, das Leben“. Wie dieser Lebenshungrige als 29-Jähriger seine Zeit am Theater Oberhausen genossen hat, ist darin mit Blick fürs lebenspralle Detail erzählt.

Zu Lesungen kehrte Günter Lamprecht immer wieder gerne ins Revier zurück. Hier präsentiert er 2009 seine Erinnerungen „Ein höllisches Ding, das Leben“ im Theater Oberhausen.
Zu Lesungen kehrte Günter Lamprecht immer wieder gerne ins Revier zurück. Hier präsentiert er 2009 seine Erinnerungen „Ein höllisches Ding, das Leben“ im Theater Oberhausen. © FFS | Foto: Tom Thöne

Dabei war doch der Weg nach Oberhausen für den gelernten Orthopädiemechaniker und späteren Stipendiaten der Max-Reinhardt-Schauspielschule ganz klar „ein Abstieg“. So sah es jedenfalls Hans Schalla, der berühmte Bochumer Intendant jener Jahre (von 1949 bis 1972), der dem kantigen Berliner sein erstes festes Engagement gegeben hatte – und naserümpfend von „Oberhäuschen“ sprach.

Koloraturen und kreischende Sägen im Theaterhof

Doch genau das meinte der selbstbewusste Proletarier Lamprecht mit seiner kleinen Spitze von den „zu Höherem“ Berufenen. Das mit etlichen An- und Umbauten aus einem Gasthaussaal entstandene Dreispartenhaus in Oberhausen beschrieb er in seinen Memoiren geradezu genussvoll kakophonisch: „In den Werkstätten wird von morgens bis abends gearbeitet. Da hört man die Koloraturen einer Sängerin, das Kreischen einer Bandsäge, einen Sänger bei der Probe mit begleitender Klaviermusik, das Hämmern aus dem Malersaal.“ So hörte er’s staunend im kleinen Innenhof.

Günter Lamprecht startete durch mit vier Premieren in den ersten vier Wochen – sinnigerweise mit Thornton Wilders „Unsere kleine Stadt“. Hauptrollen waren noch nicht dabei, aber auch vorm Operettenfach schreckte der 29-Jährige nicht zurück – und war der Kriegsgott Mars in „Orpheus in der Unterwelt“.

„Heftig, geradlinig und hochsensibel für alle Formen der Ungerechtigkeit“: Derart treffend hatte sein Verleger, Helge Malchow von Kiepenheuer & Witsch, Lamprecht charakterisiert, als es 2010 galt, ihm in Oberhausen den großen Kulturpreis der Sparkassen-Kulturstiftung zu verleihen.