Oberhausen. Das Angebot ist das einzige seiner Art im westlichen Ruhrgebiet. Es richtet sich auch an Männer in Mülheim, Duisburg und im Kreis Wesel.

Die Fallzahlen bei häuslicher Gewalt sind in den vergangenen Jahren konstant hoch und haben insbesondere während der Corona-Zeit noch zugenommen. „Wir sehen das zum Beispiel bei der Telefonseelsorge“, berichtet Michael Kreuzfelder, Direktor der Oberhausener Caritas. Darum gibt es auch viele Angebote für die Opfer, oftmals Frauen – doch an wen wenden sich einsichtige Täter, die ihr Verhalten ändern wollen?

In Oberhausen gibt es für sie nun eine Anlaufstelle. Das Projekt „Gewaltfrei“ der Caritas richtet sich an Täter häuslicher Gewalt – in drei Viertel der Fälle Männer – die aus der Gewaltspirale ausbrechen wollen und Unterstützung suchen. Nicht nur aus Oberhausen, sondern auch aus Duisburg, Mülheim und dem Kreis Wesel.

Entfernung soll keine Hürde sein

Es ist das erste Angebot dieser Art im westlichen Ruhrgebiet. Bislang mussten diejenigen, die den Mut aufgebracht und die eigene Scham überwunden haben, eine weitere Hürde nehmen. Denn Unterstützung fanden sie erst im rund 40 Kilometer entfernten Mettmann oder im 50 Kilometer entfernten Dortmund. Diese Hürde soll mit der in Oberhausen gelegenen Anlaufstelle nun wegfallen.

Das Angebot, das sich an Männer ab 18 Jahre richtet, startet mit drei jeweils einstündigen Einzelgesprächen. Hier wollen die Mitarbeitenden feststellen, ob die Hilfe suchende Person für das Training und die gemeinsame Arbeit geeignet ist. Die Täter müssten bereit sein, „den Finger in die Wunde zu legen“, erklärt Charlene Vogt von der Oberhausener Caritas und Teil des Projekts. Sie müssten für ihr Handeln die 100-prozentige Verantwortung übernehmen.

25 Gruppensitzungen à zwei Stunden

Sind die Voraussetzungen erfüllt, folgen 25 Gruppensitzungen mit acht bis zehn Teilnehmern, die jeweils zwei Stunden dauern. Die Männer setzen sich hier mit aktuellen Konflikten auseinander, mit den eigenen Gewalterfahrungen und Gefühlen. Und sie erlernen gewaltfreie Handlungsstrategien. Ziel ist es, dass sie in Zukunft nicht mehr gewalttätig werden.

Im Bild (v.l.): Caritasdirektor Michael Kreuzfelder, Britta Costecki (Gleichstellungsbeauftragte Oberhausen), Andrea Schmidt (Einrichtungsleiterin bei der Caritas), Rachida Brigui (Gleichstellungsstelle Duisburg), Antje Buck (Gleichstellungsstelle Mülheim), Lilian Spogahl (Gleichstellungsstelle Wesel) und Charlene Vogt (Fachkraft im Projekt „Gewaltfrei“) haben das Projekt bei einer Pressekonferenz vorgestellt.
Im Bild (v.l.): Caritasdirektor Michael Kreuzfelder, Britta Costecki (Gleichstellungsbeauftragte Oberhausen), Andrea Schmidt (Einrichtungsleiterin bei der Caritas), Rachida Brigui (Gleichstellungsstelle Duisburg), Antje Buck (Gleichstellungsstelle Mülheim), Lilian Spogahl (Gleichstellungsstelle Wesel) und Charlene Vogt (Fachkraft im Projekt „Gewaltfrei“) haben das Projekt bei einer Pressekonferenz vorgestellt. © FUNKE Foto Services | Kerstin Bögeholz

Am Ende sollen davon natürlich nicht nur die Täter selbst profitieren, sondern auch ihr Umfeld, Partnerinnen und Partner, Kinder. „Täterarbeit ist auch Opferschutz“, erklärt Kreuzfelder. „Ein ganzes System leidet unter der Gewalt und ihren Folgen.“ Zum Beispiel Kinder, die ein falsches Konfliktverhalten erlernen oder sich Sorgen machen um die Mutter. Gleichzeitig betont der Caritas-Direktor den christlichen Grundsatz, allen Menschen Hilfe zuteil werden zu lassen: „Auch Täter sind Menschen.“

Dort ansetzen, wo die Gewalt anfängt

Jetzt wolle man an der Stelle ansetzen, wo die Gewalt anfängt. Bisher hätten dafür die Mittel gefehlt. Das hab sich dank einer Verbesserung der Fördermöglichkeiten durch das Land NRW nun aber geändert. Finanziert wird das Projekt „Gewaltfrei“ mit Mitteln des NRW-Familienministeriums, das 85 Prozent der Personalkosten (im Jahr 2023 sind das zum Beispiel 43.558,73 Euro) und pro Jahr pauschal 5000 Euro der Sachkosten trägt, sowie von den beteiligten Städten Oberhausen, Mülheim, Duisburg und dem Kreis Wesel (im kommenden Jahr sind das 17.769,28 Euro). Die beiden Ansprechpartner in Oberhausen teilen sich eine 75-Prozent-Stelle und arbeiten im Tandem.

Die ersten Beratungsgespräche sollen noch in diesem Jahr stattfinden. Nach Beenden aller Sitzungen gibt es noch ein Abschlussgespräch, erklärt Charlene Vogt. Sie betont aber: Man darf sich auch danach noch melden. Aus dem Projekt in Mettmann weiß sie: „Es gibt Täter, die sich wieder melden.“ Aber die seien nicht immer rückfällig geworden. Die Möglichkeit der erneuten Kontaktaufnahme diene also auch dazu, einem Rückfall vorzubeugen.

In Mettmann sei die Nachfrage nach dem Angebot sehr hoch, berichtet Vogt. Es gebe eine lange Warteliste. Umso wichtiger, dass es für die Menschen im westlichen Ruhrgebiet nun eine eigene Anlaufstelle gibt.

Kontakt zum Caritas-Angebot

Wer an dem Angebot der Caritas interessiert ist, erreicht die Ansprechpartner telefonisch und per Mail: , 0174 1702643 oder 0163 8808696 (Charlene Vogt und Simon Biedenbach). Täter können sich entweder selbst melden oder von anderen Stellen an das Projekt verwiesen werden.

Die Räume sind noch nicht bezugsfertig, werden aber ab Januar 2023 an der Dorstener Straße 200 in Oberhausen-Sterkrade zu finden sein. Offiziell gestartet ist das Projekt am 1. Juli 2022. Mehr Infos gibt es auf https://www.caritas-oberhausen.de/gewaltfrei.