Oberhausen. Während viele übergewichtig sind, gibt es kaum Angebote für XXL-Mode. Aus ganz Deutschland reisen Männer deshalb zu einem Oberhausener Modeladen.
Auf den ersten Blick sieht das Oberhausener Modegeschäft von Thomas Grefermann eher unspektakulär aus: Blaue Jeans liegen sauber gefaltet im Holzregal, daneben steht ein Drehständer mit T-Shirts in bunten Farben. Doch die Kunden, die im Laden auf der Havensteinstraße 31 einkaufen gehen, kommen aus ganz Deutschland angereist. Hier werden Übergrößen bis 16XL verkauft, die sonst im ganzen Land kaum zu finden sind. Der Inhaber und ein Kunde berichten von den Herausforderungen des Übergrößen-Shoppings – und warum viel Feingefühl beim Verkauf gefordert ist.
Kunde: „Als großer Mann fällt das Centro zum Shoppen komplett raus“
Als Philipp Steinhaus erfährt, dass seine Schwester heiratet, freut er sich sehr, denkt aber auch mit flauem Bauchgefühl daran, wie schwierig es wird, ein passendes Outfit für diesen besonderen Tag zu finden. „Große Modeketten und Einkaufszentren wie das Centro fallen zum Shoppen komplett raus. Als sehr großer oder übergewichtiger Mann findet man dort einfach nichts Passendes, erst recht keine festliche Kleidung“, erzählt Steinhaus.
Dabei wächst die Nachfrage nach großen Größen in Deutschland seit Jahren: Laut dem Statistischen Bundesamt sind in Deutschland rund 54 Prozent aller Erwachsenen übergewichtig, damit liegt Deutschland knapp über dem EU-Durchschnitt von 53 Prozent. Besonders häufig sind Männer von Übergewicht betroffen, hier liegt der Schnitt in der Bundesrepublik sogar bei 61 Prozent unter allen Erwachsenen. Doch während man sich in anderen Ländern, beispielsweise den USA, an große Größen anpasst und immer mehr Angebot auf den Markt kommt, sind Übergrößen-Läden in Deutschland rar gesät.
Jeanspreise für XXL-Modelle zwischen 79 und 190 Euro
Bei „Große Größen Grefermann Herrenmode“ finden „kräftige Jungs“, wie Inhaber Thomas Grefermann seine Kunden nennt, dennoch alles, was das große Herz begehrt: Von Jacken, Sakkos und Pullovern über Jeans, Schuhe und Sportbekleidung bis hin zu Bademode und Unterwäsche. Drei Mitarbeiterinnen und Grefermann selbst stehen von Montag bis Samstag rund zehn Männern am Tag beratend zur Seite. Dabei müssen die Kunden nicht zwingend mehr Geld in die Hand nehmen, als in anderen Läden – eine Jeans gibt es hier ab 79 Euro zu kaufen, in Größe 84 kostet die Hose allerdings auch mal 190 Euro.
Durch einen Artikel der WAZ wird auch Philipp Steinhaus auf das Oberhausener Modegeschäft aufmerksam, reist aus Bottrop an und ist sofort begeistert. „Hier finde ich alles, was ich brauche und werde gleichzeitig gut beraten. Dafür nehme ich die halbe Stunde Fahrtweg gerne in Kauf“. Andere Kunden sind zu noch deutlich längeren Fahrzeiten bereit: Ein Mann aus dem bayerischen Rosenheim plant seinen Urlaub extra so, dass er in dem Oberhausener XXL-Modegeschäft einkaufen kann. Und ein ehemaliger Oberhausener Kunde bestellt regelmäßig T-Shirts aus dem Laden in seine neue Heimat Stockholm.
Klamottenkauf im Übergrößen-Bereich für viele Kunden eine „Odyssee“
Wie schwierig der Klamottenkauf für große und schwere Männer ist, weiß Grefermann aus eigener Erfahrung – weshalb sich der ausgebildete Einzelhandelskaufmann 2019 dazu entschließt, den bereits seit 35 Jahren existierenden XXL-Modeladen an der Havensteinstraße vom Vorbesitzer zu übernehmen und das Sortiment aufzupeppen. Jünger, frischer soll die Mode sein, sodass auch „kräftige Jungs“ schöne Klamotten finden und durch eine angrenzende Schneiderei sogar die Möglichkeit haben, Klamotten sofort individuell anzupassen.
Der „Wohlfühlfaktor“ ist in Grefermanns Laden von zentraler Bedeutung. Oft seien die Klamotten in anderen Läden altbacken, der Kleiderkauf im XXL-Bereich eine „Odyssee“ für die Kunden. „Viele Läden und Verkäufer setzen sich mit großen Größen gar nicht auseinander. Auch bei Bestellungen im Internet ist der Frustpegel oft sehr hoch, weil die Sachen einfach nicht passen“, erläutert der gebürtige Oberhausener. „Das Problem ist, dass in der Modebranche meistens dünne Leute für dicke einkaufen. Die Ware ist dann oft geschmacklos und hat keine gute Qualität – bei so mancher Klamottenauswahl frage ich mich wirklich, ob die Lieferanten einen an der Latte haben.“
Im Laden an der Havensteinstraße wird nichts verkauft, was Grefermann nicht auch selbst anziehen würde. Zudem testet er die Qualität der Klamotten im Selbstversuch: „Wenn mir beim Großhändler erzählt wird, dass ich ein T-Shirt 200 Mal waschen kann, ohne dass es seine Form verliert, dann wasche ich das 200 Mal, um zu schauen, was passiert.“