Oberhausen. Kabarettistin Gerburg Jahnke bringt ihre Inszenierungen zurück ins Ebertbad Oberhausen. Ein Interview über Comebacks, Gendern und Präsidentinnen.

Frau Jahnke, Ihr Dauerverlobter Hajo Sommers ist Fußball-Präsident bei Rot-Weiß Oberhausen. Wo bleibt eigentlich die Präsidentin?

Jahnke: Wenn schon, dann bitte Trainerin! Ich habe keine Ahnung vom Fußball. Wenn ich im Stadion sitze, schaue ich immer in die falsche Richtung - und warte auf die Zeitlupe.

Dabei fing in Ihrer WDR-Serie „Der Tod ist doch kein Beinbruch“ alles mit dem fiktiven DFB-Pokalfinale RWO gegen Schalke an. Warum ging die Serie nie weiter?

Jahnke: Ach. Die brauchten das Geld damals für eine Pilot-Sendung mit Ulla Kock am Brink. Also wurden wir nach sechs Folgen abgesetzt. Dabei waren die Einschaltquoten super. Die Serie ging zur Trennungszeit mit Stephanie (Anm. d. Red.: Stephanie Überall, ehemalige Missfits-Partnerin) einher. Aber: Das war wirklich etwas, was wir beide gerne weitergemacht hätten, weil wir so einen Spaß daran hatten. Die Drehbücher hat Dietmar Jacobs geschrieben, den ich für einen begnadeten Autoren halte. Wir durften uns Sachen zurecht sprechen. Der WDR hat sich auf viele Ruhrgebiets-Wünsche eingelassen. Und hey, das Oberhausen-Lied war die Titelmusik.

Und wenn heute noch jemand kommen und wieder starten möchte?

Jahnke: Ich würde sofort zusagen. Jetzt noch mehr als sonst. Wir könnten übelste Sprüche loslassen. In der freien Kultur hast du alle Möglichkeiten - vor allem in der Comedy. Leider gibt es aber auch hauptberufliche Bedenkenträger.

Zuletzt ging es in der Kultur eher um den „Layla“-Schlager, dem Sexismus vorgeworfen wurde.

Jahnke: Naja. Ich halte diesen sehr schlechten Schlager in der Kultur falsch verortet. Ich würde ihn eher unter „schlechter Schlager“ verorten. Und da werden viele Klischees verbraten. Wir haben extrem wichtigere Probleme.

Was beschäftigt Sie in der Gesellschaft?

Jahnke: Wir haben nichts Tröstendes, sondern immer nur die nächste Katastrophe. Panik und Aggression machen mir Angst. Man könnte sich miteinander unterhalten, aber das wird nicht mehr getan. Alle Leute beharren nur noch auf ihrem Recht. Mir fehlt das Miteinander.

Was läuft schief?

Jahnke: Großunternehmen werden gefragt, wie viel Geld sie als staatliche Unterstützung benötigen. Warum fragen die nicht mal die Tafel? Ich war neulich dort und habe gesehen, wie weit die Schere auseinander geht. Die meisten Leute stehen da, weil sie es brauchen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck muss doch Magenschmerzen ohne Ende haben.

Wie schauen Sie Nachrichten?

Jahnke: Zuerst fange ich an, mein Fernsehgerät zu beschimpfen. Wenn ich am nächsten Tag darüber spreche, amüsiert es mich. Das ist dann aber Galgenhumor.

Sie sind keine politische Kabarettistin - aber schon ein bisschen?

Jahnke: Ich schreibe die Geschichten nicht mehr, die Geschichten schreiben mich. Wir haben die Schuldfrage zum Ukraine-Krieg zwischen Teufel und meiner Rolle als Frau Gott in die Inszenierung von „Die Abrechnung“ eingebunden. Dort heißt es, dass das Konzept Mann aus dem Ruder gelaufen ist. Es gibt momentan viele Männer, die viele falsche Dinge tun. Das Publikum ist manchmal irritiert, wie es darauf reagieren soll.

Sie legen Wert darauf, keine Männerhasserin zu sein. Warum nehmen Sie manche Männer trotzdem als solche wahr?

Jahnke: Manchmal beginne ich auf der Bühne mit dem Satz: Ich werde versuchen, einen männerfreundlichen Abend zu machen. Das enttäuschte „Ohhhh“ kommt dann meistens von den Männern. Ich greife niemanden im Publikum persönlich an. Ich erzähle nicht, er sei zu alt, zu dick oder zu hässlich. Ich erzähle nur von dem Mann im Garten. Mich interessiert, was passiert bei einer Provokation?

Können Sie verstehen, wenn Menschen sich durch das Gendern bevormundet fühlen?

Jahnke: Ich kann verstehen, dass die Leute die Schnauze vollhaben, weil es in Deutschland bürokratisiert wird. Es wird sich mehr darüber unterhalten, ob es ein Doppelpunkt oder Schrägstich sein soll und eben nicht, warum Gendern wichtig ist.

Wie erleben Sie selbst die Debatte?

Jahnke: Ich habe in zwölf Jahren „Ladies Night“ immer Gästin gesagt. Das Wort steht seit anderthalb Jahren im Duden. Zuletzt habe ich das in einem unwichtigen Facebook-Post geschrieben. Einer hat darunter kommentiert, wenn ich jetzt mit dem Gender-Mist anfange, sei er nicht mehr mein Fan. Dass die Leute schon bei so einer unbedeutenden Sache anfangen auszuticken, ist wirklich schade. Wenn die Frau in der Sprache nicht vorkommt, dann kommt sie auch nicht in den Köpfen vor. Wenn das Wort Pilotin nicht normal wird, erschrecken wir uns jedes Mal, wenn der Pilot eine Frau ist - und wir denken: Wenn das mal gutgeht… Aber: Selbst wenn ein Gendersternchen vorne draufsteht, kann viel Anti-Feminismus hinten drin sein.

Wie erleben Sie Hass?

Jahnke: Die Anonymität im Internet trägt viel dazu bei. Oft sind es von 200 Personen nur Einzelne. Ich frage mich, was passiert, wenn ich darauf antworte. Für mich ist das Internet aber der falsche Platz, um das zu diskutieren.

Hat Frau Jahnke eine Lieblingskollegin?

Jahnke: Ich habe einige Lieblingskolleginnen. Katy Freudenschuss schätze ich sehr. Am Flügel ist sie eine Macht. Und wir können zusammen singen. Sie singt so toll um mich herum, dass es sich anhört als ob ich auch singen könnte. Mirja Regensburg mag ich für ihren derben Humor. Natürlich auch Lisa Feller und Rebecca Carrington.

Sie sind also eine Team-Playerin?

Jahnke: Ich hatte ja auch noch nie ein Solo-Programm. Zwei Stunden allein die Bühne zu rocken - das wäre nicht meins. Obwohl ich ja dann das ganze viele Geld allein verdienen würde.

Apropos Geld. Der freien Kultur geht es schlecht. Warum fehlen Zuschauerinnen und Zuschauer?

Jahnke: Es gibt mehrere Theorien. Vielleicht haben sich die Leute in der Corona-Zeit entwöhnt. Grillen ist billiger als Essen zu gehen. Netflix ist billiger als Kultur zu genießen. Da kommen viele schlecht heraus. Manchmal fehlt das Geld. Die nächste Stromrechnung kommt noch. Manche hatten in ihrem Einkommen vielleicht früher einen Kulturetat, der jetzt plötzlich nicht mehr da ist.

Haben Sie Angst, dass kleine Kulturstätten verschwinden?

Jahnke: Ja! Das Angebot so breit zu halten, kostet Geld. Das ist wie in einem Restaurant, das jeden Abend die Speisen für die gesamte Karte bereithält, aber es kommen kaum Leute zum Essen. Irgendwann wirfst du die Sachen weg, aber du hast das Geld dafür investiert. Das Ebertbad hält zum Beispiel immer die Logistik und das Personal bereit, egal wie viele Leute kommen. Aber es kommen ja auch Leute, das macht mir Hoffnung.

Worauf freuen Sie sich?

Jahnke: Ich werde bald etwas am Theater Oberhausen inszenieren. Ein kleines komödiantisches Ein-Mann-Stück. Das ist für die zweite Spielzeit geplant. Ich freue mich, dass so etwas nun möglich ist.

>>> Gerburg Jahnke im Ebertbad - das sind die Termine

Gerburg Jahnke gibt es im Ebertbad Oberhausen mit unterschiedlichen Programmen: Los geht es am heutigen Donnerstag, 25. August, mit der Jahnke-Produktion „Herzscheiße“. Karten: ab 25,10 Euro. Bei „Die Abrechnung“ steht sie neben Nito Torres und Peter Engelhardt auch selbst auf der Bühne - von Donnerstag, 15. September bis Sonntag, 18. September und Donnerstag, 24. November bis Sonntag, 27. November. Karten: ab 25,10 Euro.

Der Kabarett-Abend „Damenbad“ steht am Mittwoch, 21. September 2022, auf dem Plan. Dann sind unter anderem Frau contra Bass, Sarah Hakenberg und Rosemie Warth mit dabei. Karten: ab 29,50 Euro. Am Sonntag, 30. Oktober, ist Gerburg Jahnke bei Bestsellerautorin Ildikó von Kürthy selbst zu Gast. Das Motto: „Morgen kann kommen“. Tickets: ab 29,50 Euro. www.ebertbad.de