Oberhausen. Noch liegt Staub in der Luft. Doch die Auenlandschaft an der Emscher in Oberhausen nimmt nun Gestalt an. Der Spatenstich besiegelt den Baustart.
Das Paradies von Oberhausen ist steinig, staubig und müffelt ein wenig – noch jedenfalls. Bis 2025 aber entsteht im Holtener Bruch in direkter Nähe zur Kurfürstenstraße eine blaugrüne Oase für Tiere und Pflanzen, Radler und Spaziergänger. Am Dienstag, 23. August 2022, fiel dort mit dem symbolischen Spatenstich der Startschuss für die Renaturierung der Emscher.
Mit dem Abschluss des ehrgeizigen Projektes „abwasserfreie Emscher“ Ende 2021 geht es nun an die letzte Etappe. „Längs der Emscher sollen im Ruhrgebiet die grünsten Industrielandschaften der Welt entstehen“, schwärmt Uli Paetzel. Der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft räumt allerdings auch ein: „Aus Gründen des Hochwasserschutzes muss die Emscher auf weiten Teilen ihres 85 Kilometer langen Verlaufs meist in ihrem alten Deichbett bleiben.“ In Oberhausen-Holten dagegen eröffnen sich der Emschergenossenschaft ganz andere Perspektiven.
Sandige Hügel sollen sich dort innerhalb von drei Jahren in blühende Landschaften verwandeln. „Der bislang stark begradigte Fluss wird dazu aus seiner Trasse geholt und nach Westen verlegt“, erläutert Paetzel. Die Emscher wird wieder kurvig und schlängelt sich künftig durch ihr neues, rund 30 Hektar großes Auenfeld. Damit das Wasser sich ausbreiten kann, werden insgesamt rund 600.000 Kubikmeter Erde verfrachtet. Begrenzt wird die Auenlandschaft durch den Abwasserkanal Emscher (AKE), der sich unmittelbar unter den fünf Meter hohen Deichen verbirgt. Auf diesen Deichen ist inzwischen schon ein neuer Rad- und Fußweg entstanden.
Aufwertung der gesamten Wohngegend in Oberhausen-Holten
Die Hoffnung auf eine Rückkehr bedrohter Tier- und Pflanzenarten durch die künftigen Feuchtbiotope ist groß. „Das Schönste aber ist, dass alle diese Fläche dann als Naherholungsgebiet nutzen und von den Geh- oder Radwegen seltene Vogelarten beobachten können“, meint Paetzel. Das sieht auch der Oberhausener Oberbürgermeister Daniel Schranz so. Die Emscher als Abwasserkanal sei für viele Anwohnerinnen und Anwohner eine echte Belastung gewesen. „Doch jetzt verkehrt sich dieser Nachteil in einen unschlagbaren Standortvorteil.“ Das Naherholungsgebiet mitten in der Stadt sorge für eine Aufwertung der nahen Immobilien. „Die Menschen hier bekommen ihren Fluss zurück und können das dann endlich in vollen Zügen genießen.“
Doch das Naturparadies soll nicht nur ein Augenschmaus werden. Es soll den Ortsteil bei Starkregen auch vor volllaufenden Kellern schützen. „Der Hochwasserschutz in der Region wird durch die Auenlandschaft massiv profitieren“, ist der Herner Oberbürgermeister Frank Dudda, Ratsvorsitzender der Emschergenossenschaft, überzeugt. Denn 1,6 Millionen Kubikmeter und damit der Inhalt von fast zehn Millionen Badewannen könnten sich künftig gefahrlos in den Emscher-Auen verteilen.
Hochwasserschutz für den Oberhausener Nordwesten
An trockenen Tagen kann sich die Emscher in ihrem rund 120 Meter breiten Mittelwasserbett völlig frei bewegen. Doch an etwa 75 Tagen werden auch die angrenzenden Auen voraussichtlich durch Regenfälle überflutet werden. An diese Auen schließen sich – terrassenartig jeweils einen halben Meter höher angelegt – jene Gebiete an, die an 50 Tagen und die an 20 Tagen unter Wasser liegen dürften. „Den Abschluss bildet die Hochaue, die über dem Bemessungswasser liegt und somit dauerhaft hochwasserfrei sein wird“, erläutert Dudda. Der Bereich von der 50-Tage-Aue bis zur Hochaue erhält einen Mutterboden „und steht der Landwirtschaft zur Verfügung“. Rund 28 Millionen Euro investiert die Emschergenossenschaft in diese Renaturierungsmaßnahmen in Holten.
Zeitgleich werden die Hochwasser-Messstellen entlang der kompletten Emscher deutlich ausgebaut: Rund 30 neue Messgeräte sollen installiert werden. Die Zeitabstände zwischen den einzelnen Messungen werden von jetzt 30 auf dann 15 Minuten verkürzt. „So haben wir immer im Blick, falls etwas aus dem Ruder zu laufen droht“, betont Ilias Abawi, der Sprecher der Emschergenossenschaft.