Oberhausen. Die Wildnis im Oberhausener Ruhrpark muss weichen. Die Stadt plant Großes. Doch beim Anblick der Kreissäge liegen bei Anwohnern die Nerven blank.

Bei Anwohnern des Ruhrparks in Alstaden wächst die Sorge um das dortige Feuchtbiotop: Die Stadt hat auf der Halde für die Errichtung einer Aussichtsplattform auf einer Fläche von rund 700 Quadratmetern unzählige Sträucher und Bäume roden lassen. „Uralter Baumbestand war darunter und es sollen noch viele weitere Bäume und Sträucher gefällt werden“, kritisiert eine Oberhausenerin, die öffentlich lieber anonym bleiben möchte. „Dieses Biotop gibt es seit über 30 Jahren und es ist richtig gut zugewachsen und beherbergt viele unterschiedliche Tiere – soll das jetzt alles kaputtgemacht werden?“

Die ersten Rodungsarbeiten in Alstaden starteten bereits im Februar 2022 im nördlichen Bereich der Halde. Dabei war unter anderem ein bis dahin kaum mehr sichtbarer Teich freigelegt worden. Doch schon jetzt macht Stadtsprecher Frank Helling auf Nachfrage dieser Redaktion deutlich: „Dabei bleibt es nicht.“

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Zugegeben, wer erstmals durch den Park schlendert, bemerkt von dem Kahlschlag nur wenig. Denn das Gebiet gleicht einem sich selbst überlassenen Urwald. Aber genau das ist es auch, was viele Anwohner an ihrer grünen Lunge so schätzen: Wildnis hat sich ausgebreitet, die bleiben soll. Die Vertreter der Stadt sehen das anders, sie planen Großes auf dem wertvollen Gelände.

Wildwuchs mit bedrohlichen Folgen

Zum Hintergrund: Das im Landschaftsschutzgebiet „Ruhrpark/Ruhraue“ gelegene geschützte Biotop „Halde Alstaden“ entwickelte sich nach Abtrag der alten Halde zu einem Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. „Zugleich ist es von herausragender Bedeutung für den Biotopverbund und die Grünflächenvernetzung im Oberhausener Süden“, versichert die Stadt. Jahrelang hätten Bäume und Sträucher hier so wachsen dürfen, wie sie wollten. Inzwischen aber steht nach Ansicht der städtischen Naturexperten fest: mit bedrohlichen Folgen.

Jahrelang durfte die Natur im Biotop Halde Alstaden im Ruhrpark in Oberhausen wachsen, wie sie wollte. So ist ein richtiger kleiner Urwald entstanden. Doch das soll sich schon bald ändern.
Jahrelang durfte die Natur im Biotop Halde Alstaden im Ruhrpark in Oberhausen wachsen, wie sie wollte. So ist ein richtiger kleiner Urwald entstanden. Doch das soll sich schon bald ändern. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Denn was damals gut gemeint war, stellt sich rückblickend als Bedrohung für die „spezifischen Lebensgemeinschaften dieses Biotops heraus“, betont Helling. „Würde man dieser Verbuschung nicht entgegentreten, würden wir die meisten Tiere dort verlieren.“ Teilweise sei dies schon geschehen. „So sind früher Teichrohrsänger, Rohrammern und Wasserrallen dokumentiert worden.“ Drei Vogelarten, die auf Gewässer mit ausgedehntem Schilfgürtel angewiesen sind. Doch der Schilfgürtel wich dem Wildwuchs – und mit ihm verschwanden diese Arten.

Fachleute stellen sich den Fragen der Anwohner

Erste Überlegungen zu einer ökologischen Umwandlung der Halde Alstaden gab es bereits im Jahr 2016 im Rahmen von Fachgesprächen zwischen dem Bereich Umwelt der Stadt Oberhausen und der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet.

Das Projekt soll bis zum Jahresende 2022 umgesetzt werden. Die geplanten Gesamtkosten betragen rund 600.000 Euro. Die Finanzierung ist dabei zu 100 Prozent über das REACT EU Förderprogramm „Grüne Infrastruktur“ abgedeckt.

Im Vorfeld der nächsten Rodungsarbeiten werden am 8. September 2022 ab 17 Uhr für Interessierte und Anwohner erläuternde Vor-Ort Begehungen mit Fachleuten der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet, des Planungsbüros und der Stadtverwaltung stattfinden.

Das Umweltamt der Stadt will das Gewässer wieder komplett freilegen, um dort die besondere Tier- und Pflanzenwelt zu fördern. „Die Wasserflächen werden behutsam vergrößert, so dass es später nicht nur eine sonnige Freiwasserzone gibt, sondern auch Uferhochstaudenflure, Schwimmblattvegetation und Röhrichtsäume. Nistangebote soll es für Eisvögel und Uferschwalben geben.“ Ein Wildzaun rund um das Gelände soll später dafür sorgen, dass die Vögel ungestört brüten können. Zudem soll dort eine Plattform mit Infotafeln errichtet werden, auf der Erwachsene und Schüler Vögel beobachten können. Die Infotafeln gestalten Grundschülerinnen der Bismarckschule.

Ab Oktober 2022 müssen die nächsten Bäume weichen

Für all diese Maßnahmen aber müssen weitere Bäume weichen. „Der Rodungsplan sieht eine Freistellung im Zentrum der Fläche vor, ausgenommen sind kleinere Teilbereiche sowie der Gehölzsaum angrenzend an den Fuß- und Radweg.“ Die im Februar 2022 gefällten Bäume seien für die Errichtung der Beobachtungsplattform notwendig gewesen. „Eine großräumige, komplette Freistellung der Fläche wird erst ab Oktober 2022 erfolgen.“

Stadtsprecher Frank Helling.
Stadtsprecher Frank Helling. © FUNKE Foto Services | Tom Thöne