Oberhausen. Gernot Schwarz porträtiert seit seiner „Flucht“ aus Düsseldorf die kreative Szene von Ruhrort. Doch vor allem ist er ein Flaneur mit der Kamera.

Das markante Ziegenbart-Profil des Malerfürsten wirkt, als hätte Markus Lüpertz sich für ein Selbstbildnis modelliert. Natürlich im edlen Zwirn zeigen die schwarz-weißen Aufnahmen von Gernot Schwarz den inzwischen 81-jährigen „Jungen Wilden“ entspannt zeitunglesend vor holzvertäfelten Kneipenwänden.

Für den Fotografen ist’s ein fast wehmütiger Rückblick auf „sein“ Düsseldorf: als die Altstadt zwischen Rheinufer und Akademie noch ein Biotop der überreichen Kunstszene war – und nicht die heutige Partymeile. „Vor zwölf Jahren bin ich aus Düsseldorf geflüchtet“, erzählt Gernot Schwarz. „Es ist nicht mehr das Quartier, das ich liebte.“ Längst fand der 67-Jährige in Ruhrort ein neues, ebenfalls szeniges Zuhause. Seit zwei Jahren zählt er auch zur Kunstinitiative Ruhr, die ihm nun in der KiR-Galerie eine Einzelausstellung ausrichtet.

Das „Paris des Reviers“: Neben seine Montmartre-Aufnahme platziert Gernot Schwarz ein typisches Revier-Büdchen.
Das „Paris des Reviers“: Neben seine Montmartre-Aufnahme platziert Gernot Schwarz ein typisches Revier-Büdchen. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Der Titel „Perfekt unperfekt“ ist für den früheren Mediengestalter programmatisch: „Höchste technische Qualität ist mir egal“, sagt der Liebhaber handlicher Kompaktkameras rundheraus. Seine Abzüge dürfen auch körnig geraten – sind es aber längst nicht immer. Denn inzwischen setzt „das Auge von Ruhrort“ mit Vorliebe eine „Leica monochrom“ ein, deren große Lichtstärke selbst Nachtaufnahmen von eindrucksvoller Brillanz ermöglicht.

Ein bisschen unheimlich-mysteriös: Oberhausen

Denn als Lichtbildner ist Gernot Schwarz eher Flaneur denn Porträtist – und hat so im Gehstock-schwingenden Lüpertz einen Geistesverwandten abgelichtet. Die Galeriewände im Europahaus bestückte er überwiegend mit Straßenszenen von Paris und Amsterdam, Düsseldorf und Ruhrort. Und in Farbe, dunkel gehalten und ein bisschen unheimlich-mysteriös, eine Passage, die der Fotograf lässig kommentiert: „Oberhausen, ist klar.“ Es ist die lange Unterführung zu den Gleisen des Hauptbahnhofs.

Ein steiler Treppenweg am Montmartre samt schnörkeliger Laterne wirkt da schon unendlich romantischer. Direkt neben diesem Hochformat ein Duisburger Büdchen, dessen Neonschrift etwas pompös „Verkaufshalle“ behauptet. Nacht und Nebel: Das schimmernde Grau ist des Fotografen liebstes Wetter, das jedes Bild zum Rätsel macht. „Leider gibt es nicht mehr genug Nebeltage.“ Ob nun Baumkronen den Grauschleier durchbrechen oder Laternen für stimmungsvolle Lichtinseln sorgen: Die dekorativ eingedickte Luft macht aus jeder Stadt London.

Die einzige analoge Aufnahme, ein Porträt von Joseph Beuys, hat Gernot Schwarz für die Ausstellung „mit der Digi abfotografiert“.
Die einzige analoge Aufnahme, ein Porträt von Joseph Beuys, hat Gernot Schwarz für die Ausstellung „mit der Digi abfotografiert“. © FUNKE / Foto Services | Gerd Wallhorn

Gernot Schwarz’ körnige Bilder aus der Ruhrorter Kreativszene fehlen zwar in der Oberhausener Ausstellung. Schließlich hat der Pensionär erst im Vorjahr mit dem „Studio 37“ ein eigenes Atelier im Hafenstadtteil eröffnet. Als Kir-Vorsitzender verweist Winfried Baar stattdessen mit besonderer Freude auf „die kleinen Experimente“.

Experimente in liebevollem „Modellbau“

Hier wird nicht mit digitalen Programmen der Kameras getrickst. Vielmehr entstehen die Bild-Überraschungen in liebevollem „Modellbau“, wenn man so will: Schubladen oder Kartons bestückt der geschulte Grafiker mit kleinen Dingen wie Sattlernadeln. Wer den Maßstab dieser Inszenierungen nicht kennt, vermutet Großskulpturen oder avantgardistische Architektur.

Sechs Wochen für schwarz-weiße und farbige Fotokunst

Die Ausstellung „Perfekt unperfekt“ eröffnet am Sonntag, 17. Juli, um 17 Uhr in der Galerie KiR, Elsässer Straße 21, und bleibt dort bis zum 28. August zu sehen.

Geöffnet ist die Künstlergalerie im Europahaus jeweils mittwochs und freitags von 17 bis 19.30 Uhr sowie sonntags von 16 bis 19 Uhr.

Übrigens zeigt die Ausstellung auch eine stilvolle Auswahl von Farbfotografien des „Auges von Ruhrort“. Doch die Wirkung seiner schwarz-weißen Fotokunst ist einfach nachdrücklicher.

„Fotografik“ nennt Gernot Schwarz dieses Sujet, in das sich auch der elegante Linienschwung nächtlich glänzender Straßenbahnschienen einfügt. „Schwarz-weiß ist eben der erste Schritt zur Abstraktion.“ Und auf diesem Weg ist der erklärte Imperfektionist schon ziemlich perfekt.