Oberhausen. Bunt besetztes Podium stellt sich bei Kitev im Bahnhofsturm der großen Frage nach dem Documenta-Skandal: „Wo hört Kunst auf, Kunst zu sein?“
Hochschulen können nicht nur die hehre Lehre verkünden, sondern auch in brandaktuelle Debatten einsteigen – jedenfalls, wenn die Freie Universität Oberhausen handelt: In ihrem vierten Semester bieten die Volksbildner am Samstag, 9. Juli, gleich zwei spannende Events. So trifft sich von 19 bis 22 Uhr der Debattierclub im „Leerstand“ genannten Domizil von Kitev (Kultur im Turm e.V.) am Hauptbahnhof. Die Runde diskutiert dort das Thema „Kunstfreiheit“.
„Kunst verbindet, Kunst trennt, reißt Grenzen nieder oder manifestiert diese“, meint das Freie-Uni-Rektorat um Annkathrin Schwedhelm und Stefan Schroer. Einig sind sich wohl die meisten Menschen über die unbestrittene Kraft wie auch die Macht, die von Kunst ausgehen kann – und die immer auch die Möglichkeit eines Machtmissbrauchs birgt. Gerade im Kontext der jüngsten Skandale um die bis dato so renommierte Kasseler Weltkunstschau der „Documenta 15“ stelle sich die Frage, wo die Grenzen der Kunst liegen: Wo hört Kunst auf, Kunst zu sein und wird stattdessen zum Instrument von Unterdrückung oder Diskriminierung? Wer legt fest, was legitim oder problematisch ist? Benötigt es überhaupt eine Instanz, die kontrolliert?
Diese Fragen diskutiert für die Freie Uni ein bunt besetztes Plenum: Zu ihm zählt der ehemalige Ditib-Funktionär (das Kürzel für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion) und Jurist Murat Kayman, der heute reaktionäre Religionsverständnisse entschieden kritisiert. Mit ihm diskutieren Tala Hariri (Sprecherin Säkulare Grüne NRW), Fiona Fabulous (Kommunalpolitikerin „Die Partei“ und professionelle Drag Queen) sowie Katharina Friedrich (Erzieherin, Fachschaftsinitiative der Islamischen Theologie/HU Berlin). Den Abend moderiert der Blogger und Journalist Kurt Schmalle, kurz „Schmalle“, den die Gastgeber als „Oberhausener Urgestein“ vorstellen.
Blogger kritisiert religiösen Fundamentalismus
Sein Blog „Schmalle und die Welt“ steht bereits von 12 bis 18 Uhr im Mittelpunkt einer Vernissage plus Programm in der „Unterhaus-Galerie“ des Hochhauses Friedrich-Karl-Straße 4. Wenn er nicht gerade als Fakultäts-Dekan für die Freie Uni wirkt, schreibt der hauptberufliche Erzieher mit jungen Erwachsenen, insbesondere mit Geflüchteten in Oberhausen, in seiner Freizeit auf dem antifaschistischen Blog. Ihm geht es um eine kritische Analyse von Nationalismus und religiösem Fundamentalismus, aber auch um die Themen Bildung und Musik sowie um Einblicke in das linke Milieu der Bundesrepublik.
Für die besondere visuelle Qualität des „Schmalle“-Blogs sorgt die Zusammenarbeit mit einem hochklassigen Grafik-Trio: Alexander Schmitz aus Magdeburg, Ariel Elbert aus Heidelberg und Marion Bellina aus Klagenfurt. Sie schufen zu über 60 Artikeln einzigartige Bilder. Eine Auswahl dieser Arbeiten zeigt nun die Unterhaus-Galerie unter dem Titel „Schmalle und die Welt – ein Blog nimmt Gestalt an“.
Das Eröffnungsprogramm begleiten die Hip-Hop-Acts „Adrinalin & DrikOne“ und „Inkasso“ am Mikrofon sowie „D.Eighteen“ an den Plattentellern. Für Graffiti-Artisten werden Leinwände ausgestellt, die gerne verschönert werden dürfen.
Weitere Öffnungszeiten der Ausstellung sind die Samstage 16. und 23. Juli, jeweils von 16 bis 20 Uhr. Schmalle ist zu diesen Zeiten selbst anwesend und diskussionsfreudig.
Mit Hochschul- oder ohne Grundschul-Abschluss
Über das umfangreiche Programm der Freien Uni Oberhausen informiert online mutimrevier.de – mit den fünf Fakultäten „Heimat Vielfalt“, „Einfach mal machen“, „Sport und Bier“, „Kunst im Quartier“ sowie „Gott und die Welt“.
Die Angebote, die grundsätzlich auch für späte Einsteiger zugänglich sind, reichen bis in den Oktober: Denn selbst nach dem offiziellen Abschlussfest am Museumsbahnsteig gibt’s noch das Improvisationstheater „Geschichten aus O.“, eine Songwriting-Werkstatt und die Ausstellung „Fantastic Females – Football Her.Story“.
Die seit 2019 aktive Freie Universität versteht sich als „Uni von unten, aus dem Quartier, für Stadt und Revier“ und heißt alle willkommen „ob mit Hochschul- oder ohne Grundschul-Abschluss“.