Oberhausen. . Die „Kopfhörerparty“ mit 27 Liedern zu 27 Kunstwerken erweist sich als Hit der Ausstellung „British Pop Art“ im Schloss Oberhausen.
Stehen und schlendern, gemessenen Schrittes von Bild zu Bild. Und an einer Hörstation nimmt der Museumsbesucher gesittet Platz. Aber tanzen? Doch Natascha Kurek bestätigt, „die Leute tanzen durch diese Austellung“, als wär’s eine stille Disco statt der Ludwiggalerie.
Linda Schmitz hatte die Idee zum „Sound-Walk“ durch die Ausstellung „British Pop Art“, deren Halbzeit sich jetzt nähert. Und ihre Volontärskollegin Natascha Kurek war sofort Feuer und Flamme, hatte sie doch in der Dortmunder Pink-Floyd-Ausstellung ein ähnlich inniges Zusammenspiel von Musik und Exponaten erlebt. Und was wäre Pop Art ohne Pop?
Das treffendste Beispiel sorgt standesgemäß für den Prolog des musikalischen Rundgangs in 27 Songs von 1959 bis 1979: Bryan Ferry singt mit seiner einzigartig schmachtenden Stimme „This is tomorrow“ – und verweist explizit auf die Geburtsstunde der britischen Pop Art. Denn Ferry, der Sohn eines Landarbeiters aus der nordenglischen Grafschaft Durham, studierte in Newcastle bei Richard Hamilton, dem „Vater der Pop Art“.
Später nannte der malende Professor den Gründer von Roxy Music sogar „meine größte Schöpfung“. Und der in England berühmte Kolumnist Peter York prägte das Bonmot, Bryan Ferry sollte als Kunstwerk in der Tate Gallery ausgestellt sein. Die singende Inkarnation von Eleganz und Dandytum war mit dieser Aufstiegs-Biografie allerdings nur einer von vielen Pop-Musikern.
Gewisse Reibung zwischen Bild und Songtext
Die wenigsten kamen – wie Roger Daltrey von The Who – als Malocher direkt von der Baustelle ans Mikrofon. Vor allem das britische Pendant der Fachhochschulen bot mit Ausbildungsgängen für künstlerische Berufe auch Brutstätten für die vielversprechendsten Bands. Das galt nicht nur für die frühen Pink Floyd und ihre Herkunft aus dem Universitäts-Idyll Cambridge.
Der Spaß der Kunstbetrachtung mit dem Kopfhörer kann durchaus ein intellektueller sein – geeignet auch für Nichttänzer. Denn die beiden Volontärinnen sorgten mit ihrer Auswahl gerne für eine gewisse Reibung zwischen Bild und Songtext. Dann stutzt man und fragt sich etwa vor Patrick Caulfields kühlem Bild eines Badezimmerspiegels: Warum spielt jetzt „No Milk today?“Doch das vermeintlich fröhliche Liedchen von Herman’s Hermits beklagt ja das Ende einer Ehe, eines bürgerlichen Vorstadt-Idylls: Auch der Milchmann klingelt nicht mehr.
Mit David Bowies „Space Oddity“ verweilen
Die dunkle Dystopie und die herben Stimmen von „In the Year 2525“ kontrastieren heftigst mit der knallbunten Zukunft, wie sie Eduardo Paolozzi auf den Großformaten „Sun City“ und „B.A.S.H.“ voll scheinbar naiver Technikbegeisterung ausmalt. Und vor dem großen, mit Weltall-Motiven gespickten Bilderfächer des „10th Sonnet“ von Joe Tilson lässt sich bestens für fünf Minuten mit David Bowies „Space Oddity“ verweilen: Beider Blick auf die Raumfahrt ist schließlich mit Skepsis gesättigt.
Für „Kent State“ schließlich, Richard Hamiltons heftigstes Werk, das flimmrig wie ein TV-Bild einen jener Studenten zeigt, der 1970 von der Nationalgarde auf dem Campus erschossen wurde, könnte man sich ein zorniges Lied vorstellen. Stattdessen erklingt John Lennons am weißen Klavier komponierte Vision „Imagine“. Linda Schmitz und Natascha Kurek haben sich hervorragend in die Sixties eingeschwungen.
Die Qual der Auswahl war mit fast hundert Songs keine geringe: „Wir sind dann nochmal mit der Playlist durch die Ausstellung gegangen“, erzählt Linda Schmitz. „Und es war immer eine Freude, wenn wir einen Songtext hörten, als wäre er für uns geschrieben.“
>>> Fakten zum Sound-Walk „British Pop Art“
27 Pop- und Rocksongs versammelt der Sound-Walk, insgesamt mehr als eine Stunde Musik aus 20 Jahren. Der älteste Song „Teenager in Love“ stammt von 1959, der jüngste, „London Calling“, von 1979. Fünf Songs stammen von US-amerikanischen Interpreten, 22 aus dem Vereinigten Königreich.
Den Sound-Walk gibt’s für eine Leihgebühr von 3 Euro.