Oberhausen. Wie sich das Lebensende ankündigen kann, was es bedeutet, zu sterben, das sind Tabuthemen. Dabei ist der Tod etwas, das jeden und jede betrifft.

Für Esther Schwiederowski ist der Tod ein täglicher Begleiter. Die 53-Jährige ist Pflegedienstleiterin im stationären Hospiz St. Vinzenz Pallotti in Oberhausen-Osterfeld und kennt die Antwort auf so manch unangenehme Frage: Wie macht sich ein herannahendes Lebensende bemerkbar? Kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man den eigenen Tod akzeptiert? Und wie kann ich für einen sterbenden Angehörigen da sein und ihm oder ihr etwas Gutes tun?

Eins ist Esther Schwiederowski wichtig zu betonen: Den „klassischen“ Sterbeprozess gibt es nicht. So leugnen auch einige der Sterbenden im Oberhausener Hospiz bis zum letzten Moment das unausweichliche Ende. Andere sind in ihrem Glauben so gefestigt, dass sie dem Tod mit Ruhe begegnen können. Bei einigen zieht sich der Sterbeprozess über Wochen oder Monate, bei anderen geht es ganz schnell. Und auch die körperlichen Symptome des nahenden Todes sind nicht verallgemeinerbar. Manche Menschen haben Schmerzen, andere nicht.

Anzeichen eines nahestehenden Todes

Doch es gibt Anzeichen eines nahestehenden Todes, die Schwiederowski und ihr Team immer wieder beobachten. So werden die Betroffenen häufig unruhig in ihren letzten Tagen. Das äußere sich manchmal durch zielloses Greifen in der Luft, „ohne dass man einen Grund ausmachen könnte“. Zum Lebensende verschlechtere sich außerdem die Atmung: „Es kann eine rasselnde oder eine brodelnde Atmung auftreten.“ Für Angehörige sei das eine „ganz große Belastung“, weiß die Pflegedienstleiterin des Hospizes.

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„Dieses Rasseln entsteht durch Speichel oder Sekret, das sich im Rachenraum sammelt. Der Sterbende kann nicht mehr ausreichend Schlucken oder abhusten, weil diese Reflexe eingeschränkt sind.“ Beim Ein- und Ausatmen bewege sich der Speichel im Rachen und verursache das rasselnde Geräusch. „Es hört sich echt schlimm an.“ Die Atmung sei in der Regel aber nicht behindert und für die betroffene Person selbst sei das Rasseln keine Belastung. Sie bekommen es oft gar nicht mit.

Gibt es einen schönen Tod?

Kurz vor dem Tod kann es sein, „dass die Augen offen oder halboffen sind, aber man das Gefühl hat, dass sie nicht mehr wirklich sehen. Dass sie in die Ferne sehen oder durch einen durch schauen“, berichtet die Fachfrau. „Der Betreffende wird immer teilnahmsloser, bis er gar nicht mehr augenscheinlich auf seine Umwelt reagiert.“ Manchmal werden Finger und Zehen blau. Die Haut kann marmoriert aussehen oder violett. Der Körper wird schlechter durchblutet, er wird also kälter und blasser. „Der Tod tritt ein, wenn der Herzschlag und die Atmung aufhören.“

Esther Schwiederowski arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Oberhausener Hospiz. Dort erlebt sie immer wieder: Der Sterbende selbst weiß am besten, was ihm guttut.
Esther Schwiederowski arbeitet seit mehr als zehn Jahren im Oberhausener Hospiz. Dort erlebt sie immer wieder: Der Sterbende selbst weiß am besten, was ihm guttut. © FUNKE FotoServices | Kerstin Bögeholz

Esther Schwiederowski schildert die letzten Momente im Leben eines Menschen ganz ruhig und bedacht. Und es klingt, als sei es auch für die Menschen, die ihren Sterbeprozess durchlebt haben, eine Phase der Ruhe und Akzeptanz gewesen. Gibt es ihn also, den schönen Tod? „In meinen Augen gibt es keinen schönen Tod“, sagt die 53-Jährige. „Die meisten Menschen möchten gerne weiterleben.“

Sterbende nicht zum Essen drängen

Was man für die Sterbenden tun könne: die Symptome und die Schmerzen zu lindern. Und den Betroffenen in ihren letzten Momenten möglichst viel Wohlbefinden geben. Wichtig dabei sei: „Der Sterbende selbst ist der Fachmann.“ Wenn eine Person zum Beispiel nicht mehr essen will, dann sollte man sie auch nicht dazu zwingen – in dem Glauben, ihr damit einen Gefallen zu tun. „Zum Essen zu nötigen, kann eher zu einer Belastung führen, als dass es einen positiven Benefit hat“, weiß Esther Schwiederowski.

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Denn wenn ein Mensch sich dem Lebensende nähert, dann ändert sich sein Energiebedarf. Die Betroffenen schlafen sehr viel, finden ihre Kraft aber durch das Ausruhen nicht wieder. Da der Körper größere Mengen Nahrung nicht mehr verstoffwechseln kann, verändert sich der Appetit. „Das ist ein ganz natürlicher Prozess“, erklärt die Fachfrau. Wird der Mensch dann aber zum Essen gedrängt, kann sich Flüssigkeit etwa im Gewebe oder in der Lunge ansammeln. „Die Beine werden dick, die Arme werden dick“, so Schwiederowski. Oder die Person kann nicht mehr gut atmen.

Es kommt nicht auf die Menge an, sondern auf die Qualität

In so einer Situation komme es daher „nicht auf die Menge an, es kommt auf die Qualität an“. Ein kleines Stück Schokolade könne da schon Lebensqualität bedeuten. Für Außenstehende kann diese „Zurückhaltung“ der eigenen Intuition widersprechen. Will man die sterbende Person doch vorm Verhungern oder Verdursten bewahren.

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Ähnlich verhält es sich mit dem Nähebedürfnis. Davon haben liebende Angehörige oder Freunde manchmal mehr als die Person, die stirbt. Sie wollen die Betroffenen streicheln, ihre Hand halten und so ihre Zuneigung ausdrücken.

Wie es im Leben ist, ist es auch im Sterben

Esther Schwiederowski erklärt Angehörigen dann: „Wie es im Leben ist, ist es auch im Sterben.“ Wollte die sterbende Person also im Leben nicht gerne angefasst werden, dann wird das wahrscheinlich auch zum Lebensende noch so sein. Wenn die Person bereits nicht mehr wach oder bei Bewusstsein sei, könne man aber trotzdem noch mit ihr sprechen. Diese Zuneigung werde wahrgenommen, sagt Schwiederowski, die seit mehr als zehn Jahren im Oberhausener Hospiz arbeitet. „Als Letztes erlischt der Hörsinn.“

Für Esther Schwiederowski stehen stets die Bedürfnisse der sterbenden Person im Vordergrund. Denn eines hat ihre Arbeit ihr immer wieder vor Augen geführt: „Jeder Mensch begegnet dem Tod auf seine eigene Weise.“

Was Sterbende sich wünschen

Esther Schwiederowski berichtet, dass Sterbende fünf Stadien durchlaufen können. Die Theorie stammt von der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross. Die Stadien sind: Leugnen, Zuhören, Verhandeln, Depression, Annahme. „Im Hospiz stellen wir fest: Das ist so. Aber nicht immer in der Reihenfolge“, sagt die Pflegedienstleiterin.

Elisabeth Kübler-Ross beschreibt darüber hinaus vier Wunschdimensionen zum eigenen Sterben. Der dringlichste Wunsch ist demnach: „Ich möchte nicht alleine sterben.“ Es folgen der Wunsch nach Schmerzfreiheit sowie das Bedürfnis, Dinge zu Ende bringen zu können. An vierter Stelle steht die Hoffnung, den Sinn des Lebens und des Sterbens hinterfragen zu dürfen – und dass die Menschen im Umfeld des Sterbenden das aushalten.