Oberhausen. Thomas Gäng ist als Chef des Katholikenrates oberster Laien-Vertreter in Oberhausen. Er wählt klare Worte zur Lage der katholischen Kirche.
Das jetzt vorgestellte Gutachten der Münchener Kanzlei „Westphal Spilker Wastl“ zu Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern im Erzbistum München und Freising hat unter Oberhausener Katholikinnen und Katholiken viel Beachtung gefunden.
„Das Gutachten offenbart zum wiederholten Mal den unfassbar schlimmen Umgang unserer Kirche mit den Opfern des sexuellen Missbrauchs und die absolut falsche Prioritätensetzung“, sagt Thomas Gäng als Vorsitzender des Stadtkatholikenrates. Der Katholikenrat ist die ehrenamtliche Laienvertretung auf Stadtebene, in dem Mitglieder aus den Pfarrgemeinderäten und den katholischen Verbänden vertreten sind.
„Schutz der Institution Kirche stand im Vordergrund“
Ein Gremium also mit erheblichem Gewicht – umso mehr zählt das Wort des Mannes an der Spitze: „Anstatt die Opfer in den Blick zu nehmen und weiteren Missbrauch zu verhindern, hat der Schutz der Institution Kirche im Vordergrund gestanden“, formuliert Thomas Gäng mit Blick auf die in dem Gutachten genannten Missbrauchs-Fälle von 1945 bis 2019 mit 235 mutmaßlichen Tätern und fast 500 geschädigten Kindern und Jugendlichen.
In der Zeit von 1977 bis 1982 war der emeritierte Papst Benedikt XVI. in seiner damaligen Funktion als Münchener Erzbischof Joseph Ratzinger mit vier Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester konfrontiert. Das Gutachten wirft Ratzinger massives Fehlverhalten vor. So sei in einer Sitzung, an der er – entgegen eigener Behauptung – nachweislich teilgenommen habe, entschieden worden, dass ein bekanntermaßen pädophiler Priester aus Essen in das Erzbistum München übernommen wurde und dort weitere Taten begehen konnte.
„Ein weiterer Tiefschlag für viele Gläubige“
Thomas Gäng hat die aktuellen Berichte zum Münchener Gutachten aufmerksam verfolgt. „Es ist ein weiterer Tiefschlag für viele gläubige Katholiken und Katholikinnen. Damit einher geht uns auch jegliche Akzeptanz und Stimme verloren in den aktuell anstehenden wichtigen sozial-ethischen Fragen.“
Was jetzt fehle, seien die notwendigen persönlichen Konsequenzen derer, die Schuld auf sich geladen haben, ist der Vorsitzende des Katholikenrates überzeugt. Auch wenn es ein Gutachten aus München sei, um das es derzeit gehe, müsse sich ebenso das Bistum Essen mit dem Ergebnis befassen. Thomas Gäng: „Ich darf allerdings auch darauf hinweisen, dass das Gutachten durch die katholische Kirche selbst beauftragt wurde und wir uns in den letzten Jahren intensiv bemüht haben, sexuellen Missbrauch zu verhindern und alle Gläubigen für das Thema zu sensibilisieren.“
Gäng erwartet, dass es lange dauern werde, bis die Kirche das verloren gegangene Vertrauen wieder herstellen könne. „Unser Mitgefühl gilt in allererster Linie den Opfern, hierzu gehört auch eine Entschädigung für das erlittene Leid. Dennoch bleibe ich weiter Mitglied der katholischen Kirche, weil die Botschaft eine zutiefst gute und tragende ist.“
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck: „Verantwortung ist immer personal“
Unterdessen hat sich in der Diskussion um das neue Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck zu Wort gemeldet und die individuelle Verantwortung in der Leitung der Kirche betont: „Wir sehen deutlich, dass Verantwortung übernommen werden muss – und Verantwortung ist immer personal.“ Nun gehe es darum, „dass sich auch der Vatikan, dass sich auch Papst Benedikt dazu verhält“.
Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer nennt das Münchener Gutachten „ein sehr deutliches Signal für die katholische Kirche, endlich Schluss damit zu machen, Verantwortlichkeiten nicht klar zu benennen“. Künftig müsse die Kirche viel stärker als bisher „den Betroffenen zuhören und ihnen Glauben schenken“.
Pfeffer fordert „radikale Konsequenzen“ und schreibt auf seiner Facebook-Seite: „Hätten die Verantwortlichen unseres Bistums Ende der 70er Jahre gleich nach Bekanntwerden der ersten Missbrauchstaten die betroffenen Kinder im Blick gehabt, den Täter aus dem Verkehr gezogen und die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, wäre unendlich viel Leid verhindert worden.“
An der Spitze der katholischen Laien
Thomas Gäng ist Mitte 2019 mit großer Mehrheit als Vorsitzender des Stadtkatholikenrates bestätigt worden.Die Amtszeit beträgt vier Jahre, so dass der Oberhausener mindestens bis 2023 oberster Vertreter der katholischen Laien in der Stadt ist.